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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

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billige Vorwürfe. Ist es daher irgend möglich,
kleinere Unannehmlichkeiten (mit Haupt-Un¬
glücksfällen lässt sich das selten thun) vor Dei¬
ner Ehefrau zu verbergen; so verschliesse lie¬
ber den Kummer in Deinem Herzen! Es kann
ja ohnehin ein gut geartetes Gemüth nicht er¬
leichtern, wenn es Andre, die es liebt, mit sich
leiden macht; und wenn nun gar die Last da¬
durch nicht erleichtert, sondern vielmehr er¬
schwert wird; wer wollte dann nicht lieber
schweigen, und seinen Rücken dem Sturme
allein preisgeben? Schickt die Vorsehung Dir
aber einen großen, nicht zu verschweigenden
Unfall, Noth, Schmerz, Krankheit zu; ver¬
folgen Dich wiedrige Geschicke, oder böse Men¬
schen; o! dann rufe Deine ganze Standhaf¬
tigkeit auf! Fasse Deinen Muth zusammen,
und versüße der Gefährtinn Deines Lebens
die Bitterkeit des Kelchs, den sie mit Dir aus¬
trinken muß! Wache über Deine Launen, da¬
mit nicht der unschuldige durch Dich leiden
müsse! Verschliesse Dich in Dein Cämmerlein,
wenn das Herz zu schwer wird! Dort erleich¬
tere Dich durch Thränen oder Gebeth! Stärke
und stähle Dein Herz durch Philosophie, durch

Zu¬

billige Vorwuͤrfe. Iſt es daher irgend moͤglich,
kleinere Unannehmlichkeiten (mit Haupt-Un¬
gluͤcksfaͤllen laͤſſt ſich das ſelten thun) vor Dei¬
ner Ehefrau zu verbergen; ſo verſchlieſſe lie¬
ber den Kummer in Deinem Herzen! Es kann
ja ohnehin ein gut geartetes Gemuͤth nicht er¬
leichtern, wenn es Andre, die es liebt, mit ſich
leiden macht; und wenn nun gar die Laſt da¬
durch nicht erleichtert, ſondern vielmehr er¬
ſchwert wird; wer wollte dann nicht lieber
ſchweigen, und ſeinen Ruͤcken dem Sturme
allein preisgeben? Schickt die Vorſehung Dir
aber einen großen, nicht zu verſchweigenden
Unfall, Noth, Schmerz, Krankheit zu; ver¬
folgen Dich wiedrige Geſchicke, oder boͤſe Men¬
ſchen; o! dann rufe Deine ganze Standhaf¬
tigkeit auf! Faſſe Deinen Muth zuſammen,
und verſuͤße der Gefaͤhrtinn Deines Lebens
die Bitterkeit des Kelchs, den ſie mit Dir aus¬
trinken muß! Wache uͤber Deine Launen, da¬
mit nicht der unſchuldige durch Dich leiden
muͤſſe! Verſchlieſſe Dich in Dein Caͤmmerlein,
wenn das Herz zu ſchwer wird! Dort erleich¬
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[150/0180] billige Vorwuͤrfe. Iſt es daher irgend moͤglich, kleinere Unannehmlichkeiten (mit Haupt-Un¬ gluͤcksfaͤllen laͤſſt ſich das ſelten thun) vor Dei¬ ner Ehefrau zu verbergen; ſo verſchlieſſe lie¬ ber den Kummer in Deinem Herzen! Es kann ja ohnehin ein gut geartetes Gemuͤth nicht er¬ leichtern, wenn es Andre, die es liebt, mit ſich leiden macht; und wenn nun gar die Laſt da¬ durch nicht erleichtert, ſondern vielmehr er¬ ſchwert wird; wer wollte dann nicht lieber ſchweigen, und ſeinen Ruͤcken dem Sturme allein preisgeben? Schickt die Vorſehung Dir aber einen großen, nicht zu verſchweigenden Unfall, Noth, Schmerz, Krankheit zu; ver¬ folgen Dich wiedrige Geſchicke, oder boͤſe Men¬ ſchen; o! dann rufe Deine ganze Standhaf¬ tigkeit auf! Faſſe Deinen Muth zuſammen, und verſuͤße der Gefaͤhrtinn Deines Lebens die Bitterkeit des Kelchs, den ſie mit Dir aus¬ trinken muß! Wache uͤber Deine Launen, da¬ mit nicht der unſchuldige durch Dich leiden muͤſſe! Verſchlieſſe Dich in Dein Caͤmmerlein, wenn das Herz zu ſchwer wird! Dort erleich¬ tere Dich durch Thraͤnen oder Gebeth! Staͤrke und ſtaͤhle Dein Herz durch Philoſophie, durch Zu¬

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/180>, abgerufen am 28.03.2024.