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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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ren Klang gibt. Die für freiere Liebe, für eine freier ge-
staltete Ehe am Wärmsten eintreten, die fassen das Wort tat-
sächlich reiner und höher 1). Als das Zusammenleben zweier
sich aus wahrer Liebe einander zu eigen gebender Menschen,
die in sich frei, des eigenen Wertes sich wohl bewußt, auch
den Wert, die Eigenart des anderen anzuerkennen bemüht
sind. Als Zusammenleben von Menschen, die sich frei machen
vom Zwang des Konventionellen, die sich die Freiheit wahren,
ein Leben nach eigenem Geschmacke zu führen. Die sich gegen
die Unsitten unserer, gar manchen feinfühligen Menschen ver-
letzenden Verlobungs- und Hochzeitsgebräuche empören, die
sich, auch im weiteren Zusammenleben, lieber frei machen von
diesen und jenen Rücksichten, als daß sie sich leeren Vor-
schriften beugen.

Aber ist, um so leben und lieben zu können, ein Brechen
mit allem Ueberlieferten notwendig?

Wohl hält eine große Zahl, vielleicht die Mehrzahl un-
serer Ehen, nicht Stand, wenn wir sie auf die Reinheit ihrer
Motive hin prüfen. Allzuoft - davon sprach ich schon wieder-
holt - sind unsere Ehen von Anbeginn an auf unlauterem
Boden erwachsen. Und doch ist es grundverkehrt, wenn man,
wie das oft geschieht, daraus den Schluß zieht, es sei unmög-
lich für vorschriftsmäßig getraute Eheleute, in freier Liebe
fest verbunden zu leben.

Wohl ist das möglich, ist sogar, was auch die Zweifler
dagegen einwenden, tatsächlich zu finden.

Denn nicht die Jnstitutionen machen die Menschen, sondern

1) So Carpenter, Ellen Key, Jaques Mesnil, der ausdrücklich
sagt: Jch halte daran fest, daß die Verbindung des Mannes und
des Weibes die Tendenz hat, mehr und mehr eine streng mono-
gamische zu werden, und daß dies auch höchst wünschenswert ist.

ren Klang gibt. Die für freiere Liebe, für eine freier ge-
staltete Ehe am Wärmsten eintreten, die fassen das Wort tat-
sächlich reiner und höher 1). Als das Zusammenleben zweier
sich aus wahrer Liebe einander zu eigen gebender Menschen,
die in sich frei, des eigenen Wertes sich wohl bewußt, auch
den Wert, die Eigenart des anderen anzuerkennen bemüht
sind. Als Zusammenleben von Menschen, die sich frei machen
vom Zwang des Konventionellen, die sich die Freiheit wahren,
ein Leben nach eigenem Geschmacke zu führen. Die sich gegen
die Unsitten unserer, gar manchen feinfühligen Menschen ver-
letzenden Verlobungs- und Hochzeitsgebräuche empören, die
sich, auch im weiteren Zusammenleben, lieber frei machen von
diesen und jenen Rücksichten, als daß sie sich leeren Vor-
schriften beugen.

Aber ist, um so leben und lieben zu können, ein Brechen
mit allem Ueberlieferten notwendig?

Wohl hält eine große Zahl, vielleicht die Mehrzahl un-
serer Ehen, nicht Stand, wenn wir sie auf die Reinheit ihrer
Motive hin prüfen. Allzuoft – davon sprach ich schon wieder-
holt – sind unsere Ehen von Anbeginn an auf unlauterem
Boden erwachsen. Und doch ist es grundverkehrt, wenn man,
wie das oft geschieht, daraus den Schluß zieht, es sei unmög-
lich für vorschriftsmäßig getraute Eheleute, in freier Liebe
fest verbunden zu leben.

Wohl ist das möglich, ist sogar, was auch die Zweifler
dagegen einwenden, tatsächlich zu finden.

Denn nicht die Jnstitutionen machen die Menschen, sondern

1) So Carpenter, Ellen Key, Jaques Mesnil, der ausdrücklich
sagt: Jch halte daran fest, daß die Verbindung des Mannes und
des Weibes die Tendenz hat, mehr und mehr eine streng mono-
gamische zu werden, und daß dies auch höchst wünschenswert ist.
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[197/0207] ren Klang gibt. Die für freiere Liebe, für eine freier ge- staltete Ehe am Wärmsten eintreten, die fassen das Wort tat- sächlich reiner und höher 1). Als das Zusammenleben zweier sich aus wahrer Liebe einander zu eigen gebender Menschen, die in sich frei, des eigenen Wertes sich wohl bewußt, auch den Wert, die Eigenart des anderen anzuerkennen bemüht sind. Als Zusammenleben von Menschen, die sich frei machen vom Zwang des Konventionellen, die sich die Freiheit wahren, ein Leben nach eigenem Geschmacke zu führen. Die sich gegen die Unsitten unserer, gar manchen feinfühligen Menschen ver- letzenden Verlobungs- und Hochzeitsgebräuche empören, die sich, auch im weiteren Zusammenleben, lieber frei machen von diesen und jenen Rücksichten, als daß sie sich leeren Vor- schriften beugen. Aber ist, um so leben und lieben zu können, ein Brechen mit allem Ueberlieferten notwendig? Wohl hält eine große Zahl, vielleicht die Mehrzahl un- serer Ehen, nicht Stand, wenn wir sie auf die Reinheit ihrer Motive hin prüfen. Allzuoft – davon sprach ich schon wieder- holt – sind unsere Ehen von Anbeginn an auf unlauterem Boden erwachsen. Und doch ist es grundverkehrt, wenn man, wie das oft geschieht, daraus den Schluß zieht, es sei unmög- lich für vorschriftsmäßig getraute Eheleute, in freier Liebe fest verbunden zu leben. Wohl ist das möglich, ist sogar, was auch die Zweifler dagegen einwenden, tatsächlich zu finden. Denn nicht die Jnstitutionen machen die Menschen, sondern 1) So Carpenter, Ellen Key, Jaques Mesnil, der ausdrücklich sagt: Jch halte daran fest, daß die Verbindung des Mannes und des Weibes die Tendenz hat, mehr und mehr eine streng mono- gamische zu werden, und daß dies auch höchst wünschenswert ist.

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/207>, abgerufen am 20.04.2024.