Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

zweimal in zwei Abschriften. Darauf werden mir die anderen Herren vorgestellt: Doctor so und so, und Actuar von dort und Assessor von da -- ob ich sie als Zeugen wollte? Ich sagte ja! Darnach unterschrieben auch sie. Der Handel war fertig.

Der Kranke that einen tiefen Athemzug. Es kostet mich Forsche, sagte er, das Garn abzuwinden. Ich fühl's, wie mein Herzpolyp lutscht daran. Ja wohl ist's eine Gemüthskrankheit! Der Doctor wollte bei dieser Klage den weiteren Vortrag sich für ein ander Mal ausbitten, aber der Bauer meinte kopfschüttelnd: Wenn ich eingespannt habe, dann sag' ich auch: hott! Machen wir's alle. Er fuhr fort: Ich nächtigte also in Pirna; derselbe Tag war ein Mittwoch, und Samstag zehn Uhr, wie ich mir die Vorladung näher ansah, lautete meine Stunde. Inzwischen kam der Kreishauptmann von einer Ministeraudienz in Pillnitz herüber, der sprach, als er den Handel hörte, außin dem Amtswege zu mir: Raithmeyer, was habt Ihr gethan! Hier ist wenigstens von einer Viertel-Million die Rede. Das schönste Rittergut ging flöten. Ich erschrak und sagte zu meiner Rechtfertigung alle die Umstände wegen der Unsicherheit, und wie lang die Wurst wäre, -- er schüttelte aber den Kopf. Man hat Eure ländliche Einfalt mißbraucht, war sein Wort. Ob ich auf Betrug klagen könnte? fragte ich kleinlaut. Hat man Euch Wein eingeschenkt bei dem Handel? -- Keinen Tropfen. -- Da schüttelte er wieder den Kopf und zuckte die Achseln dazu. Ich will sehen, ob ein Formfehler dabei war, sagte er, sonst kann ich zu keinem Prozeß rathen. Geht vorläufig nach Hause und holt Eure Legitimationen. Damit entließ er mich. Ich ging nun nach Hause, nicht reich und nicht arm, nicht süß und nicht sauer; es war kurios. Ich konnte die nächste Tagfahrt kaum erwarten. -- Was ist's mit dem Formfehler? war mein erstes Wort. Es ist leider in bester

zweimal in zwei Abschriften. Darauf werden mir die anderen Herren vorgestellt: Doctor so und so, und Actuar von dort und Assessor von da — ob ich sie als Zeugen wollte? Ich sagte ja! Darnach unterschrieben auch sie. Der Handel war fertig.

Der Kranke that einen tiefen Athemzug. Es kostet mich Forsche, sagte er, das Garn abzuwinden. Ich fühl's, wie mein Herzpolyp lutscht daran. Ja wohl ist's eine Gemüthskrankheit! Der Doctor wollte bei dieser Klage den weiteren Vortrag sich für ein ander Mal ausbitten, aber der Bauer meinte kopfschüttelnd: Wenn ich eingespannt habe, dann sag' ich auch: hott! Machen wir's alle. Er fuhr fort: Ich nächtigte also in Pirna; derselbe Tag war ein Mittwoch, und Samstag zehn Uhr, wie ich mir die Vorladung näher ansah, lautete meine Stunde. Inzwischen kam der Kreishauptmann von einer Ministeraudienz in Pillnitz herüber, der sprach, als er den Handel hörte, außin dem Amtswege zu mir: Raithmeyer, was habt Ihr gethan! Hier ist wenigstens von einer Viertel-Million die Rede. Das schönste Rittergut ging flöten. Ich erschrak und sagte zu meiner Rechtfertigung alle die Umstände wegen der Unsicherheit, und wie lang die Wurst wäre, — er schüttelte aber den Kopf. Man hat Eure ländliche Einfalt mißbraucht, war sein Wort. Ob ich auf Betrug klagen könnte? fragte ich kleinlaut. Hat man Euch Wein eingeschenkt bei dem Handel? — Keinen Tropfen. — Da schüttelte er wieder den Kopf und zuckte die Achseln dazu. Ich will sehen, ob ein Formfehler dabei war, sagte er, sonst kann ich zu keinem Prozeß rathen. Geht vorläufig nach Hause und holt Eure Legitimationen. Damit entließ er mich. Ich ging nun nach Hause, nicht reich und nicht arm, nicht süß und nicht sauer; es war kurios. Ich konnte die nächste Tagfahrt kaum erwarten. — Was ist's mit dem Formfehler? war mein erstes Wort. Es ist leider in bester

