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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Siebenundzwanzigste Vorlesung.

Eigene Unter-
suchungen über
die Entwicklung
des Markes.
Meine Herren! Zu meinen eigenen Beobachtungen über das
Rückenmark übergehend, theile ich Ihnen nun zuerst mit, dass meine
Erfahrungen beim Hühnchen, die bis zum zehnten Tage eine zusam-
menhängende Reihe bilden, im Wesentlichen mit denen von Bidder u.
Mark des
Hühnchens.
Kupfer stimmen. Wie Sie früher schon hörten, besteht das Medullar-
rohr unmittelbar nach seiner Schliessung am zweiten und dritten
Tage überall aus gleichartigen länglichen Zellen, deren längere Durch-
messer radiär gestellt sind. Am vierten Tage beginnt eine Trennung
dieser Zellen in zwei Lagen, dadurch, dass die äusseren der Ober-
fläche concentrisch sich ordnen und in Fasern sich verlängern, wäh-
rend die inneren ihre ursprüngliche Lage beibehalten und nun als
Epithel des Centralkanales erscheinen. Zugleich tritt auch die vor-
dere Commissur und bald darauf auch die vorderen und hinteren
Stränge auf. Am Ende des vierten und am Anfange des fünften Ta-
ges zeigt dann das Mark folgende Beschaffenheit. Die Gestalt des
Querschnittes ist ziemlich eiförmig, vorn breiter, hinten schmäler.
Der Centralkanal, am Halse rautenförmig, am Rücken mehr spalten-
förmig, hat eine überall, namentlich aber hinten sehr dicke Ausklei-
dung radiär gestellter Zellen, welche an der hinteren Mittellinie die
Oberfläche erreicht, während sie vorn noch von der schmalen Quer-
brücke der vorderen Commissur bedeckt ist. Die concentrisch fase-
rige Rindenschicht bildet somit nur zwei seitliche Zonen, von denen
ausserdem noch zu bemerken ist, dass sie hinten sehr schmal sind
und nur vorn und seitlich eine etwas grössere Mächtigkeit haben.
Hier ist auch die Faserung dieser Lage, die, wie ich entgegen Remak
annehmen muss, die Anlage der grauen Substanz ist, am deutlich-
sten und geht die Richtung derselben theils gegen die vordere Com-

Siebenundzwanzigste Vorlesung.

Eigene Unter-
suchungen über
die Entwicklung
des Markes.
Meine Herren! Zu meinen eigenen Beobachtungen über das
Rückenmark übergehend, theile ich Ihnen nun zuerst mit, dass meine
Erfahrungen beim Hühnchen, die bis zum zehnten Tage eine zusam-
menhängende Reihe bilden, im Wesentlichen mit denen von Bidder u.
Mark des
Hühnchens.
Kupfer stimmen. Wie Sie früher schon hörten, besteht das Medullar-
rohr unmittelbar nach seiner Schliessung am zweiten und dritten
Tage überall aus gleichartigen länglichen Zellen, deren längere Durch-
messer radiär gestellt sind. Am vierten Tage beginnt eine Trennung
dieser Zellen in zwei Lagen, dadurch, dass die äusseren der Ober-
fläche concentrisch sich ordnen und in Fasern sich verlängern, wäh-
rend die inneren ihre ursprüngliche Lage beibehalten und nun als
Epithel des Centralkanales erscheinen. Zugleich tritt auch die vor-
dere Commissur und bald darauf auch die vorderen und hinteren
Stränge auf. Am Ende des vierten und am Anfange des fünften Ta-
ges zeigt dann das Mark folgende Beschaffenheit. Die Gestalt des
Querschnittes ist ziemlich eiförmig, vorn breiter, hinten schmäler.
Der Centralkanal, am Halse rautenförmig, am Rücken mehr spalten-
förmig, hat eine überall, namentlich aber hinten sehr dicke Ausklei-
dung radiär gestellter Zellen, welche an der hinteren Mittellinie die
Oberfläche erreicht, während sie vorn noch von der schmalen Quer-
brücke der vorderen Commissur bedeckt ist. Die concentrisch fase-
rige Rindenschicht bildet somit nur zwei seitliche Zonen, von denen
ausserdem noch zu bemerken ist, dass sie hinten sehr schmal sind
und nur vorn und seitlich eine etwas grössere Mächtigkeit haben.
Hier ist auch die Faserung dieser Lage, die, wie ich entgegen Remak
annehmen muss, die Anlage der grauen Substanz ist, am deutlich-
sten und geht die Richtung derselben theils gegen die vordere Com-

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[[256]/0272] Siebenundzwanzigste Vorlesung. Meine Herren! Zu meinen eigenen Beobachtungen über das Rückenmark übergehend, theile ich Ihnen nun zuerst mit, dass meine Erfahrungen beim Hühnchen, die bis zum zehnten Tage eine zusam- menhängende Reihe bilden, im Wesentlichen mit denen von Bidder u. Kupfer stimmen. Wie Sie früher schon hörten, besteht das Medullar- rohr unmittelbar nach seiner Schliessung am zweiten und dritten Tage überall aus gleichartigen länglichen Zellen, deren längere Durch- messer radiär gestellt sind. Am vierten Tage beginnt eine Trennung dieser Zellen in zwei Lagen, dadurch, dass die äusseren der Ober- fläche concentrisch sich ordnen und in Fasern sich verlängern, wäh- rend die inneren ihre ursprüngliche Lage beibehalten und nun als Epithel des Centralkanales erscheinen. Zugleich tritt auch die vor- dere Commissur und bald darauf auch die vorderen und hinteren Stränge auf. Am Ende des vierten und am Anfange des fünften Ta- ges zeigt dann das Mark folgende Beschaffenheit. Die Gestalt des Querschnittes ist ziemlich eiförmig, vorn breiter, hinten schmäler. Der Centralkanal, am Halse rautenförmig, am Rücken mehr spalten- förmig, hat eine überall, namentlich aber hinten sehr dicke Ausklei- dung radiär gestellter Zellen, welche an der hinteren Mittellinie die Oberfläche erreicht, während sie vorn noch von der schmalen Quer- brücke der vorderen Commissur bedeckt ist. Die concentrisch fase- rige Rindenschicht bildet somit nur zwei seitliche Zonen, von denen ausserdem noch zu bemerken ist, dass sie hinten sehr schmal sind und nur vorn und seitlich eine etwas grössere Mächtigkeit haben. Hier ist auch die Faserung dieser Lage, die, wie ich entgegen Remak annehmen muss, die Anlage der grauen Substanz ist, am deutlich- sten und geht die Richtung derselben theils gegen die vordere Com- Eigene Unter- suchungen über die Entwicklung des Markes. Mark des Hühnchens.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. [256]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/272>, abgerufen am 19.04.2024.