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Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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beißer aus Berlin -- geistliche Herren wollen sie sein! Der Stilling meint, er filoutirt mir das Meinige auf dem Betschemmel heraus, und der Kniggemann läßt mich merken: geben Sie mir so und so viel, und die ganze Macht der Vernunft stell' ich Ihnen zur Seite. Und wär' ich der Narr, -- am Ende theilen sie noch. Es ist abgekartet unter den Schelmen; ich sollte blind sein dazu. Verdorbene Candidaten sind's, nichts als Motten stecken in ihrem Lügenpelz. Ja, Herr, so war kein Mensch noch gezwickt, wie ich gezwickt bin mit dieser Erbschaft. Leg' ich meine Karte auf, zeig' ich mein Cessions-Document und beweis' Alles schwarz auf weiß -- so hängen sie mir den Affen an, Kind und Kindskinder. Bleib' ich mir treu und vertusch' ich den ganzen Kotzelhandel -- so bringt mich das Matzchen unter die Erde. Daß ihr den Veitstanz hättet! Soll ich ihr Dummbart sein? Nein, lieber bin ich des Teufels Compagnon. Ich schluck's hinab. Und koch' ich lauter Galle statt Blut und verdau' ich keine Erdbeere mehr -- auslachen sollen sie mich nicht! sollen mich fürchten! und ich will sie auslachen. -- Der Bauer sprang auf und rannte in seiner Erregtheit hastig durch die Stube. Dann riß er das Fenster auf und sprach, ohne den Doctor anzusehen, zum Garten hinaus: Das ist mein Herzpolyp. Jetzt kennen Sie den Gemüthsgrund, so tief er ist. Steigen Sie hinab, wenn Sie Courage haben.

Gott sei Dank! dachte der Doctor im Stillen, das Geheimniß wäre also da! Die Vermuthung war richtig, und das Verfahren zugleich. Was bleibt noch übrig? Die Heilung.

Der Doctor überlegte. Welchen Heilplan ergreift er jetzt? Was er zuvor für wahrscheinlich gehalten, das war ihm jetzt als Gewißheit enthüllt. Der Körper des Kranken litt nicht einseitig, sein Gemüth war die Quelle des Leidens. Dieses zu heilen, galt ihm vor

beißer aus Berlin — geistliche Herren wollen sie sein! Der Stilling meint, er filoutirt mir das Meinige auf dem Betschemmel heraus, und der Kniggemann läßt mich merken: geben Sie mir so und so viel, und die ganze Macht der Vernunft stell' ich Ihnen zur Seite. Und wär' ich der Narr, — am Ende theilen sie noch. Es ist abgekartet unter den Schelmen; ich sollte blind sein dazu. Verdorbene Candidaten sind's, nichts als Motten stecken in ihrem Lügenpelz. Ja, Herr, so war kein Mensch noch gezwickt, wie ich gezwickt bin mit dieser Erbschaft. Leg' ich meine Karte auf, zeig' ich mein Cessions-Document und beweis' Alles schwarz auf weiß — so hängen sie mir den Affen an, Kind und Kindskinder. Bleib' ich mir treu und vertusch' ich den ganzen Kotzelhandel — so bringt mich das Matzchen unter die Erde. Daß ihr den Veitstanz hättet! Soll ich ihr Dummbart sein? Nein, lieber bin ich des Teufels Compagnon. Ich schluck's hinab. Und koch' ich lauter Galle statt Blut und verdau' ich keine Erdbeere mehr — auslachen sollen sie mich nicht! sollen mich fürchten! und ich will sie auslachen. — Der Bauer sprang auf und rannte in seiner Erregtheit hastig durch die Stube. Dann riß er das Fenster auf und sprach, ohne den Doctor anzusehen, zum Garten hinaus: Das ist mein Herzpolyp. Jetzt kennen Sie den Gemüthsgrund, so tief er ist. Steigen Sie hinab, wenn Sie Courage haben.

Gott sei Dank! dachte der Doctor im Stillen, das Geheimniß wäre also da! Die Vermuthung war richtig, und das Verfahren zugleich. Was bleibt noch übrig? Die Heilung.

Der Doctor überlegte. Welchen Heilplan ergreift er jetzt? Was er zuvor für wahrscheinlich gehalten, das war ihm jetzt als Gewißheit enthüllt. Der Körper des Kranken litt nicht einseitig, sein Gemüth war die Quelle des Leidens. Dieses zu heilen, galt ihm vor

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[0043] beißer aus Berlin — geistliche Herren wollen sie sein! Der Stilling meint, er filoutirt mir das Meinige auf dem Betschemmel heraus, und der Kniggemann läßt mich merken: geben Sie mir so und so viel, und die ganze Macht der Vernunft stell' ich Ihnen zur Seite. Und wär' ich der Narr, — am Ende theilen sie noch. Es ist abgekartet unter den Schelmen; ich sollte blind sein dazu. Verdorbene Candidaten sind's, nichts als Motten stecken in ihrem Lügenpelz. Ja, Herr, so war kein Mensch noch gezwickt, wie ich gezwickt bin mit dieser Erbschaft. Leg' ich meine Karte auf, zeig' ich mein Cessions-Document und beweis' Alles schwarz auf weiß — so hängen sie mir den Affen an, Kind und Kindskinder. Bleib' ich mir treu und vertusch' ich den ganzen Kotzelhandel — so bringt mich das Matzchen unter die Erde. Daß ihr den Veitstanz hättet! Soll ich ihr Dummbart sein? Nein, lieber bin ich des Teufels Compagnon. Ich schluck's hinab. Und koch' ich lauter Galle statt Blut und verdau' ich keine Erdbeere mehr — auslachen sollen sie mich nicht! sollen mich fürchten! und ich will sie auslachen. — Der Bauer sprang auf und rannte in seiner Erregtheit hastig durch die Stube. Dann riß er das Fenster auf und sprach, ohne den Doctor anzusehen, zum Garten hinaus: Das ist mein Herzpolyp. Jetzt kennen Sie den Gemüthsgrund, so tief er ist. Steigen Sie hinab, wenn Sie Courage haben. Gott sei Dank! dachte der Doctor im Stillen, das Geheimniß wäre also da! Die Vermuthung war richtig, und das Verfahren zugleich. Was bleibt noch übrig? Die Heilung. Der Doctor überlegte. Welchen Heilplan ergreift er jetzt? Was er zuvor für wahrscheinlich gehalten, das war ihm jetzt als Gewißheit enthüllt. Der Körper des Kranken litt nicht einseitig, sein Gemüth war die Quelle des Leidens. Dieses zu heilen, galt ihm vor

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:57:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:57:16Z)

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_drache_1910/43>, abgerufen am 29.03.2024.