Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
Geschichte der besessenen U.


Es folgen nun hier diejenigen dämonisch-magnetischen
Geschichten, durch die wir sehr lebhaft an die Besitzungen
des neuen Testaments erinnert werden, sollte es auch unaus-
gemacht bleiben, ob sie streng genommen wirklich zu diesen
Besitzungen zu zählen sind.

Anna Maria U., lutherischer Confession, ist geboren den
letzten December 1799. in dem würtembergischen Dorfe J.
Außer einigen Unpäßlichkeiten in dem Kindbett (sie hatte
sich im 28. Jahre ihres Alters glücklich verheirathet) hatte
sie nie eine Krankheit, war nie mit Ausschlägen oder an-
dern Uebeln behaftet, von denen ihre nachherigen Leiden
hätten hergeschrieben werden können. In ihrer glücklichen
Ehe gebahr sie drey Kinder. Ihr früheres und späteres
Leben war immer tadellos, sie war fleißig in ihrem Haus-
stande, religiös ohne Frömmlerin zu seyn. Ohne eine be-
stimmt zu erhebende vorangegangene Ursache wurde sie im
August des Jahres 1830 mit furchtbaren convulsivischen
Anfällen behaftet, unter welchen ein magnetischer Zustand
in ihr einzutreten schien, in welchem ihre eigene Individua-
lität jedesmal wie erloschen war und nun andere Indivi-
duen, nach deren eigener Aussage verstorbene Menschen, mit
dämonischer Rede aus ihr sprachen, bis sie wieder aus
diesem Zustand erwachte, wo dann ihre eigene frühere Per-
sönlichkeit wieder in sie eintrat und sie von all dem, was
vorher in ihr vorgegangen und aus ihr gesprochen, nicht
die mindeste Ahnung hatte und auch darüber keine Aus-
kunft geben konnte.

Der Anfang war so, daß vier Monate lang, während
sie durch das schmerzhafteste Nagen in den Zähnen gequält

Geschichte der besessenen U.


Es folgen nun hier diejenigen dämoniſch-magnetiſchen
Geſchichten, durch die wir ſehr lebhaft an die Beſitzungen
des neuen Teſtaments erinnert werden, ſollte es auch unaus-
gemacht bleiben, ob ſie ſtreng genommen wirklich zu dieſen
Beſitzungen zu zählen ſind.

Anna Maria U., lutheriſcher Confeſſion, iſt geboren den
letzten December 1799. in dem würtembergiſchen Dorfe J.
Außer einigen Unpäßlichkeiten in dem Kindbett (ſie hatte
ſich im 28. Jahre ihres Alters glücklich verheirathet) hatte
ſie nie eine Krankheit, war nie mit Ausſchlägen oder an-
dern Uebeln behaftet, von denen ihre nachherigen Leiden
hätten hergeſchrieben werden können. In ihrer glücklichen
Ehe gebahr ſie drey Kinder. Ihr früheres und ſpäteres
Leben war immer tadellos, ſie war fleißig in ihrem Haus-
ſtande, religiös ohne Frömmlerin zu ſeyn. Ohne eine be-
ſtimmt zu erhebende vorangegangene Urſache wurde ſie im
Auguſt des Jahres 1830 mit furchtbaren convulſiviſchen
Anfällen behaftet, unter welchen ein magnetiſcher Zuſtand
in ihr einzutreten ſchien, in welchem ihre eigene Individua-
lität jedesmal wie erloſchen war und nun andere Indivi-
duen, nach deren eigener Ausſage verſtorbene Menſchen, mit
dämoniſcher Rede aus ihr ſprachen, bis ſie wieder aus
dieſem Zuſtand erwachte, wo dann ihre eigene frühere Per-
ſönlichkeit wieder in ſie eintrat und ſie von all dem, was
vorher in ihr vorgegangen und aus ihr geſprochen, nicht
die mindeſte Ahnung hatte und auch darüber keine Aus-
kunft geben konnte.

Der Anfang war ſo, daß vier Monate lang, während
ſie durch das ſchmerzhafteſte Nagen in den Zähnen gequält

