Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.

Bild:
<< vorherige Seite
V Professurzeit.

Während ich mich nach erledigten Pfarrstellen umsah, um eine mir Zusagende zu entdecken, hatte mein Vater andere Pläne. Am Gymnasium stand die Erledigung der Professur für prot. Religionslehre, für Geschichte und hebräische Sprache in Aussicht. Mein Vater wünschte, dass ich mich darum bewerbe, damit ich im Falle ihrer Erlangung ihn, der im 66. Jahre stand, unterstützen könne. Er hatte wohl auch den Gedanken, mich auf diesem Wege auf eine Pfarrstelle in Zweibrücken zu bringen. Mir sagte die betreffende Professur nicht besonders zu, doch bewarb ich mich meinem Vater zu Liebe um dieselbe, wurde vom Rektor Dr. Dittmar begünstigt und erhielt die Ernennung zum Lehrer der prot. Religion, der Geschichte und dar hebräischen Sprache mit dem Titel, Rang und den Ehrenrechten eines k. Gymnasialprofessors, leider aber nicht mit dem Gehalte und den pragmatischen Rechten eines solchen.

Im November 1859 trat ich die Stelle an. Im Elternhause konnte ich nicht wohnen. Dort waren Gymnasiasten in Pension genommen. Ich brachte mich anderweitig unter in einem Hause, woselbst mehrere Gymnasiasten Quartier hatten. Ich überwachte sie väterlich mit 2 Augen, wurde aber von ihnen mit 8 Augen scharf beobachtet, sodass das ganze Gymnasium über mein Thun und Lassen sehr genau Bescheid erhielt. Dies schadete ja nichts, war aber doch unangenehm. Ein Pfarrer wohnt in einem Glashause, ein Gymnasialprofessor desgleichen und die, welche ihn beobachten, haben sehr scharfe Augen, sehr feine Ohren, ein sehr nachhaltiges Gedächtnis und sehr geschäftige Zungen, dabei aber auch für aufrichtiges Wohlwollen und für unpartheiische Gerechtigkeit meist ein sehr richtiges Gefühl.

An der Spitze des Gymnasiums stand als Rektor Hofrath Dr. Dirrmar, der bekannte Verfasser von Geschichtslehrbüchern. Trotz seiner vielen guten Eigenschaften befriedigte er als Lehrer und als Rektor wenig. Von meinen früheren Lehrern waren nur noch Fischer, Butters und Krafft im Amte. Der jetzige Geheimrath und ordent. Universitätsprofessor Dr. Iwan von Möller und der jetzt pensionierte Gymnasialrektor

V Professurzeit.

Während ich mich nach erledigten Pfarrstellen umsah, um eine mir Zusagende zu entdecken, hatte mein Vater andere Pläne. Am Gymnasium stand die Erledigung der Professur für prot. Religionslehre, für Geschichte und hebräische Sprache in Aussicht. Mein Vater wünschte, dass ich mich darum bewerbe, damit ich im Falle ihrer Erlangung ihn, der im 66. Jahre stand, unterstützen könne. Er hatte wohl auch den Gedanken, mich auf diesem Wege auf eine Pfarrstelle in Zweibrücken zu bringen. Mir sagte die betreffende Professur nicht besonders zu, doch bewarb ich mich meinem Vater zu Liebe um dieselbe, wurde vom Rektor Dr. Dittmar begünstigt und erhielt die Ernennung zum Lehrer der prot. Religion, der Geschichte und dar hebräischen Sprache mit dem Titel, Rang und den Ehrenrechten eines k. Gymnasialprofessors, leider aber nicht mit dem Gehalte und den pragmatischen Rechten eines solchen.

Im November 1859 trat ich die Stelle an. Im Elternhause konnte ich nicht wohnen. Dort waren Gymnasiasten in Pension genommen. Ich brachte mich anderweitig unter in einem Hause, woselbst mehrere Gymnasiasten Quartier hatten. Ich überwachte sie väterlich mit 2 Augen, wurde aber von ihnen mit 8 Augen scharf beobachtet, sodass das ganze Gymnasium über mein Thun und Lassen sehr genau Bescheid erhielt. Dies schadete ja nichts, war aber doch unangenehm. Ein Pfarrer wohnt in einem Glashause, ein Gymnasialprofessor desgleichen und die, welche ihn beobachten, haben sehr scharfe Augen, sehr feine Ohren, ein sehr nachhaltiges Gedächtnis und sehr geschäftige Zungen, dabei aber auch für aufrichtiges Wohlwollen und für unpartheiische Gerechtigkeit meist ein sehr richtiges Gefühl.

