Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Ueber die Gesetze, welche man in der Verteilung der Pflanzenformen beobachtet. In: Journal für Chemie und Physik, Bd. 18, H. 2 (1816), S. 129-145.

Bild:
<< vorherige Seite

A. v. Humboldt über die Gesetze, welche
der kalten Zone verbreitet sind. Man sieht hier,
wie in der organischen Natur die Formen constan-
te Verhältnisse unter denselben Wärmeparallelen
(paralleles isothermes); das heisst unter Bögen, wel-
che durch Puncte der Erde gezogen werden, die
einer gleichen Wärme geniessen -- offenbaren. Die
grasartigen Pflanzen machen in England , in
Frankreich , in Nordamerika der Gesammt-
zahl aller dort einheimischen Phanerogamisten aus.
Die Pflanzen mit Spelzblüthen (glumaceae) machen
in Deutschland , in Frankreich , in Nordame-
rika und, nach den schönen Beobachtungen Brown's,
auch in Neuholland ebenfalls 1/8 der daselbst be-
kannten Phanerogamen aus. Auf der andern Seite
bilden die Leguminosae in Deutschland , in
Frankreich , in Nordamerika der gesamm-
ten Bevölkerung von phanerogamischen Gewächsen.
Die Pflanzen mit zusammengesetzten Blumen nehmen
in der nördlichsten Hälfte des neuen Continentes et-
was zu; denn nach der neuen Flora von Pursh
machen sie zwischen den Parallelen von Georgien
und von Boston 1/6 , in Deutschland dagegen 1/8 und
in Frankreich der allgemeinen Zahl der offenblü-
thigen aus. In der ganzen gemäsigten Zone bilden
die Glumaceae und die Compositae zusammenge-
nommen ohngefähr 1/4, die Glumaceae, Composi-
tae, Cruciferae und Leguminosae zusammengenom-
men 1/3 des Ganzen (die Cryptogamen ausgeschlos-
sen). Es geht aus diesen Untersuchungen hervor,
dass die Formen der organisirten Wesen in einer
gegenseitigen Abhängigkeit von einander stehen,
und sich nach constanten und leicht aufzufindenden
Gesetzen begrenzen. Wenn man auf irgend einem
Punct der Erde die Zahl der Arten kennt, welche

