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Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

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pkl_040.001

Beispiele:

pkl_040.002

1)

Das Lied, das aus der Kehle dringt, pkl_040.003
Jst Lohn, der reichlich lohnet.
pkl_040.004
Göthe.

pkl_040.005

2)

Wenn ich still die Augen lenke pkl_040.006
Auf die abendliche Stille, pkl_040.007
Und nur denke, daß ich denke, pkl_040.008
Will nicht ruhen mir der Wille, pkl_040.009
Bis ich sie in Ruhe senke.
pkl_040.010
Tieck.

pkl_040.011

§. 60. Bezieht sich der Gleichklang

pkl_040.012

C. auf ganze Silben, (mit Ausnahme der dem pkl_040.013
Hauptvokal vorhergehenden Laute,) d. h. sind nicht pkl_040.014
nur die Vokale, sondern auch die darauf folgenden pkl_040.015
Consonanten betonter Silben (und sämmtliche Laute pkl_040.016
der in denselben Wörtern etwa vorkommenden Nachsilben) pkl_040.017
von gleichem Klange, so bildet er den eigentlichen pkl_040.018
Reim.
*) Daß der Reim unserer Sprache pkl_040.019
natürlich und angemessen sei, läßt sich ebenfalls schon pkl_040.020
aus dem häufigen Gebrauch desselben in der Sprache pkl_040.021
des gewöhnlichen Lebens folgern. Z. B. Heute mir, pkl_040.022
morgen dir! Heute roth, morgen todt! Schlecht und pkl_040.023
recht! Schritt und Tritt! Gehen und stehen! Wie gewonnen, pkl_040.024
so zerronnen! Borgen macht Sorgen! Eile pkl_040.025
mit Weile! Mitgegangen, mitgehangen! Jn Saus und pkl_040.026
Braus! Ehstand, Wehstand! Aufgeschoben, ist nicht pkl_040.027
aufgehoben! Gut und Blut! u. s. w.

pkl_040.028

Anmerkung. Jn der rohen Volkssprache ist sofgar die pkl_040.029
Neigung zum Reim o stark, daß sie oft ein Wort willkührlich pkl_040.030
ändert, um es mit einem andern reimend zu machen, z. B. pkl_040.031
wie der Herre, so's Gescherre (Geschirr); wie die Alten sungen, pkl_040.032
so pfiffen die Jungen; Gunst ist nicht umsunst; u. s. w.

*) pkl_040.033
Anmerkung. Von diesem ist in den folgenden Paragraphen pkl_040.034
des Abschnittes ausschließlich die Rede.
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Beispiele:

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1)

Das Lied, das aus der Kehle dringt, pkl_040.003
Jst Lohn, der reichlich lohnet.
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Göthe.

pkl_040.005

2)

Wenn ich still die Augen lenke pkl_040.006
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Und nur denke, daß ich denke, pkl_040.008
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Bis ich sie in Ruhe senke.
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Tieck.

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§. 60. Bezieht sich der Gleichklang

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Anmerkung. Jn der rohen Volkssprache ist sofgar die pkl_040.029
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ändert, um es mit einem andern reimend zu machen, z. B. pkl_040.031
wie der Herre, so's Gescherre (Geschirr); wie die Alten sungen, pkl_040.032
so pfiffen die Jungen; Gunst ist nicht umsunst; u. s. w.

*) pkl_040.033
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Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/66>, abgerufen am 19.04.2024.