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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

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stimmung, den moralischen Gang der Welt,
dessen Widersprüche er nicht ausgleichen
konnte. Die ihm täglich aufstoßenden Be-
gebenheiten reizten seine Galle, legten den
Keim zu noch peinlichern Zweifeln, zu Men-
schenhaß und Menschenverachtung an sein
Herz, die gleich dem Polypen nur langsam
wachsen, und dann nur tödten, wenn sie
das Herz so umsponnen haben, daß ihm der
Raum sich auszudehnen fehlt. Sie zogen
im Lande weit und breit herum, hatten der
Abentheuer viel, und Faust ließ sich noch
nicht von seinen finstern Betrachtungen im
Genuß des Lebens stöhren. Ueberall fan-
den sie Merkmahle der Klaue des feigen Ty-
rannen, und Faust nuzte oft die Schätze
des Teufels, die blutigen Wunden zu
stillen.

2.

So kamen sie von Abentheuer zu Aben-
theuer nach Paris. Bey ihrem Eintritt
war die ganze Stadt in Bewegung. Das

Volk

ſtimmung, den moraliſchen Gang der Welt,
deſſen Widerſpruͤche er nicht ausgleichen
konnte. Die ihm taͤglich aufſtoßenden Be-
gebenheiten reizten ſeine Galle, legten den
Keim zu noch peinlichern Zweifeln, zu Men-
ſchenhaß und Menſchenverachtung an ſein
Herz, die gleich dem Polypen nur langſam
wachſen, und dann nur toͤdten, wenn ſie
das Herz ſo umſponnen haben, daß ihm der
Raum ſich auszudehnen fehlt. Sie zogen
im Lande weit und breit herum, hatten der
Abentheuer viel, und Fauſt ließ ſich noch
nicht von ſeinen finſtern Betrachtungen im
Genuß des Lebens ſtoͤhren. Ueberall fan-
den ſie Merkmahle der Klaue des feigen Ty-
rannen, und Fauſt nuzte oft die Schaͤtze
des Teufels, die blutigen Wunden zu
ſtillen.

2.

So kamen ſie von Abentheuer zu Aben-
theuer nach Paris. Bey ihrem Eintritt
war die ganze Stadt in Bewegung. Das

Volk
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[251/0262] ſtimmung, den moraliſchen Gang der Welt, deſſen Widerſpruͤche er nicht ausgleichen konnte. Die ihm taͤglich aufſtoßenden Be- gebenheiten reizten ſeine Galle, legten den Keim zu noch peinlichern Zweifeln, zu Men- ſchenhaß und Menſchenverachtung an ſein Herz, die gleich dem Polypen nur langſam wachſen, und dann nur toͤdten, wenn ſie das Herz ſo umſponnen haben, daß ihm der Raum ſich auszudehnen fehlt. Sie zogen im Lande weit und breit herum, hatten der Abentheuer viel, und Fauſt ließ ſich noch nicht von ſeinen finſtern Betrachtungen im Genuß des Lebens ſtoͤhren. Ueberall fan- den ſie Merkmahle der Klaue des feigen Ty- rannen, und Fauſt nuzte oft die Schaͤtze des Teufels, die blutigen Wunden zu ſtillen. 2. So kamen ſie von Abentheuer zu Aben- theuer nach Paris. Bey ihrem Eintritt war die ganze Stadt in Bewegung. Das Volk

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Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/262>, abgerufen am 29.03.2024.