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Humboldt, Alexander von: Ueber die Gesetze, welche man in der Verteilung der Pflanzenformen beobachtet. In: Journal für Chemie und Physik, Bd. 18, H. 2 (1816), S. 129-145.

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man in d. Verth. d. Pflanzenformen beobachtet.
Brown hat neuerlich ähnliche Untersuchungen über
die Pflanzen von Neuholland angestellt. Von allen
Monocotyledonen, welche bisher in diesem Conti-
nent entdeckt wurden, ist ein Achtundzwanzigtheil
England, Frankreich und Deutschland gemein. Bei
den Dicotyledonen ist das Verhältniss wie 1 zu 200;
ein neuer Beweiss, dass die Gräser und die Cype-
raceae, wegen der grossen Schmiegsamkeit ihrer
Organisation am meisten in den beiden Hemisphä-
ren verbreitet sind. Es wäre zu wünschen, dass
Zoologen auf ähnliche Weise versuchten, die Zah-
lenverhältnisse, die in der Vertheilung der Thiere
über die Erde herrschen, auszumitteln.

In der südlichen Hemisphäre erstrecken sich die
Pflanzenformen der heissen Zone weiter gegen den
Pol hinab, als in der nördlichen. Die baumartigen
Farren gehen in Asien und Amerika kaum über
den Wendekreis des Krebses hinaus, während in
der südlichen Hälfte unseres Planeten die Dieksonia
antarctica, deren Stamm sich zu einer Höhe von
sechs Metre (19 F.) erstreckt, bis zum Van Diemens
Land in der Breite von 42°, hinabwandert; ja sie
ist sogar in Neuseeland, in der Dasky-Bay, unter
der Parallele von Lyon, gefunden worden. Andere,
nicht weniger prachtvolle Formen, welche man
für ausschliessliches Eigenthum der Aequatorialflora
halten möchte, die parasitischen Orchideen, Epi-
dendra, Dendrobia u. s. w. finden sich, zwischen
baumartigen Farren, weit über den Wendekreis des
Steinbocks hinaus, mitten in der gemäsigten Zone
der südlichen Erdhälfte. Diese Erscheinungen in der
Geographie der Pflanzen beweisen, wie schwankend
das ist, was man gewöhnlich über die beträchtliche
Verminderung der Temperatur in der südlichen

man in d. Verth. d. Pflanzenformen beobachtet.
Brown hat neuerlich ähnliche Untersuchungen über
die Pflanzen von Neuholland angestellt. Von allen
Monocotyledonen, welche bisher in diesem Conti-
nent entdeckt wurden, ist ein Achtundzwanzigtheil
England, Frankreich und Deutschland gemein. Bei
den Dicotyledonen ist das Verhältniſs wie 1 zu 200;
ein neuer Beweiſs, daſs die Gräser und die Cype-
raceae, wegen der groſsen Schmiegsamkeit ihrer
Organisation am meisten in den beiden Hemisphä-
ren verbreitet sind. Es wäre zu wünschen, daſs
Zoologen auf ähnliche Weise versuchten, die Zah-
lenverhältnisse, die in der Vertheilung der Thiere
über die Erde herrschen, auszumitteln.

In der südlichen Hemisphäre erstrecken sich die
Pflanzenformen der heiſsen Zone weiter gegen den
Pol hinab, als in der nördlichen. Die baumartigen
Farren gehen in Asien und Amerika kaum über
den Wendekreis des Krebses hinaus, während in
der südlichen Hälfte unseres Planeten die Dieksonia
antarctica, deren Stamm sich zu einer Höhe von
sechs Metre (19 F.) erstreckt, bis zum Van Diemens
Land in der Breite von 42°, hinabwandert; ja sie
ist sogar in Neuseeland, in der Dasky-Bay, unter
der Parallele von Lyon, gefunden worden. Andere,
nicht weniger prachtvolle Formen, welche man
für ausschlieſsliches Eigenthum der Aequatorialflora
halten möchte, die parasitischen Orchideen, Epi-
dendra, Dendrobia u. s. w. finden sich, zwischen
baumartigen Farren, weit über den Wendekreis des
Steinbocks hinaus, mitten in der gemäsigten Zone
der südlichen Erdhälfte. Diese Erscheinungen in der
Geographie der Pflanzen beweisen, wie schwankend
das ist, was man gewöhnlich über die beträchtliche
Verminderung der Temperatur in der südlichen

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[143/0014] man in d. Verth. d. Pflanzenformen beobachtet. Brown hat neuerlich ähnliche Untersuchungen über die Pflanzen von Neuholland angestellt. Von allen Monocotyledonen, welche bisher in diesem Conti- nent entdeckt wurden, ist ein Achtundzwanzigtheil England, Frankreich und Deutschland gemein. Bei den Dicotyledonen ist das Verhältniſs wie 1 zu 200; ein neuer Beweiſs, daſs die Gräser und die Cype- raceae, wegen der groſsen Schmiegsamkeit ihrer Organisation am meisten in den beiden Hemisphä- ren verbreitet sind. Es wäre zu wünschen, daſs Zoologen auf ähnliche Weise versuchten, die Zah- lenverhältnisse, die in der Vertheilung der Thiere über die Erde herrschen, auszumitteln. In der südlichen Hemisphäre erstrecken sich die Pflanzenformen der heiſsen Zone weiter gegen den Pol hinab, als in der nördlichen. Die baumartigen Farren gehen in Asien und Amerika kaum über den Wendekreis des Krebses hinaus, während in der südlichen Hälfte unseres Planeten die Dieksonia antarctica, deren Stamm sich zu einer Höhe von sechs Metre (19 F.) erstreckt, bis zum Van Diemens Land in der Breite von 42°, hinabwandert; ja sie ist sogar in Neuseeland, in der Dasky-Bay, unter der Parallele von Lyon, gefunden worden. Andere, nicht weniger prachtvolle Formen, welche man für ausschlieſsliches Eigenthum der Aequatorialflora halten möchte, die parasitischen Orchideen, Epi- dendra, Dendrobia u. s. w. finden sich, zwischen baumartigen Farren, weit über den Wendekreis des Steinbocks hinaus, mitten in der gemäsigten Zone der südlichen Erdhälfte. Diese Erscheinungen in der Geographie der Pflanzen beweisen, wie schwankend das ist, was man gewöhnlich über die beträchtliche Verminderung der Temperatur in der südlichen

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Gesetze, welche man in der Verteilung der Pflanzenformen beobachtet. In: Journal für Chemie und Physik, Bd. 18, H. 2 (1816), S. 129-145, hier S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_gesetze_1816/14>, abgerufen am 25.04.2024.