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Humboldt, Alexander von: Versuche und Beobachtungen über die grüne Farbe unterirrdischer Vegetabilien. In: Journal der Physik, Bd. 5, H. 2, (1792), S. 195-204.

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lanceolata, Trifolium officinale, T. aruense und an-
dere keimen, neue Blätter treiben, die alten nicht ab-
werfen
, mit Rispen blühen -- alles wie auf der
Oberfläche der Erde. Ich bemerkte, dass die Farbe
dieser unterirrdischen Gewächse bey einigen völlig
grasgrün (eigentlich von einer Mittelfarbe zwischen
gras- und pistatiengrün); bey andern, und zwar häu-
fig nach dem Stengel zu, etwas lichter-grasgrün,
wie die jungen Frühlingsblätter, bey noch andern,
besonders da, wo die Halme stark trieben und vom
Wasser beträufelt wurden, hell-apfelgrün war. Die
neuen, in der Grube getriebenen Blätter glaubte ich
da am dunkelgrünsten zu finden, wo die Wetter
am bösesten, d. h. am wenigsten mit Lebensluft
gemischt waren. Doch gründet sich diese letzte
Meinung auf zu wenig Beobachtungen, um für ent-
scheidend zu gelten. Die lichte-apfelgrünen Halme
zeigen sich am häufigsten auf verdorrten Rasen, der
von neuem befeuchtet worden. Sie sind gewöhnlich
stark eingebogen (culmi infracti) fast wie beim Ale-
pecurus geniculatus
, und tragen weit abstehende Blät-
ter
(folia horizontalia). Alle diese Erscheinungen
sind dem gemeinen Bergmanne sehr bekannt.

Da nach den bisherigen Entdeckungen Pflan-
zen, die von keinem Sonnenstrahl getroffen werden,
und höchstens bisweilen den dürftigen, unwirksa-
men Schein eines Grubenlichts genießen, gänzlich
verbleichen*, nie aber grün seyn sollten, so wurde
meine Aufmerksamkeit doppelt gespannt, als ich
eine Flechtenart (der das Innere des Erdkörpers zum
ausschliessenden Wohnplatz bestimmt scheint) mit
grünen Keimen fand. Dieses riesenmässige Gewächs,

* Nach Hrn. Bonnet sollte die Bleichsucht sogar mit der
Finsterniss in gleichem Verhältnisse annehmen.

lanceolata, Trifolium officinale, T. aruenſe und an-
dere keimen, neue Blätter treiben, die alten nicht ab-
werfen
, mit Riſpen blühen — alles wie auf der
Oberfläche der Erde. Ich bemerkte, daſs die Farbe
dieſer unterirrdiſchen Gewächſe bey einigen völlig
grasgrün (eigentlich von einer Mittelfarbe zwiſchen
gras- und piſtatiengrün); bey andern, und zwar häu-
fig nach dem Stengel zu, etwas lichter-grasgrün,
wie die jungen Frühlingsblätter, bey noch andern,
beſonders da, wo die Halme ſtark trieben und vom
Waſſer beträufelt wurden, hell-apfelgrün war. Die
neuen, in der Grube getriebenen Blätter glaubte ich
da am dunkelgrünſten zu finden, wo die Wetter
am böſeſten, d. h. am wenigſten mit Lebensluft
gemiſcht waren. Doch gründet ſich dieſe letzte
Meinung auf zu wenig Beobachtungen, um für ent-
ſcheidend zu gelten. Die lichte-apfelgrünen Halme
zeigen ſich am häufigſten auf verdorrten Raſen, der
von neuem befeuchtet worden. Sie ſind gewöhnlich
ſtark eingebogen (culmi infracti) faſt wie beim Ale-
pecurus geniculatus
, und tragen weit abſtehende Blät-
ter
(folia horizontalia). Alle dieſe Erſcheinungen
ſind dem gemeinen Bergmanne ſehr bekannt.

Da nach den bisherigen Entdeckungen Pflan-
zen, die von keinem Sonnenſtrahl getroffen werden,
und höchſtens bisweilen den dürftigen, unwirkſa-
men Schein eines Grubenlichts genießen, gänzlich
verbleichen*, nie aber grün ſeyn ſollten, ſo wurde
meine Aufmerkſamkeit doppelt geſpannt, als ich
eine Flechtenart (der das Innere des Erdkörpers zum
ausſchlieſsenden Wohnplatz beſtimmt ſcheint) mit
grünen Keimen fand. Dieſes rieſenmäſsige Gewächs,

* Nach Hrn. Bonnet ſollte die Bleichſucht ſogar mit der
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[196/0003] lanceolata, Trifolium officinale, T. aruenſe und an- dere keimen, neue Blätter treiben, die alten nicht ab- werfen, mit Riſpen blühen — alles wie auf der Oberfläche der Erde. Ich bemerkte, daſs die Farbe dieſer unterirrdiſchen Gewächſe bey einigen völlig grasgrün (eigentlich von einer Mittelfarbe zwiſchen gras- und piſtatiengrün); bey andern, und zwar häu- fig nach dem Stengel zu, etwas lichter-grasgrün, wie die jungen Frühlingsblätter, bey noch andern, beſonders da, wo die Halme ſtark trieben und vom Waſſer beträufelt wurden, hell-apfelgrün war. Die neuen, in der Grube getriebenen Blätter glaubte ich da am dunkelgrünſten zu finden, wo die Wetter am böſeſten, d. h. am wenigſten mit Lebensluft gemiſcht waren. Doch gründet ſich dieſe letzte Meinung auf zu wenig Beobachtungen, um für ent- ſcheidend zu gelten. Die lichte-apfelgrünen Halme zeigen ſich am häufigſten auf verdorrten Raſen, der von neuem befeuchtet worden. Sie ſind gewöhnlich ſtark eingebogen (culmi infracti) faſt wie beim Ale- pecurus geniculatus, und tragen weit abſtehende Blät- ter (folia horizontalia). Alle dieſe Erſcheinungen ſind dem gemeinen Bergmanne ſehr bekannt. Da nach den bisherigen Entdeckungen Pflan- zen, die von keinem Sonnenſtrahl getroffen werden, und höchſtens bisweilen den dürftigen, unwirkſa- men Schein eines Grubenlichts genießen, gänzlich verbleichen *, nie aber grün ſeyn ſollten, ſo wurde meine Aufmerkſamkeit doppelt geſpannt, als ich eine Flechtenart (der das Innere des Erdkörpers zum ausſchlieſsenden Wohnplatz beſtimmt ſcheint) mit grünen Keimen fand. Dieſes rieſenmäſsige Gewächs, * Nach Hrn. Bonnet ſollte die Bleichſucht ſogar mit der Finſterniſs in gleichem Verhältniſſe annehmen.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Versuche und Beobachtungen über die grüne Farbe unterirrdischer Vegetabilien. In: Journal der Physik, Bd. 5, H. 2, (1792), S. 195-204, hier S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_versuch_1792/3>, abgerufen am 28.03.2024.