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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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in allen Wirthshäusern davon, aber sie schimpfen, weil's in Ludwigs¬
burg gewesen ist. Ich hätt's doch auch sehen mögen.

Ich nicht, sagte Christine. Es ist sündlich, das Geld so hinaus¬
zuschmeißen. Rechne nur auch einmal aus, wie lang arme Leut' davon
hätten leben können. Aber ich kann dir auch eine Neuigkeit sagen:
Denk' nur, dein Vater hat uns heut' eine Schüssel Mehl geschickt.

So, mein Vater? Es ist zwar nicht viel, aber es freut mich
doch an ihm. Hat er sie dir geschickt?

Nein, er hat eben sagen lassen, da schick' er's. Es ist mir um
der Meinigen willen lieb, denn du hast keinen Begriff davon, was ich
von ihnen schlucken muß. In deiner Gegenwart lassen sie's nicht so
heraus, aber du wirst doch auch selber schon gemerkt haben, was wir
ihnen werth sind. Besonders meine Mutter und mein Hannes, die
haben gemeint, sie werden Ehr' und Vortheil von uns ernten, und
statt dessen haben sie mich eben immer noch auf'm Hals. Meine
Mutter hat gleich zu brotzeln und zu backen angefangen, du weißt ja,
wie sie ist; sie hat gesagt, sie mach's für meinen Vater, aber der hat
nichts davon gessen und dann hat sie's für sich behalten und hat
denkt: selber essen macht fett.

Hab' noch die paar Tag' Geduld, sagte er. Jetzt kommt ja die
Resolution, und dann hat alles Jammern ein End! Dann werden wir
zusammen getraut, und das ist die Hauptsach', wenn's auch ohne
Kränzle und am Mittwoch geschieht. Der Mittwoch ist auch ein Tag.
Und wenn ich mein Mütterlichs hab' und Händ' und Füß' für meine
eigene Haushaltung regen kann, dann will ich dich schon wieder 'raus¬
füttern, dich und dein Kind.

Ja, sagte Christine, und unser Herrgott wird weiter sorgen.


23.

Tag um Tag verging, aber keiner brachte die ersehnte herzogliche
Resolution. Die Tage wurden zu Wochen und eine reihte sich an die
andre, ohne dem Harrenden das Versprechen zu erfüllen, das er sich
in Stuttgart mit fremdem Gelde erkauft hatte. Träg und eilig zu¬

in allen Wirthshäuſern davon, aber ſie ſchimpfen, weil's in Ludwigs¬
burg geweſen iſt. Ich hätt's doch auch ſehen mögen.

Ich nicht, ſagte Chriſtine. Es iſt ſündlich, das Geld ſo hinaus¬
zuſchmeißen. Rechne nur auch einmal aus, wie lang arme Leut' davon
hätten leben können. Aber ich kann dir auch eine Neuigkeit ſagen:
Denk' nur, dein Vater hat uns heut' eine Schüſſel Mehl geſchickt.

So, mein Vater? Es iſt zwar nicht viel, aber es freut mich
doch an ihm. Hat er ſie dir geſchickt?

Nein, er hat eben ſagen laſſen, da ſchick' er's. Es iſt mir um
der Meinigen willen lieb, denn du haſt keinen Begriff davon, was ich
von ihnen ſchlucken muß. In deiner Gegenwart laſſen ſie's nicht ſo
heraus, aber du wirſt doch auch ſelber ſchon gemerkt haben, was wir
ihnen werth ſind. Beſonders meine Mutter und mein Hannes, die
haben gemeint, ſie werden Ehr' und Vortheil von uns ernten, und
ſtatt deſſen haben ſie mich eben immer noch auf'm Hals. Meine
Mutter hat gleich zu brotzeln und zu backen angefangen, du weißt ja,
wie ſie iſt; ſie hat geſagt, ſie mach's für meinen Vater, aber der hat
nichts davon geſſen und dann hat ſie's für ſich behalten und hat
denkt: ſelber eſſen macht fett.

Hab' noch die paar Tag' Geduld, ſagte er. Jetzt kommt ja die
Reſolution, und dann hat alles Jammern ein End! Dann werden wir
zuſammen getraut, und das iſt die Hauptſach', wenn's auch ohne
Kränzle und am Mittwoch geſchieht. Der Mittwoch iſt auch ein Tag.
Und wenn ich mein Mütterlichs hab' und Händ' und Füß' für meine
eigene Haushaltung regen kann, dann will ich dich ſchon wieder 'raus¬
füttern, dich und dein Kind.

Ja, ſagte Chriſtine, und unſer Herrgott wird weiter ſorgen.


23.

Tag um Tag verging, aber keiner brachte die erſehnte herzogliche
Reſolution. Die Tage wurden zu Wochen und eine reihte ſich an die
andre, ohne dem Harrenden das Verſprechen zu erfüllen, das er ſich
in Stuttgart mit fremdem Gelde erkauft hatte. Träg und eilig zu¬

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[217/0233] in allen Wirthshäuſern davon, aber ſie ſchimpfen, weil's in Ludwigs¬ burg geweſen iſt. Ich hätt's doch auch ſehen mögen. Ich nicht, ſagte Chriſtine. Es iſt ſündlich, das Geld ſo hinaus¬ zuſchmeißen. Rechne nur auch einmal aus, wie lang arme Leut' davon hätten leben können. Aber ich kann dir auch eine Neuigkeit ſagen: Denk' nur, dein Vater hat uns heut' eine Schüſſel Mehl geſchickt. So, mein Vater? Es iſt zwar nicht viel, aber es freut mich doch an ihm. Hat er ſie dir geſchickt? Nein, er hat eben ſagen laſſen, da ſchick' er's. Es iſt mir um der Meinigen willen lieb, denn du haſt keinen Begriff davon, was ich von ihnen ſchlucken muß. In deiner Gegenwart laſſen ſie's nicht ſo heraus, aber du wirſt doch auch ſelber ſchon gemerkt haben, was wir ihnen werth ſind. Beſonders meine Mutter und mein Hannes, die haben gemeint, ſie werden Ehr' und Vortheil von uns ernten, und ſtatt deſſen haben ſie mich eben immer noch auf'm Hals. Meine Mutter hat gleich zu brotzeln und zu backen angefangen, du weißt ja, wie ſie iſt; ſie hat geſagt, ſie mach's für meinen Vater, aber der hat nichts davon geſſen und dann hat ſie's für ſich behalten und hat denkt: ſelber eſſen macht fett. Hab' noch die paar Tag' Geduld, ſagte er. Jetzt kommt ja die Reſolution, und dann hat alles Jammern ein End! Dann werden wir zuſammen getraut, und das iſt die Hauptſach', wenn's auch ohne Kränzle und am Mittwoch geſchieht. Der Mittwoch iſt auch ein Tag. Und wenn ich mein Mütterlichs hab' und Händ' und Füß' für meine eigene Haushaltung regen kann, dann will ich dich ſchon wieder 'raus¬ füttern, dich und dein Kind. Ja, ſagte Chriſtine, und unſer Herrgott wird weiter ſorgen. 23. Tag um Tag verging, aber keiner brachte die erſehnte herzogliche Reſolution. Die Tage wurden zu Wochen und eine reihte ſich an die andre, ohne dem Harrenden das Verſprechen zu erfüllen, das er ſich in Stuttgart mit fremdem Gelde erkauft hatte. Träg und eilig zu¬

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/233>, abgerufen am 29.03.2024.