A. v. Humboldt über die Gesetze, welche
der kalten Zone verbreitet sind. Man sieht hier,
wie in der organischen Natur die Formen constan-
te Verhältnisse unter denselben Wärmeparallelen
(paralleles isothermes); das heiſst unter Bögen, wel-
che durch Puncte der Erde gezogen werden, die
einer gleichen Wärme genieſsen — offenbaren. Die
grasartigen Pflanzen machen in England , in
Frankreich , in Nordamerika der Gesammt-
zahl aller dort einheimischen Phanerogamisten aus.
Die Pflanzen mit Spelzblüthen (glumaceae) machen
in Deutschland , in Frankreich , in Nordame-
rika und, nach den schönen Beobachtungen Brown's,
auch in Neuholland ebenfalls ⅛ der daselbst be-
kannten Phanerogamen aus. Auf der andern Seite
bilden die Leguminosae in Deutschland , in
Frankreich , in Nordamerika der gesamm-
ten Bevölkerung von phanerogamischen Gewächsen.
Die Pflanzen mit zusammengesetzten Blumen nehmen
in der nördlichsten Hälfte des neuen Continentes et-
was zu; denn nach der neuen Flora von Pursh
machen sie zwischen den Parallelen von Georgien
und von Boston ⅙, in Deutschland dagegen ⅛ und
in Frankreich der allgemeinen Zahl der offenblü-
thigen aus. In der ganzen gemäsigten Zone bilden
die Glumaceae und die Compositae zusammenge-
nommen ohngefähr ¼, die Glumaceae, Composi-
tae, Cruciferae und Leguminosae zusammengenom-
men ⅓ des Ganzen (die Cryptogamen ausgeschlos-
sen). Es geht aus diesen Untersuchungen hervor,
daſs die Formen der organisirten Wesen in einer
gegenseitigen Abhängigkeit von einander stehen,
und sich nach constanten und leicht aufzufindenden
Gesetzen begrenzen. Wenn man auf irgend einem
Punct der Erde die Zahl der Arten kennt, welche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0006" n="134"/><fw place="top" type="header">A. v. <hi rendition="#g">Humboldt</hi> über die Gesetze, welche</fw><lb/>
der kalten Zone verbreitet sind. Man sieht hier,<lb/>
wie in der organischen Natur die Formen constan-<lb/>
te Verhältnisse unter denselben Wärmeparallelen<lb/>
(<hi rendition="#i">paralleles isothermes</hi>); das hei&#x017F;st unter Bögen, wel-<lb/>
che durch Puncte der Erde gezogen werden, die<lb/>
einer gleichen Wärme genie&#x017F;sen &#x2014; offenbaren. Die<lb/>
grasartigen Pflanzen machen in England <formula notation="TeX"> \frac{1}{12}</formula>, in<lb/>
Frankreich <formula notation="TeX">\frac{1}{13}</formula>, in Nordamerika <formula notation="TeX">\frac{1}{10}</formula> der Gesammt-<lb/>
zahl aller dort einheimischen Phanerogamisten aus.<lb/>
Die Pflanzen mit Spelzblüthen (glumaceae) machen<lb/>
in Deutschland <formula notation="TeX">\frac{1}{7}</formula>, in Frankreich <formula notation="TeX">\frac{1}{13}</formula>, in Nordame-<lb/>
rika und, nach den schönen Beobachtungen <hi rendition="#i">Brown's</hi>,<lb/>
auch in Neuholland ebenfalls &#x215B; der daselbst be-<lb/>
kannten Phanerogamen aus. Auf der andern Seite<lb/>
bilden die Leguminosae in Deutschland <formula notation="TeX">\frac{1}{18}</formula>, in<lb/>
Frankreich <formula notation="TeX">\frac{1}{10}</formula>, in Nordamerika <formula notation="TeX">\frac{1}{19}</formula> der gesamm-<lb/>
ten Bevölkerung von phanerogamischen Gewächsen.<lb/>
Die Pflanzen mit zusammengesetzten Blumen nehmen<lb/>
in der nördlichsten Hälfte des neuen Continentes et-<lb/>
was zu; denn nach der neuen Flora von <hi rendition="#i">Pursh</hi><lb/>
machen sie zwischen den Parallelen von Georgien<lb/>
und von Boston &#x2159;, in Deutschland dagegen &#x215B; und<lb/>
in Frankreich <formula notation="TeX">\frac{1}{7}</formula> der allgemeinen Zahl der offenblü-<lb/>
thigen aus. In der ganzen gemäsigten Zone bilden<lb/>
die Glumaceae und die Compositae zusammenge-<lb/>
nommen ohngefähr ¼, die Glumaceae, Composi-<lb/>
tae, Cruciferae und Leguminosae zusammengenom-<lb/>
men &#x2153; des Ganzen (die Cryptogamen ausgeschlos-<lb/>
sen). Es geht aus diesen Untersuchungen hervor,<lb/>
da&#x017F;s die Formen der organisirten Wesen in einer<lb/>
gegenseitigen Abhängigkeit von einander stehen,<lb/>
und sich nach constanten und leicht aufzufindenden<lb/>
Gesetzen begrenzen. Wenn man auf irgend einem<lb/>
Punct der Erde die Zahl der Arten kennt, welche<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0006] A. v. Humboldt über die Gesetze, welche der kalten Zone verbreitet sind. Man sieht hier, wie in der organischen Natur die Formen constan- te Verhältnisse unter denselben Wärmeparallelen (paralleles isothermes); das heiſst unter Bögen, wel- che durch Puncte der Erde gezogen werden, die einer gleichen Wärme genieſsen — offenbaren. Die grasartigen Pflanzen machen in England [FORMEL], in Frankreich [FORMEL], in Nordamerika [FORMEL] der Gesammt- zahl aller dort einheimischen Phanerogamisten aus. Die Pflanzen mit Spelzblüthen (glumaceae) machen in Deutschland [FORMEL], in Frankreich [FORMEL], in Nordame- rika und, nach den schönen Beobachtungen Brown's, auch in Neuholland ebenfalls ⅛ der daselbst be- kannten Phanerogamen aus. Auf der andern Seite bilden die Leguminosae in Deutschland [FORMEL], in Frankreich [FORMEL], in Nordamerika [FORMEL] der gesamm- ten Bevölkerung von phanerogamischen Gewächsen. Die Pflanzen mit zusammengesetzten Blumen nehmen in der nördlichsten Hälfte des neuen Continentes et- was zu; denn nach der neuen Flora von Pursh machen sie zwischen den Parallelen von Georgien und von Boston ⅙, in Deutschland dagegen ⅛ und in Frankreich [FORMEL] der allgemeinen Zahl der offenblü- thigen aus. In der ganzen gemäsigten Zone bilden die Glumaceae und die Compositae zusammenge- nommen ohngefähr ¼, die Glumaceae, Composi- tae, Cruciferae und Leguminosae zusammengenom- men ⅓ des Ganzen (die Cryptogamen ausgeschlos- sen). Es geht aus diesen Untersuchungen hervor, daſs die Formen der organisirten Wesen in einer gegenseitigen Abhängigkeit von einander stehen, und sich nach constanten und leicht aufzufindenden Gesetzen begrenzen. Wenn man auf irgend einem Punct der Erde die Zahl der Arten kennt, welche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_gesetze_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_gesetze_1816/6
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Gesetze, welche man in der Verteilung der Pflanzenformen beobachtet. In: Journal für Chemie und Physik, Bd. 18, H. 2 (1816), S. 129-145, hier S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_gesetze_1816/6>, abgerufen am 18.04.2024.