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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Elfter Gesang.
Und mit Lächeln und milderem Glanz antwortete Joseph:
Blume, die nun in dem Schatten der Lebensbäume wird wachsen,
Und am Schall des krystallenen Stroms, der herunter vom Thron fleußt,
Wer ich bin? Jch war im Leben, dem du entflohn bist,
Erst ein glücklicher Knabe, dann durch Verfolgungen elend,
Sehr glückselig darauf! Denn vieler Völker Vater
Ward ich, und meines Vaters! Erkennst du nun, Frühentflohner,
Rahels und Jsraels Sohn? Und Samed sprach zu dem Engel:
O du Unsterblicher! Jsraels Sohn und Rahels, von dem mir,
Ach von Joseph! mein Vater die wunderbare Geschichte
Oft vor Freude weinend erzählte. Noch milder, o Joseph,
Glänze noch milder, so wag' ich mit dir, o Joseph, zu reden.
Dich zu sehn, das allein verdiente die Leiden des Todes;
Jhn erduldet' ich gern um deinetwillen noch einmal,
Ja noch einmal den Kampf des vollen Lebens im Aufblühn,
Und der innigen Liebe zu diesem blühenden Leben,
Mit dem Tode, mit dieser Empfindung, als ob wir vergiengen,
Diesem Traume von ewiger Nacht, dem Schrecken der Schrecken!
Kaum erst bin ich entronnen! Mein Engel sagte mirs, mußte
Oft mirs sagen: ich lebte! So hatte der Schein der Vernichtung
Meine Seele geschreckt! ... Frühglückliche Seele, du mußtest
Auch von den Leiden des Lebens ein wenig dulden. Wie lohnt dichs
Jetzo, daß du so bald ein Genoß der Erben des Heils wardst,
Derer auch, die höher, als ich, auf der Seligkeit Stufe
Stehn. ... O Jsraels Sohn, kaum halt ich, Joseph, dein Glänzen,
Das du mildertest, aus! ... Du wirst schnell lernen, o Samed,
Wirst bald Abraham sehn. Entlastet vom Leibe der Erde
Lernen
B 2
Elfter Geſang.
Und mit Laͤcheln und milderem Glanz antwortete Joſeph:
Blume, die nun in dem Schatten der Lebensbaͤume wird wachſen,
Und am Schall des kryſtallenen Stroms, der herunter vom Thron fleußt,
Wer ich bin? Jch war im Leben, dem du entflohn biſt,
Erſt ein gluͤcklicher Knabe, dann durch Verfolgungen elend,
Sehr gluͤckſelig darauf! Denn vieler Voͤlker Vater
Ward ich, und meines Vaters! Erkennſt du nun, Fruͤhentflohner,
Rahels und Jſraels Sohn? Und Samed ſprach zu dem Engel:
O du Unſterblicher! Jſraels Sohn und Rahels, von dem mir,
Ach von Joſeph! mein Vater die wunderbare Geſchichte
Oft vor Freude weinend erzaͤhlte. Noch milder, o Joſeph,
Glaͤnze noch milder, ſo wag’ ich mit dir, o Joſeph, zu reden.
Dich zu ſehn, das allein verdiente die Leiden des Todes;
Jhn erduldet’ ich gern um deinetwillen noch einmal,
Ja noch einmal den Kampf des vollen Lebens im Aufbluͤhn,
Und der innigen Liebe zu dieſem bluͤhenden Leben,
Mit dem Tode, mit dieſer Empfindung, als ob wir vergiengen,
Dieſem Traume von ewiger Nacht, dem Schrecken der Schrecken!
Kaum erſt bin ich entronnen! Mein Engel ſagte mirs, mußte
Oft mirs ſagen: ich lebte! So hatte der Schein der Vernichtung
Meine Seele geſchreckt! … Fruͤhgluͤckliche Seele, du mußteſt
Auch von den Leiden des Lebens ein wenig dulden. Wie lohnt dichs
Jetzo, daß du ſo bald ein Genoß der Erben des Heils wardſt,
Derer auch, die hoͤher, als ich, auf der Seligkeit Stufe
Stehn. … O Jſraels Sohn, kaum halt ich, Joſeph, dein Glaͤnzen,
Das du milderteſt, aus! … Du wirſt ſchnell lernen, o Samed,
Wirſt bald Abraham ſehn. Entlaſtet vom Leibe der Erde
Lernen
B 2
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[19/0035] Elfter Geſang. Und mit Laͤcheln und milderem Glanz antwortete Joſeph: Blume, die nun in dem Schatten der Lebensbaͤume wird wachſen, Und am Schall des kryſtallenen Stroms, der herunter vom Thron fleußt, Wer ich bin? Jch war im Leben, dem du entflohn biſt, Erſt ein gluͤcklicher Knabe, dann durch Verfolgungen elend, Sehr gluͤckſelig darauf! Denn vieler Voͤlker Vater Ward ich, und meines Vaters! Erkennſt du nun, Fruͤhentflohner, Rahels und Jſraels Sohn? Und Samed ſprach zu dem Engel: O du Unſterblicher! Jſraels Sohn und Rahels, von dem mir, Ach von Joſeph! mein Vater die wunderbare Geſchichte Oft vor Freude weinend erzaͤhlte. Noch milder, o Joſeph, Glaͤnze noch milder, ſo wag’ ich mit dir, o Joſeph, zu reden. Dich zu ſehn, das allein verdiente die Leiden des Todes; Jhn erduldet’ ich gern um deinetwillen noch einmal, Ja noch einmal den Kampf des vollen Lebens im Aufbluͤhn, Und der innigen Liebe zu dieſem bluͤhenden Leben, Mit dem Tode, mit dieſer Empfindung, als ob wir vergiengen, Dieſem Traume von ewiger Nacht, dem Schrecken der Schrecken! Kaum erſt bin ich entronnen! Mein Engel ſagte mirs, mußte Oft mirs ſagen: ich lebte! So hatte der Schein der Vernichtung Meine Seele geſchreckt! … Fruͤhgluͤckliche Seele, du mußteſt Auch von den Leiden des Lebens ein wenig dulden. Wie lohnt dichs Jetzo, daß du ſo bald ein Genoß der Erben des Heils wardſt, Derer auch, die hoͤher, als ich, auf der Seligkeit Stufe Stehn. … O Jſraels Sohn, kaum halt ich, Joſeph, dein Glaͤnzen, Das du milderteſt, aus! … Du wirſt ſchnell lernen, o Samed, Wirſt bald Abraham ſehn. Entlaſtet vom Leibe der Erde Lernen B 2

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/35>, abgerufen am 28.03.2024.