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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Bestreitung der Bedürfnisse auf einfachem Wege. §. 56.
3. Erstreckung des Erbrechts auf die Erben
des Eingesetzten
.

Wenn der Eingesetzte den Anfall der Erbschaft nicht erlebt,
so ist dieselbe für seine Erben verloren. Nun kann es aber der
Wille des Testators sein, diesen Verlust abzuwenden. Wie ist
dies zu erreichen? Auf directem Wege ebenfalls nicht. Der
Testator kann allerdings dem Eingesetzten andere Personen sub-
stituiren, also auch dessen jetzige nächste Intestaterben, allein
die jetzigen sind nicht immer auch die zukünftigen, eine Sub-
stitution der "zukünftigen Erben desselben" aber als zur Zeit noch
ungewisser Personen (personae incertae) ist unstatthaft. Die
Antwort auf die obige Frage wird der Leser sich nunmehr selber
geben. Der Testator setzt wiederum die Sklaven der beabsichtigten
Person zu Erben ein; wenn letztere stirbt, so geht mit ihrer Erb-
schaft auch das Eigenthum der Sklaven und damit die seinige
auf diejenigen Personen über, die zu jener berufen sind.

4. Versprechen an unbestimmte Personen.

Nach römischem Recht ist ein Versprechen an eine unbestimmte
Person (z. B. der Restitution des Vermögens des arrogirten
Unmündigen an seine "demnächstigen" Erben, oder einer Prämie
an "den, der die Sache wiederbringt") ebenso wenig juristisch
wirksam, als die Erbeinsetzung unbestimmter Personen, gleich-
wohl bot aber das römische Leben zur Leistung derartiger Ver-
sprechungen manche Veranlassung dar. 322) Das so eben er-
wähnte erste Beispiel lehrt uns, wie man sich hier half, ohne
einen der obersten Grundsätze des Obligationenrechts Preis zu

ist von mir bereits früher im ersten Heft der Jahrbücher für die Dog-
matik u. s. w. S. 49 Note (1856) und damit gleichzeitig von Köppen die
Erbschaft, S. 93 Note 7 (1856) aufgestellt worden.
322) Außer dem Fall im Text namentlich bei der Auslobung, die auch in
Rom in ihrer thatsächlichen Gestalt bekannt war, s. z. B. Petron. Sat. c. 97,
Apulej. Met. VI (ed. Bip. p
. 123).
Beſtreitung der Bedürfniſſe auf einfachem Wege. §. 56.
3. Erſtreckung des Erbrechts auf die Erben
des Eingeſetzten
.

Wenn der Eingeſetzte den Anfall der Erbſchaft nicht erlebt,
ſo iſt dieſelbe für ſeine Erben verloren. Nun kann es aber der
Wille des Teſtators ſein, dieſen Verluſt abzuwenden. Wie iſt
dies zu erreichen? Auf directem Wege ebenfalls nicht. Der
Teſtator kann allerdings dem Eingeſetzten andere Perſonen ſub-
ſtituiren, alſo auch deſſen jetzige nächſte Inteſtaterben, allein
die jetzigen ſind nicht immer auch die zukünftigen, eine Sub-
ſtitution der „zukünftigen Erben deſſelben“ aber als zur Zeit noch
ungewiſſer Perſonen (personae incertae) iſt unſtatthaft. Die
Antwort auf die obige Frage wird der Leſer ſich nunmehr ſelber
geben. Der Teſtator ſetzt wiederum die Sklaven der beabſichtigten
Perſon zu Erben ein; wenn letztere ſtirbt, ſo geht mit ihrer Erb-
ſchaft auch das Eigenthum der Sklaven und damit die ſeinige
auf diejenigen Perſonen über, die zu jener berufen ſind.

4. Verſprechen an unbeſtimmte Perſonen.

Nach römiſchem Recht iſt ein Verſprechen an eine unbeſtimmte
Perſon (z. B. der Reſtitution des Vermögens des arrogirten
Unmündigen an ſeine „demnächſtigen“ Erben, oder einer Prämie
an „den, der die Sache wiederbringt“) ebenſo wenig juriſtiſch
wirkſam, als die Erbeinſetzung unbeſtimmter Perſonen, gleich-
wohl bot aber das römiſche Leben zur Leiſtung derartiger Ver-
ſprechungen manche Veranlaſſung dar. 322) Das ſo eben er-
wähnte erſte Beiſpiel lehrt uns, wie man ſich hier half, ohne
einen der oberſten Grundſätze des Obligationenrechts Preis zu

iſt von mir bereits früher im erſten Heft der Jahrbücher für die Dog-
matik u. ſ. w. S. 49 Note (1856) und damit gleichzeitig von Köppen die
Erbſchaft, S. 93 Note 7 (1856) aufgeſtellt worden.
322) Außer dem Fall im Text namentlich bei der Auslobung, die auch in
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Apulej. Met. VI (ed. Bip. p
. 123).
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[237/0253] Beſtreitung der Bedürfniſſe auf einfachem Wege. §. 56. 3. Erſtreckung des Erbrechts auf die Erben des Eingeſetzten. Wenn der Eingeſetzte den Anfall der Erbſchaft nicht erlebt, ſo iſt dieſelbe für ſeine Erben verloren. Nun kann es aber der Wille des Teſtators ſein, dieſen Verluſt abzuwenden. Wie iſt dies zu erreichen? Auf directem Wege ebenfalls nicht. Der Teſtator kann allerdings dem Eingeſetzten andere Perſonen ſub- ſtituiren, alſo auch deſſen jetzige nächſte Inteſtaterben, allein die jetzigen ſind nicht immer auch die zukünftigen, eine Sub- ſtitution der „zukünftigen Erben deſſelben“ aber als zur Zeit noch ungewiſſer Perſonen (personae incertae) iſt unſtatthaft. Die Antwort auf die obige Frage wird der Leſer ſich nunmehr ſelber geben. Der Teſtator ſetzt wiederum die Sklaven der beabſichtigten Perſon zu Erben ein; wenn letztere ſtirbt, ſo geht mit ihrer Erb- ſchaft auch das Eigenthum der Sklaven und damit die ſeinige auf diejenigen Perſonen über, die zu jener berufen ſind. 4. Verſprechen an unbeſtimmte Perſonen. Nach römiſchem Recht iſt ein Verſprechen an eine unbeſtimmte Perſon (z. B. der Reſtitution des Vermögens des arrogirten Unmündigen an ſeine „demnächſtigen“ Erben, oder einer Prämie an „den, der die Sache wiederbringt“) ebenſo wenig juriſtiſch wirkſam, als die Erbeinſetzung unbeſtimmter Perſonen, gleich- wohl bot aber das römiſche Leben zur Leiſtung derartiger Ver- ſprechungen manche Veranlaſſung dar. 322) Das ſo eben er- wähnte erſte Beiſpiel lehrt uns, wie man ſich hier half, ohne einen der oberſten Grundſätze des Obligationenrechts Preis zu 321) 322) Außer dem Fall im Text namentlich bei der Auslobung, die auch in Rom in ihrer thatſächlichen Geſtalt bekannt war, ſ. z. B. Petron. Sat. c. 97, Apulej. Met. VI (ed. Bip. p. 123). 321) iſt von mir bereits früher im erſten Heft der Jahrbücher für die Dog- matik u. ſ. w. S. 49 Note (1856) und damit gleichzeitig von Köppen die Erbſchaft, S. 93 Note 7 (1856) aufgeſtellt worden.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/253>, abgerufen am 25.04.2024.