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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

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des griechischen Sylbenmasses im Deutschen.

Weil ich mich über das, was ich bisher von dem alten
und neuen Hexameter gesagt habe, nicht gern in Exempel aus-
breiten mögte; so will ich nur eins anführen, die Kenner der
Alten an den poetischen Perioden zu erinnern. Da zu we-
nige sind, die Homers Sprache bis auf ihr Sylbenmaß ken-
nen, soll Virgil seine Stelle vertreten. Er sagt vom
Salmoneus:

Quattuor hic invectus equis, & lampada quassans
Per Grajaum populos mediaeque per Elidis urbem
Ibat ovans, divaumque sibi poscebat honorem:
Demens! qui nimbos & non imitabile fulmen
Aer' & cornipedum cursu simularat equorum!
At pater omnipotens dens' inter nubila telum
Contorsit, (non Ille faces nec fumea taedis
Lumina!) praecipitemqu' immani turbin' adegit!

Da wir uns diesem feurigen Klange, dieser Fülle der
Harmonie, durch Nachahmung nähern können; so begreife
ich nicht, warum wir es, besonders in grössern Gedichten,
die auch in ieder Nebenausbildung Anstand und Männlich-
keit erfordern, nicht thun sollen. Unsre eingeführten langen
Jamben, haben, ausser der beständigen Einförmigkeit, den
nicht weniger wesentlichen Fehler, daß sie aus zween kleinen
Versen bestehn, und daß ein gewisser Abschnitt dieses zu sel-
ten hindern kann. Dazu scheint ihnen ohne den Reim et-
was wesentliches zu fehlen. Der zehnsylbigte Vers hat viel
Vorzüge vor dem zwölfsylbigten. Er ist an sich selbst klin-
gender, und über dieß kann man seinen Abschnitt verändern.
Es ist der Vers der Engländer, der Jtaliener, und auch
einiger Franzosen. Selbst Milton und Glover haben ihn
gebraucht. Er scheint aber gleichwohl für die Epopee zu
kurz, und dieß doch nicht so sehr in der englischen, als in

der
des griechiſchen Sylbenmaſſes im Deutſchen.

Weil ich mich uͤber das, was ich bisher von dem alten
und neuen Hexameter geſagt habe, nicht gern in Exempel aus-
breiten moͤgte; ſo will ich nur eins anfuͤhren, die Kenner der
Alten an den poetiſchen Perioden zu erinnern. Da zu we-
nige ſind, die Homers Sprache bis auf ihr Sylbenmaß ken-
nen, ſoll Virgil ſeine Stelle vertreten. Er ſagt vom
Salmoneus:

Quattuor hic invectus equis, & lampada quaſſans
Per Grajûm populos mediæque per Elidis urbem
Ibat ovans, divûmque ſibi poſcebat honorem:
Demens! qui nimbos & non imitabile fulmen
Aer’ & cornipedum curſu ſimularat equorum!
At pater omnipotens denſ’ inter nubila telum
Contorſit, (non Ille faces nec fumea tædis
Lumina!) præcipitemqu’ immani turbin’ adegit!

Da wir uns dieſem feurigen Klange, dieſer Fuͤlle der
Harmonie, durch Nachahmung naͤhern koͤnnen; ſo begreife
ich nicht, warum wir es, beſonders in groͤſſern Gedichten,
die auch in ieder Nebenausbildung Anſtand und Maͤnnlich-
keit erfordern, nicht thun ſollen. Unſre eingefuͤhrten langen
Jamben, haben, auſſer der beſtaͤndigen Einfoͤrmigkeit, den
nicht weniger weſentlichen Fehler, daß ſie aus zween kleinen
Verſen beſtehn, und daß ein gewiſſer Abſchnitt dieſes zu ſel-
ten hindern kann. Dazu ſcheint ihnen ohne den Reim et-
was weſentliches zu fehlen. Der zehnſylbigte Vers hat viel
Vorzuͤge vor dem zwoͤlfſylbigten. Er iſt an ſich ſelbſt klin-
gender, und uͤber dieß kann man ſeinen Abſchnitt veraͤndern.
Es iſt der Vers der Englaͤnder, der Jtaliener, und auch
einiger Franzoſen. Selbſt Milton und Glover haben ihn
gebraucht. Er ſcheint aber gleichwohl fuͤr die Epopee zu
kurz, und dieß doch nicht ſo ſehr in der engliſchen, als in

der
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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/11>, abgerufen am 20.04.2024.