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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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mich ein Kerl geworden, vor dem ich eine stille
Aversion verspüre.

Münchhausen's Wangen nahmen die Farbe des
Smaragds an, die doppelfarbigen Augen zwinker-
ten zum Theil, zum Theil leuchteten sie von Thrä-
nen. Er griff in hoher Bewegung nach der Hand
seines Wirthes, führte sie an sein Herz und rief:
Wie danke ich Ihnen für dieses rückhaltslose Ge-
ständniß! Ist das nicht eine andere und männ-
lichere Gesinnung, frei heraus zu sagen, was Einer
auf dem Herzen hat, als jene altbackene Empfind-
samkeit und höfliche Scheu, die Schlangen im
Busen nährt und auf die Lippen Nachtigallen schickt?

Kann denn nicht der deutsche Mann zum deut-
schen Manne sagen: Du bist ein Schafskopf --
und dennoch mit ihm in Ruhe und Frieden leben?
rief der alte Baron eifrig.

Kann ich Sie denn nicht für einen alten Ein-
faltspinsel halten, und nichtsdestoweniger Sie herz-
lich lieben? schrie Münchhausen.

Bruder! schluchzte der alte Baron und fiel
seinem Gaste um den Hals, Gott soll mich ver-
dammen, wenn deine Gesellschaft mir nicht von
Herzen abschmeckend zu werden anfängt. Ich meinte,

mich ein Kerl geworden, vor dem ich eine ſtille
Averſion verſpüre.

Münchhauſen’s Wangen nahmen die Farbe des
Smaragds an, die doppelfarbigen Augen zwinker-
ten zum Theil, zum Theil leuchteten ſie von Thrä-
nen. Er griff in hoher Bewegung nach der Hand
ſeines Wirthes, führte ſie an ſein Herz und rief:
Wie danke ich Ihnen für dieſes rückhaltsloſe Ge-
ſtändniß! Iſt das nicht eine andere und männ-
lichere Geſinnung, frei heraus zu ſagen, was Einer
auf dem Herzen hat, als jene altbackene Empfind-
ſamkeit und höfliche Scheu, die Schlangen im
Buſen nährt und auf die Lippen Nachtigallen ſchickt?

Kann denn nicht der deutſche Mann zum deut-
ſchen Manne ſagen: Du biſt ein Schafskopf —
und dennoch mit ihm in Ruhe und Frieden leben?
rief der alte Baron eifrig.

Kann ich Sie denn nicht für einen alten Ein-
faltspinſel halten, und nichtsdeſtoweniger Sie herz-
lich lieben? ſchrie Münchhauſen.

Bruder! ſchluchzte der alte Baron und fiel
ſeinem Gaſte um den Hals, Gott ſoll mich ver-
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Herzen abſchmeckend zu werden anfängt. Ich meinte,

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[7/0025] mich ein Kerl geworden, vor dem ich eine ſtille Averſion verſpüre. Münchhauſen’s Wangen nahmen die Farbe des Smaragds an, die doppelfarbigen Augen zwinker- ten zum Theil, zum Theil leuchteten ſie von Thrä- nen. Er griff in hoher Bewegung nach der Hand ſeines Wirthes, führte ſie an ſein Herz und rief: Wie danke ich Ihnen für dieſes rückhaltsloſe Ge- ſtändniß! Iſt das nicht eine andere und männ- lichere Geſinnung, frei heraus zu ſagen, was Einer auf dem Herzen hat, als jene altbackene Empfind- ſamkeit und höfliche Scheu, die Schlangen im Buſen nährt und auf die Lippen Nachtigallen ſchickt? Kann denn nicht der deutſche Mann zum deut- ſchen Manne ſagen: Du biſt ein Schafskopf — und dennoch mit ihm in Ruhe und Frieden leben? rief der alte Baron eifrig. Kann ich Sie denn nicht für einen alten Ein- faltspinſel halten, und nichtsdeſtoweniger Sie herz- lich lieben? ſchrie Münchhauſen. Bruder! ſchluchzte der alte Baron und fiel ſeinem Gaſte um den Hals, Gott ſoll mich ver- dammen, wenn deine Geſellſchaft mir nicht von Herzen abſchmeckend zu werden anfängt. Ich meinte,

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/25>, abgerufen am 28.03.2024.