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Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Leipzig oder Jena schicken und mit Hülfe teilnehmender Freunde weiter fördern. Die junge Frau lobte den Entschluß ihres Gatten, und Rudolf fand sich auch von ihrer Seite wohlwollend unterstützt.

Aber schon am dritten Tage liefen Klagen von einer andern Seite ein. Die Köchin des Hauses sagte, sie wisse den jungen Herrn, wie sie ihn schnippisch nannte, nicht mehr zu verköstigen. Er genieße wenig und rede noch weniger, er gehe immer herum, als wenn er den gestrigen Tag suchte. Ihre Schuld sei's nicht, wenn er so dünne würde wie eine Oblate. Auch den Gatten war es inzwischen aufgefallen, daß der ländliche Wildling nicht die Begeisterung über das Stadtleben zeigte, die in solchen Fällen nie ausbleibt. Der Doctor nahm am vierten Abend beim Thee seinen Schützling ins Gebet.

Weil es verrathen ist, so soll es verrathen bleiben, sagte Rudolf erleichtert, ich will Knecht beim Raithmeyer werden. Ich kann sein Mädchen nicht vergessen. Die Gatten lächelten zu so viel Offenheit, doch nahm es der Doctor ernster. Bedenke, Rudolf, was aus dir werden kann! Erinnere dich, was du selbst aus dir machen wolltest! Du hast Kopf, du kannst es zu einem Professor der Botanik bringen. Dein Lebensglück nanntest du's, mich gefunden zu haben, und nun willst du uns so bald wieder verlassen. Du bist jung, sehr jung, du kannst warten. Sachsen hat noch mehr schöne Mädchen, und glaube mir, ein Professor braucht nichts Schlechteres zu nehmen als ein Bauernknecht.

Der arme Knabe fing zu weinen an, aber er sagte: er wolle Knecht beim Raithmeyer werden

Des Mädchens wegen ist es überdies nicht nothwendig, fuhr der Doctor fort. Bist du so gefesselt an sie, wie du glaubst, so kannst du sie dir vorbehalten. Du wirst studiren, du wirst briefwechseln mit ihr, du wirst sie besuchen in den Ferien, und wendest

Leipzig oder Jena schicken und mit Hülfe teilnehmender Freunde weiter fördern. Die junge Frau lobte den Entschluß ihres Gatten, und Rudolf fand sich auch von ihrer Seite wohlwollend unterstützt.

Aber schon am dritten Tage liefen Klagen von einer andern Seite ein. Die Köchin des Hauses sagte, sie wisse den jungen Herrn, wie sie ihn schnippisch nannte, nicht mehr zu verköstigen. Er genieße wenig und rede noch weniger, er gehe immer herum, als wenn er den gestrigen Tag suchte. Ihre Schuld sei's nicht, wenn er so dünne würde wie eine Oblate. Auch den Gatten war es inzwischen aufgefallen, daß der ländliche Wildling nicht die Begeisterung über das Stadtleben zeigte, die in solchen Fällen nie ausbleibt. Der Doctor nahm am vierten Abend beim Thee seinen Schützling ins Gebet.

Weil es verrathen ist, so soll es verrathen bleiben, sagte Rudolf erleichtert, ich will Knecht beim Raithmeyer werden. Ich kann sein Mädchen nicht vergessen. Die Gatten lächelten zu so viel Offenheit, doch nahm es der Doctor ernster. Bedenke, Rudolf, was aus dir werden kann! Erinnere dich, was du selbst aus dir machen wolltest! Du hast Kopf, du kannst es zu einem Professor der Botanik bringen. Dein Lebensglück nanntest du's, mich gefunden zu haben, und nun willst du uns so bald wieder verlassen. Du bist jung, sehr jung, du kannst warten. Sachsen hat noch mehr schöne Mädchen, und glaube mir, ein Professor braucht nichts Schlechteres zu nehmen als ein Bauernknecht.

Der arme Knabe fing zu weinen an, aber er sagte: er wolle Knecht beim Raithmeyer werden

Des Mädchens wegen ist es überdies nicht nothwendig, fuhr der Doctor fort. Bist du so gefesselt an sie, wie du glaubst, so kannst du sie dir vorbehalten. Du wirst studiren, du wirst briefwechseln mit ihr, du wirst sie besuchen in den Ferien, und wendest

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[0021] Leipzig oder Jena schicken und mit Hülfe teilnehmender Freunde weiter fördern. Die junge Frau lobte den Entschluß ihres Gatten, und Rudolf fand sich auch von ihrer Seite wohlwollend unterstützt. Aber schon am dritten Tage liefen Klagen von einer andern Seite ein. Die Köchin des Hauses sagte, sie wisse den jungen Herrn, wie sie ihn schnippisch nannte, nicht mehr zu verköstigen. Er genieße wenig und rede noch weniger, er gehe immer herum, als wenn er den gestrigen Tag suchte. Ihre Schuld sei's nicht, wenn er so dünne würde wie eine Oblate. Auch den Gatten war es inzwischen aufgefallen, daß der ländliche Wildling nicht die Begeisterung über das Stadtleben zeigte, die in solchen Fällen nie ausbleibt. Der Doctor nahm am vierten Abend beim Thee seinen Schützling ins Gebet. Weil es verrathen ist, so soll es verrathen bleiben, sagte Rudolf erleichtert, ich will Knecht beim Raithmeyer werden. Ich kann sein Mädchen nicht vergessen. Die Gatten lächelten zu so viel Offenheit, doch nahm es der Doctor ernster. Bedenke, Rudolf, was aus dir werden kann! Erinnere dich, was du selbst aus dir machen wolltest! Du hast Kopf, du kannst es zu einem Professor der Botanik bringen. Dein Lebensglück nanntest du's, mich gefunden zu haben, und nun willst du uns so bald wieder verlassen. Du bist jung, sehr jung, du kannst warten. Sachsen hat noch mehr schöne Mädchen, und glaube mir, ein Professor braucht nichts Schlechteres zu nehmen als ein Bauernknecht. Der arme Knabe fing zu weinen an, aber er sagte: er wolle Knecht beim Raithmeyer werden Des Mädchens wegen ist es überdies nicht nothwendig, fuhr der Doctor fort. Bist du so gefesselt an sie, wie du glaubst, so kannst du sie dir vorbehalten. Du wirst studiren, du wirst briefwechseln mit ihr, du wirst sie besuchen in den Ferien, und wendest

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:57:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:57:16Z)

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_drache_1910/21>, abgerufen am 16.04.2024.