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0087" n="73"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Geschichte der besessenen U.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Es folgen nun hier diejenigen dämoni&#x017F;ch-magneti&#x017F;chen<lb/>
Ge&#x017F;chichten, durch die wir &#x017F;ehr lebhaft an die Be&#x017F;itzungen<lb/>
des neuen Te&#x017F;taments erinnert werden, &#x017F;ollte es auch unaus-<lb/>
gemacht bleiben, ob &#x017F;ie &#x017F;treng genommen wirklich zu die&#x017F;en<lb/>
Be&#x017F;itzungen zu zählen &#x017F;ind.</p><lb/>
        <p>Anna Maria U., lutheri&#x017F;cher Confe&#x017F;&#x017F;ion, i&#x017F;t geboren den<lb/>
letzten December 1799. in dem würtembergi&#x017F;chen Dorfe J.<lb/>
Außer einigen Unpäßlichkeiten in dem Kindbett (&#x017F;ie hatte<lb/>
&#x017F;ich im 28. Jahre ihres Alters glücklich verheirathet) hatte<lb/>
&#x017F;ie nie eine Krankheit, war nie mit Aus&#x017F;chlägen oder an-<lb/>
dern Uebeln behaftet, von denen ihre nachherigen Leiden<lb/>
hätten herge&#x017F;chrieben werden können. In ihrer glücklichen<lb/>
Ehe gebahr &#x017F;ie drey Kinder. Ihr früheres und &#x017F;päteres<lb/>
Leben war immer tadellos, &#x017F;ie war fleißig in ihrem Haus-<lb/>
&#x017F;tande, religiös ohne Frömmlerin zu &#x017F;eyn. Ohne eine be-<lb/>
&#x017F;timmt zu erhebende vorangegangene Ur&#x017F;ache wurde &#x017F;ie im<lb/>
Augu&#x017F;t des Jahres 1830 mit furchtbaren convul&#x017F;ivi&#x017F;chen<lb/>
Anfällen behaftet, unter welchen ein magneti&#x017F;cher Zu&#x017F;tand<lb/>
in ihr einzutreten &#x017F;chien, in welchem ihre eigene Individua-<lb/>
lität jedesmal wie erlo&#x017F;chen war und nun andere Indivi-<lb/>
duen, nach deren eigener Aus&#x017F;age ver&#x017F;torbene Men&#x017F;chen, mit<lb/>
dämoni&#x017F;cher Rede aus ihr &#x017F;prachen, bis &#x017F;ie wieder aus<lb/>
die&#x017F;em Zu&#x017F;tand erwachte, wo dann ihre eigene frühere Per-<lb/>
&#x017F;önlichkeit wieder in &#x017F;ie eintrat <choice><sic>uud</sic><corr>und</corr></choice> &#x017F;ie von all dem, was<lb/>
vorher in ihr vorgegangen und aus ihr ge&#x017F;prochen, nicht<lb/>
die minde&#x017F;te Ahnung hatte und auch darüber keine Aus-<lb/>
kunft geben konnte.</p><lb/>
        <p>Der Anfang war &#x017F;o, daß vier Monate lang, während<lb/>
&#x017F;ie durch das &#x017F;chmerzhafte&#x017F;te Nagen in den Zähnen gequält<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0087] Geschichte der besessenen U. Es folgen nun hier diejenigen dämoniſch-magnetiſchen Geſchichten, durch die wir ſehr lebhaft an die Beſitzungen des neuen Teſtaments erinnert werden, ſollte es auch unaus- gemacht bleiben, ob ſie ſtreng genommen wirklich zu dieſen Beſitzungen zu zählen ſind. Anna Maria U., lutheriſcher Confeſſion, iſt geboren den letzten December 1799. in dem würtembergiſchen Dorfe J. Außer einigen Unpäßlichkeiten in dem Kindbett (ſie hatte ſich im 28. Jahre ihres Alters glücklich verheirathet) hatte ſie nie eine Krankheit, war nie mit Ausſchlägen oder an- dern Uebeln behaftet, von denen ihre nachherigen Leiden hätten hergeſchrieben werden können. In ihrer glücklichen Ehe gebahr ſie drey Kinder. Ihr früheres und ſpäteres Leben war immer tadellos, ſie war fleißig in ihrem Haus- ſtande, religiös ohne Frömmlerin zu ſeyn. Ohne eine be- ſtimmt zu erhebende vorangegangene Urſache wurde ſie im Auguſt des Jahres 1830 mit furchtbaren convulſiviſchen Anfällen behaftet, unter welchen ein magnetiſcher Zuſtand in ihr einzutreten ſchien, in welchem ihre eigene Individua- lität jedesmal wie erloſchen war und nun andere Indivi- duen, nach deren eigener Ausſage verſtorbene Menſchen, mit dämoniſcher Rede aus ihr ſprachen, bis ſie wieder aus dieſem Zuſtand erwachte, wo dann ihre eigene frühere Per- ſönlichkeit wieder in ſie eintrat und ſie von all dem, was vorher in ihr vorgegangen und aus ihr geſprochen, nicht die mindeſte Ahnung hatte und auch darüber keine Aus- kunft geben konnte. Der Anfang war ſo, daß vier Monate lang, während ſie durch das ſchmerzhafteſte Nagen in den Zähnen gequält

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/87
Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/87>, abgerufen am 29.03.2024.