An der Spitze des Gymnasiums stand als Rektor Hofrath Dr. Dirrmar, der bekannte Verfasser von Geschichtslehrbüchern. Trotz seiner vielen guten Eigenschaften befriedigte er als Lehrer und als Rektor wenig. Von meinen früheren Lehrern waren nur noch Fischer, Butters und Krafft im Amte. Der jetzige Geheimrath und ordent. Universitätsprofessor Dr. Iwan von Möller und der jetzt pensionierte Gymnasialrektor

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0061" n="61"/>
      <div n="1">
        <head>V Professurzeit.</head><lb/>
        <p>Während ich mich nach erledigten Pfarrstellen umsah, um eine mir Zusagende zu entdecken, hatte mein Vater andere Pläne. Am Gymnasium stand die Erledigung der Professur für prot. Religionslehre, für Geschichte und hebräische Sprache in Aussicht. Mein Vater wünschte, dass ich mich darum bewerbe, damit ich im Falle ihrer Erlangung ihn, der im 66. Jahre stand, unterstützen könne. Er hatte wohl auch den Gedanken, mich auf diesem Wege auf eine Pfarrstelle in Zweibrücken zu bringen. Mir sagte die betreffende Professur nicht besonders zu, doch bewarb ich mich meinem Vater zu Liebe um dieselbe, wurde vom Rektor Dr. Dittmar begünstigt und erhielt die Ernennung zum Lehrer der prot. Religion, der Geschichte und dar hebräischen Sprache mit dem Titel, Rang und den Ehrenrechten eines k. Gymnasialprofessors, leider aber nicht mit dem Gehalte und den pragmatischen Rechten eines solchen.</p>
        <p>Im November 1859 trat ich die Stelle an. Im Elternhause konnte ich nicht wohnen. Dort waren Gymnasiasten in Pension genommen. Ich brachte mich anderweitig unter in einem Hause, woselbst mehrere Gymnasiasten Quartier hatten. Ich überwachte sie väterlich mit 2 Augen, wurde aber von ihnen mit 8 Augen scharf beobachtet, sodass das ganze Gymnasium über mein Thun und Lassen sehr genau Bescheid erhielt. Dies schadete ja nichts, war aber doch unangenehm. Ein Pfarrer wohnt in einem Glashause, ein Gymnasialprofessor desgleichen und die, welche ihn beobachten, haben sehr scharfe Augen, sehr feine Ohren, ein sehr nachhaltiges Gedächtnis und sehr geschäftige Zungen, dabei aber auch für aufrichtiges Wohlwollen und für unpartheiische Gerechtigkeit meist ein sehr richtiges Gefühl.</p>
        <p>An der Spitze des Gymnasiums stand als Rektor Hofrath Dr. Dirrmar, der bekannte Verfasser von Geschichtslehrbüchern. Trotz seiner vielen guten Eigenschaften befriedigte er als Lehrer und als Rektor wenig. Von meinen früheren Lehrern waren nur noch Fischer, Butters und Krafft im Amte. Der jetzige Geheimrath und ordent. Universitätsprofessor Dr. Iwan von Möller und der jetzt pensionierte Gymnasialrektor
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0061] V Professurzeit. Während ich mich nach erledigten Pfarrstellen umsah, um eine mir Zusagende zu entdecken, hatte mein Vater andere Pläne. Am Gymnasium stand die Erledigung der Professur für prot. Religionslehre, für Geschichte und hebräische Sprache in Aussicht. Mein Vater wünschte, dass ich mich darum bewerbe, damit ich im Falle ihrer Erlangung ihn, der im 66. Jahre stand, unterstützen könne. Er hatte wohl auch den Gedanken, mich auf diesem Wege auf eine Pfarrstelle in Zweibrücken zu bringen. Mir sagte die betreffende Professur nicht besonders zu, doch bewarb ich mich meinem Vater zu Liebe um dieselbe, wurde vom Rektor Dr. Dittmar begünstigt und erhielt die Ernennung zum Lehrer der prot. Religion, der Geschichte und dar hebräischen Sprache mit dem Titel, Rang und den Ehrenrechten eines k. Gymnasialprofessors, leider aber nicht mit dem Gehalte und den pragmatischen Rechten eines solchen. Im November 1859 trat ich die Stelle an. Im Elternhause konnte ich nicht wohnen. Dort waren Gymnasiasten in Pension genommen. Ich brachte mich anderweitig unter in einem Hause, woselbst mehrere Gymnasiasten Quartier hatten. Ich überwachte sie väterlich mit 2 Augen, wurde aber von ihnen mit 8 Augen scharf beobachtet, sodass das ganze Gymnasium über mein Thun und Lassen sehr genau Bescheid erhielt. Dies schadete ja nichts, war aber doch unangenehm. Ein Pfarrer wohnt in einem Glashause, ein Gymnasialprofessor desgleichen und die, welche ihn beobachten, haben sehr scharfe Augen, sehr feine Ohren, ein sehr nachhaltiges Gedächtnis und sehr geschäftige Zungen, dabei aber auch für aufrichtiges Wohlwollen und für unpartheiische Gerechtigkeit meist ein sehr richtiges Gefühl. An der Spitze des Gymnasiums stand als Rektor Hofrath Dr. Dirrmar, der bekannte Verfasser von Geschichtslehrbüchern. Trotz seiner vielen guten Eigenschaften befriedigte er als Lehrer und als Rektor wenig. Von meinen früheren Lehrern waren nur noch Fischer, Butters und Krafft im Amte. Der jetzige Geheimrath und ordent. Universitätsprofessor Dr. Iwan von Möller und der jetzt pensionierte Gymnasialrektor

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-14T12:32:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-14T12:32:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-14T12:32:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Die handschriftlichen Korrekturen in der Vorlage werden stillschweigend eingearbeitet, offensichtliche Verschreibungen ohne Kennzeichnung korrigiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/61
Zitationshilfe: Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/61>, abgerufen am 16.04.2024.