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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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Naturgefühls, zu schildern, um den Ursachen nachzuspüren, welche, besonders in der neueren Zeit, durch Belebung der Einbildungskraft so mächtig auf die Liebe zum Naturstudium und auf den Hang zu fernen Reisen gewirkt haben.

Die Anregungsmittel sind, wie wir schon früher bemerkt haben1, von dreierlei Art: ästhetische Behandlung von Naturscenen, in belebten Schilderungen der Thier- und Pflanzenwelt, ein sehr moderner Zweig der Litteratur; Landschaftmalerei, besonders in so fern sie angefangen hat die Physiognomik der Gewächse aufzufassen; mehr verbreitete Cultur von Tropengewächsen und contrastirende Zusammenstellung exotischer Formen. Jedes der hier bezeichneten Anregungsmittel könnte schon seiner historischen Beziehungen wegen der Gegenstand vielumfassender Erörterung werden; aber nach dem Geiste und dem Zweck meiner Schrift scheint es geeigneter nur wenige leitende Ideen zu entwickeln, daran zu erinnern, wie die Naturwelt in verschiedenen Zeitepochen und bei verschiedenen Volksstämmen so ganz anders auf die Gedanken- und Empfindungswelt eingewirkt hat, wie in einem Zustande allgemeiner Cultur das ernste Wissen und die zarteren Anregungen der Phantasie sich gegenseitig zu durchdringen streben. Um die Natur in ihrer ganzen erhabenen Größe zu schildern, darf man nicht bei den äußeren Erscheinungen allein verweilen; die Natur muß auch dargestellt werden, wie sie sich im Inneren des Menschen abspiegelt, wie sie durch diesen Reflex bald das Nebelland physischer Mythen mit anmuthigen Gestalten füllt, bald den edlen Keim darstellender Kunstthätigkeit entfaltet.

Indem wir uns hier auf die einfache Betrachtung der

Naturgefühls, zu schildern, um den Ursachen nachzuspüren, welche, besonders in der neueren Zeit, durch Belebung der Einbildungskraft so mächtig auf die Liebe zum Naturstudium und auf den Hang zu fernen Reisen gewirkt haben.

Die Anregungsmittel sind, wie wir schon früher bemerkt haben1, von dreierlei Art: ästhetische Behandlung von Naturscenen, in belebten Schilderungen der Thier- und Pflanzenwelt, ein sehr moderner Zweig der Litteratur; Landschaftmalerei, besonders in so fern sie angefangen hat die Physiognomik der Gewächse aufzufassen; mehr verbreitete Cultur von Tropengewächsen und contrastirende Zusammenstellung exotischer Formen. Jedes der hier bezeichneten Anregungsmittel könnte schon seiner historischen Beziehungen wegen der Gegenstand vielumfassender Erörterung werden; aber nach dem Geiste und dem Zweck meiner Schrift scheint es geeigneter nur wenige leitende Ideen zu entwickeln, daran zu erinnern, wie die Naturwelt in verschiedenen Zeitepochen und bei verschiedenen Volksstämmen so ganz anders auf die Gedanken- und Empfindungswelt eingewirkt hat, wie in einem Zustande allgemeiner Cultur das ernste Wissen und die zarteren Anregungen der Phantasie sich gegenseitig zu durchdringen streben. Um die Natur in ihrer ganzen erhabenen Größe zu schildern, darf man nicht bei den äußeren Erscheinungen allein verweilen; die Natur muß auch dargestellt werden, wie sie sich im Inneren des Menschen abspiegelt, wie sie durch diesen Reflex bald das Nebelland physischer Mythen mit anmuthigen Gestalten füllt, bald den edlen Keim darstellender Kunstthätigkeit entfaltet.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/9>, abgerufen am 28.03.2024.