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0039"/>
zweimal in zwei Abschriften. Darauf werden mir die anderen Herren      vorgestellt: Doctor so und so, und Actuar von dort und Assessor von da &#x2014; ob ich sie als Zeugen      wollte? Ich sagte ja! Darnach unterschrieben auch sie. Der Handel war fertig.</p><lb/>
        <p>Der Kranke that einen tiefen Athemzug. Es kostet mich Forsche, sagte er, das Garn abzuwinden.      Ich fühl's, wie mein Herzpolyp lutscht daran. Ja wohl ist's eine Gemüthskrankheit! Der Doctor      wollte bei dieser Klage den weiteren Vortrag sich für ein ander Mal ausbitten, aber der Bauer      meinte kopfschüttelnd: Wenn ich eingespannt habe, dann sag' ich auch: hott! Machen wir's alle.      Er fuhr fort: Ich nächtigte also in Pirna; derselbe Tag war ein Mittwoch, und Samstag zehn Uhr,      wie ich mir die Vorladung näher ansah, lautete meine Stunde. Inzwischen kam der Kreishauptmann      von einer Ministeraudienz in Pillnitz herüber, der sprach, als er den Handel hörte, außin dem      Amtswege zu mir: Raithmeyer, was habt Ihr gethan! Hier ist wenigstens von einer Viertel-Million      die Rede. Das schönste Rittergut ging flöten. Ich erschrak und sagte zu meiner Rechtfertigung      alle die Umstände wegen der Unsicherheit, und wie lang die Wurst wäre, &#x2014; er schüttelte aber den      Kopf. Man hat Eure ländliche Einfalt mißbraucht, war sein Wort. Ob ich auf Betrug klagen      könnte? fragte ich kleinlaut. Hat man Euch Wein eingeschenkt bei dem Handel? &#x2014; Keinen Tropfen.      &#x2014; Da schüttelte er wieder den Kopf und zuckte die Achseln dazu. Ich will sehen, ob ein      Formfehler dabei war, sagte er, sonst kann ich zu keinem Prozeß rathen. Geht vorläufig nach      Hause und holt Eure Legitimationen. Damit entließ er mich. Ich ging nun nach Hause, nicht reich      und nicht arm, nicht süß und nicht sauer; es war kurios. Ich konnte die nächste Tagfahrt kaum      erwarten. &#x2014; Was ist's mit dem Formfehler? war mein erstes Wort. Es ist leider in bester<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0039] zweimal in zwei Abschriften. Darauf werden mir die anderen Herren vorgestellt: Doctor so und so, und Actuar von dort und Assessor von da — ob ich sie als Zeugen wollte? Ich sagte ja! Darnach unterschrieben auch sie. Der Handel war fertig. Der Kranke that einen tiefen Athemzug. Es kostet mich Forsche, sagte er, das Garn abzuwinden. Ich fühl's, wie mein Herzpolyp lutscht daran. Ja wohl ist's eine Gemüthskrankheit! Der Doctor wollte bei dieser Klage den weiteren Vortrag sich für ein ander Mal ausbitten, aber der Bauer meinte kopfschüttelnd: Wenn ich eingespannt habe, dann sag' ich auch: hott! Machen wir's alle. Er fuhr fort: Ich nächtigte also in Pirna; derselbe Tag war ein Mittwoch, und Samstag zehn Uhr, wie ich mir die Vorladung näher ansah, lautete meine Stunde. Inzwischen kam der Kreishauptmann von einer Ministeraudienz in Pillnitz herüber, der sprach, als er den Handel hörte, außin dem Amtswege zu mir: Raithmeyer, was habt Ihr gethan! Hier ist wenigstens von einer Viertel-Million die Rede. Das schönste Rittergut ging flöten. Ich erschrak und sagte zu meiner Rechtfertigung alle die Umstände wegen der Unsicherheit, und wie lang die Wurst wäre, — er schüttelte aber den Kopf. Man hat Eure ländliche Einfalt mißbraucht, war sein Wort. Ob ich auf Betrug klagen könnte? fragte ich kleinlaut. Hat man Euch Wein eingeschenkt bei dem Handel? — Keinen Tropfen. — Da schüttelte er wieder den Kopf und zuckte die Achseln dazu. Ich will sehen, ob ein Formfehler dabei war, sagte er, sonst kann ich zu keinem Prozeß rathen. Geht vorläufig nach Hause und holt Eure Legitimationen. Damit entließ er mich. Ich ging nun nach Hause, nicht reich und nicht arm, nicht süß und nicht sauer; es war kurios. Ich konnte die nächste Tagfahrt kaum erwarten. — Was ist's mit dem Formfehler? war mein erstes Wort. Es ist leider in bester

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:57:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:57:16Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_drache_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_drache_1910/39
Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_drache_1910/39>, abgerufen am 18.04.2024.