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Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

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lich von Männern stammen würde, die es von
ihrem Geschlechtsstandpunkt aus viel bequemer
fanden, der Frau die Verantwortung aufzubürden
für eine Handlung, die ausschließlich auf ihr
eigenes Konto zu setzen ist. Außerdem wollten sie,
die, wie Rosa Mayreder1) zutreffend bemerkt, als
Geschlechtswesen völlig frei und ungebunden, als
Väter aber von der Treue und Zuverlässigkeit der
Mütter ihrer Kinder abhängig sind, kraft der phy-
sischen und psychischen Überlegenheit, die ihnen
ihre sexuelle Ungebundenheit gewährt, physische
und psychische Zwangsmittel über die Frau ver-
hängen, von denen die doppelte Moral, die dem
Manne Freiheit sichert, wo das Weib auf das engste
gebunden wird, das stärkste ist.

Die außereheliche Mutterschaft ist ja bei der
Majorität der Völker eine dornenvolle. Aber man
begreift es eher, daß bei wilden, keine sittliche
Hemmung kennenden, auf dem denkbar tiefsten
Niveau stehenden Naturvölkern, die werdende un-
eheliche Mutter schon dem Tode verfallen ist, daß
selbst bei anderen, höher stehenden, wie bei den
Arabern und Kabylen das uneheliche Kind dem
Untergange geweiht ist, als daß bei einem hoch-
stehenden Kulturvolk, wie bei dem unsrigen, eine
solche brutale und ungerechte Behandlung der
Schutz- und Hilfsbedürftigsten möglich ist.

1) "Mutterschaft", München 1912.

lich von Männern stammen würde, die es von
ihrem Geschlechtsstandpunkt aus viel bequemer
fanden, der Frau die Verantwortung aufzubürden
für eine Handlung, die ausschließlich auf ihr
eigenes Konto zu setzen ist. Außerdem wollten sie,
die, wie Rosa Mayreder1) zutreffend bemerkt, als
Geschlechtswesen völlig frei und ungebunden, als
Väter aber von der Treue und Zuverlässigkeit der
Mütter ihrer Kinder abhängig sind, kraft der phy-
sischen und psychischen Überlegenheit, die ihnen
ihre sexuelle Ungebundenheit gewährt, physische
und psychische Zwangsmittel über die Frau ver-
hängen, von denen die doppelte Moral, die dem
Manne Freiheit sichert, wo das Weib auf das engste
gebunden wird, das stärkste ist.

Die außereheliche Mutterschaft ist ja bei der
Majorität der Völker eine dornenvolle. Aber man
begreift es eher, daß bei wilden, keine sittliche
Hemmung kennenden, auf dem denkbar tiefsten
Niveau stehenden Naturvölkern, die werdende un-
eheliche Mutter schon dem Tode verfallen ist, daß
selbst bei anderen, höher stehenden, wie bei den
Arabern und Kabylen das uneheliche Kind dem
Untergange geweiht ist, als daß bei einem hoch-
stehenden Kulturvolk, wie bei dem unsrigen, eine
solche brutale und ungerechte Behandlung der
Schutz- und Hilfsbedürftigsten möglich ist.

1) „Mutterschaft“, München 1912.
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[295/0299] lich von Männern stammen würde, die es von ihrem Geschlechtsstandpunkt aus viel bequemer fanden, der Frau die Verantwortung aufzubürden für eine Handlung, die ausschließlich auf ihr eigenes Konto zu setzen ist. Außerdem wollten sie, die, wie Rosa Mayreder 1) zutreffend bemerkt, als Geschlechtswesen völlig frei und ungebunden, als Väter aber von der Treue und Zuverlässigkeit der Mütter ihrer Kinder abhängig sind, kraft der phy- sischen und psychischen Überlegenheit, die ihnen ihre sexuelle Ungebundenheit gewährt, physische und psychische Zwangsmittel über die Frau ver- hängen, von denen die doppelte Moral, die dem Manne Freiheit sichert, wo das Weib auf das engste gebunden wird, das stärkste ist. Die außereheliche Mutterschaft ist ja bei der Majorität der Völker eine dornenvolle. Aber man begreift es eher, daß bei wilden, keine sittliche Hemmung kennenden, auf dem denkbar tiefsten Niveau stehenden Naturvölkern, die werdende un- eheliche Mutter schon dem Tode verfallen ist, daß selbst bei anderen, höher stehenden, wie bei den Arabern und Kabylen das uneheliche Kind dem Untergange geweiht ist, als daß bei einem hoch- stehenden Kulturvolk, wie bei dem unsrigen, eine solche brutale und ungerechte Behandlung der Schutz- und Hilfsbedürftigsten möglich ist. 1) „Mutterschaft“, München 1912.

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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/299>, abgerufen am 25.04.2024.