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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Anderes Buch.
alles Volck aufs Angesicht zur Erden/ und schrien:
GOtt gebe euch lange Jahre Glück/ eure Feinde
zu überwinden/ damit ihr derselben Häupter un-
ter eure Füsse treten möget.

Wie schmertzlich mir diese Worte der schmei-
chelnden Pfaffen und des unbeständigen Volckes
durch das Hertze giengen/ solches kan sich ein ie-
der treuer Diener/ welcher begierig ist vor seinen
Herrn zu sterben/ leichtlich vorstellen. Ja hier
sahe man ein rechtes Beyspiel des wanckenden
Pöbels/ wie wenig sich auf dero beständige Treue
zu verlassen sey. Den/ welchem sie zuvor als ih-
rem rechtmäßigem Käyser fast Göttliche Ehre er-
wiesen hatten/ verfluchten sie anietzo/ einen Tyran-
nen zu Liebe/ welcher doch so wohl ein Unterthan/
als sie alle war. Sie gaben dieses als Sünde
und Verbrechen an/ daß sie ihrem Käyser/ Eyd
und Pflichten gemäß/ gehorsam und getreu gewe-
sen/ und errötheten nicht/ vor des Bluthundes
Ohren öffentlich zu ruffen: Verflucht sey Xemin-
do/ welcher uns zu solchem Ungehorsam verleitet.
Jhre Wangen färbeten sich nicht einmal über
diese lasterhaffte Liebkosung/ weil die Schandfle-
cke alle zusammen traffen/ und keinem eine abson-
derliche Röthe anstrichen: Hergegen weil die Be-
schimpffung unzertheilet allein auff eine Person
angesehen war/ so wurde auch das innerste Marck
der Seelen viel durch dringlicher angegriffen. Ja
so Ehre als Schamhafftigkeit schiene aus ihrem
Hertzen verbannet zu seyn; Und sahe man hier

den

Anderes Buch.
alles Volck aufs Angeſicht zur Erden/ und ſchrien:
GOtt gebe euch lange Jahre Gluͤck/ eure Feinde
zu uͤberwinden/ damit ihr derſelben Haͤupter un-
ter eure Fuͤſſe treten moͤget.

Wie ſchmertzlich mir dieſe Worte der ſchmei-
chelnden Pfaffen und des unbeſtaͤndigen Volckes
durch das Hertze giengen/ ſolches kan ſich ein ie-
der treuer Diener/ welcher begierig iſt vor ſeinen
Herrn zu ſterben/ leichtlich vorſtellen. Ja hier
ſahe man ein rechtes Beyſpiel des wanckenden
Poͤbels/ wie wenig ſich auf dero beſtaͤndige Treue
zu verlaſſen ſey. Den/ welchem ſie zuvor als ih-
rem rechtmaͤßigem Kaͤyſer faſt Goͤttliche Ehre er-
wieſen hatten/ veꝛfluchten ſie anietzo/ einen Tyran-
nen zu Liebe/ welcher doch ſo wohl ein Unterthan/
als ſie alle war. Sie gaben dieſes als Suͤnde
und Verbrechen an/ daß ſie ihrem Kaͤyſer/ Eyd
und Pflichten gemaͤß/ gehorſam und getreu gewe-
ſen/ und erroͤtheten nicht/ vor des Bluthundes
Ohren oͤffentlich zu ruffen: Verflucht ſey Xemin-
do/ welcher uns zu ſolchem Ungehorſam verleitet.
Jhre Wangen faͤrbeten ſich nicht einmal uͤber
dieſe laſterhaffte Liebkoſung/ weil die Schandfle-
cke alle zuſammen traffen/ und keinem eine abſon-
derliche Roͤthe anſtrichen: Hergegen weil die Be-
ſchimpffung unzertheilet allein auff eine Perſon
angeſehen war/ ſo wurde auch das innerſte Marck
der Seelen viel durch dringlicher angegriffen. Ja
ſo Ehre als Schamhafftigkeit ſchiene aus ihrem
Hertzen verbannet zu ſeyn; Und ſahe man hier

den
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[315/0335] Anderes Buch. alles Volck aufs Angeſicht zur Erden/ und ſchrien: GOtt gebe euch lange Jahre Gluͤck/ eure Feinde zu uͤberwinden/ damit ihr derſelben Haͤupter un- ter eure Fuͤſſe treten moͤget. Wie ſchmertzlich mir dieſe Worte der ſchmei- chelnden Pfaffen und des unbeſtaͤndigen Volckes durch das Hertze giengen/ ſolches kan ſich ein ie- der treuer Diener/ welcher begierig iſt vor ſeinen Herrn zu ſterben/ leichtlich vorſtellen. Ja hier ſahe man ein rechtes Beyſpiel des wanckenden Poͤbels/ wie wenig ſich auf dero beſtaͤndige Treue zu verlaſſen ſey. Den/ welchem ſie zuvor als ih- rem rechtmaͤßigem Kaͤyſer faſt Goͤttliche Ehre er- wieſen hatten/ veꝛfluchten ſie anietzo/ einen Tyran- nen zu Liebe/ welcher doch ſo wohl ein Unterthan/ als ſie alle war. Sie gaben dieſes als Suͤnde und Verbrechen an/ daß ſie ihrem Kaͤyſer/ Eyd und Pflichten gemaͤß/ gehorſam und getreu gewe- ſen/ und erroͤtheten nicht/ vor des Bluthundes Ohren oͤffentlich zu ruffen: Verflucht ſey Xemin- do/ welcher uns zu ſolchem Ungehorſam verleitet. Jhre Wangen faͤrbeten ſich nicht einmal uͤber dieſe laſterhaffte Liebkoſung/ weil die Schandfle- cke alle zuſammen traffen/ und keinem eine abſon- derliche Roͤthe anſtrichen: Hergegen weil die Be- ſchimpffung unzertheilet allein auff eine Perſon angeſehen war/ ſo wurde auch das innerſte Marck der Seelen viel durch dringlicher angegriffen. Ja ſo Ehre als Schamhafftigkeit ſchiene aus ihrem Hertzen verbannet zu ſeyn; Und ſahe man hier den

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/335>, abgerufen am 20.04.2024.