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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Der Himmel weiß, womit die sonst so kluge Sonnenwirthin es bei
der gestrengen Frau verschüttet haben mochte.

Schon am nächsten Morgen ritt eine Staffette nach Göppingen
mit der Meldung des Amtmanns an den Vogt, daß Alles sich nach
Wunsch anlasse, und Mittags hatte der Amtmann vom Vogt die Wei¬
sung, er solle, da die alte Müllerin versprochen habe, den Bösewicht
in ihr Haus zu locken, genügsame Mannschaft mit Gewehr und Prü¬
geln dahin verstecken und denselben achtzehn Gulden, der Müllerin
aber, wenn der Fang mit ihrer Beihilfe gelungen sein werde, -- zwei
Gulden als Belohnung ausbezahlen.


30.

Gesegnete Mahlzeit bei einander! Das ist ja schön, daß man die
Ahne und die Kinder bei der Gottesgabe findet, die Leib und Seel'
zusammenhält.

Mit diesen Worten trat der Geächtete durch die Thüre ein, deren
Schwelle er so manchmal in Glück und Leid überschritten hatte. Was
speist man denn? fragte er heiter.

Rübelessupp' und Grundbirn'! antwortete der Knabe, der mit der
Großmutter und seinem kleinen Schwesterlein zu Tische saß und mit
seinem Löffel der gemeinsamen Schüssel wacker zusprach.

Will Er's nicht mithalten? fragte die Hirschbäuerin, ohne sich in
ihrer eifrigen Beschäftigung stören zu lassen.

Danke! was für Drei gekocht ist, ist nicht für Vier; man muß
keine Deichsel an die Suppenschüssel machen. Im Gegentheil bring'
ich hier ein paar Brätlein. Wenn Ihr's nicht essen wollt, so könnt
Ihr's unter der Hand zu Geld machen. Er hielt ihr ein paar
Hasen hin. Bei diesem Anblick legte sie schnell den Löffel auf den
Tisch, ergriff das Geschenk und trug es in eine Ecke der Stube,
wo sie einen leeren Korb darüber deckte.

Der Ankömmling setzte sich an den Tisch, holte einen hölzernen
Löffel aus der Schublade und fütterte das Kleine, das erwartungsvoll

Der Himmel weiß, womit die ſonſt ſo kluge Sonnenwirthin es bei
der geſtrengen Frau verſchüttet haben mochte.

Schon am nächſten Morgen ritt eine Staffette nach Göppingen
mit der Meldung des Amtmanns an den Vogt, daß Alles ſich nach
Wunſch anlaſſe, und Mittags hatte der Amtmann vom Vogt die Wei¬
ſung, er ſolle, da die alte Müllerin verſprochen habe, den Böſewicht
in ihr Haus zu locken, genügſame Mannſchaft mit Gewehr und Prü¬
geln dahin verſtecken und denſelben achtzehn Gulden, der Müllerin
aber, wenn der Fang mit ihrer Beihilfe gelungen ſein werde, — zwei
Gulden als Belohnung ausbezahlen.


30.

Geſegnete Mahlzeit bei einander! Das iſt ja ſchön, daß man die
Ahne und die Kinder bei der Gottesgabe findet, die Leib und Seel'
zuſammenhält.

Mit dieſen Worten trat der Geächtete durch die Thüre ein, deren
Schwelle er ſo manchmal in Glück und Leid überſchritten hatte. Was
ſpeiſt man denn? fragte er heiter.

Rübelesſupp' und Grundbirn'! antwortete der Knabe, der mit der
Großmutter und ſeinem kleinen Schweſterlein zu Tiſche ſaß und mit
ſeinem Löffel der gemeinſamen Schüſſel wacker zuſprach.

Will Er's nicht mithalten? fragte die Hirſchbäuerin, ohne ſich in
ihrer eifrigen Beſchäftigung ſtören zu laſſen.

Danke! was für Drei gekocht iſt, iſt nicht für Vier; man muß
keine Deichſel an die Suppenſchüſſel machen. Im Gegentheil bring'
ich hier ein paar Brätlein. Wenn Ihr's nicht eſſen wollt, ſo könnt
Ihr's unter der Hand zu Geld machen. Er hielt ihr ein paar
Haſen hin. Bei dieſem Anblick legte ſie ſchnell den Löffel auf den
Tiſch, ergriff das Geſchenk und trug es in eine Ecke der Stube,
wo ſie einen leeren Korb darüber deckte.

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Löffel aus der Schublade und fütterte das Kleine, das erwartungsvoll

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[333/0349] Der Himmel weiß, womit die ſonſt ſo kluge Sonnenwirthin es bei der geſtrengen Frau verſchüttet haben mochte. Schon am nächſten Morgen ritt eine Staffette nach Göppingen mit der Meldung des Amtmanns an den Vogt, daß Alles ſich nach Wunſch anlaſſe, und Mittags hatte der Amtmann vom Vogt die Wei¬ ſung, er ſolle, da die alte Müllerin verſprochen habe, den Böſewicht in ihr Haus zu locken, genügſame Mannſchaft mit Gewehr und Prü¬ geln dahin verſtecken und denſelben achtzehn Gulden, der Müllerin aber, wenn der Fang mit ihrer Beihilfe gelungen ſein werde, — zwei Gulden als Belohnung ausbezahlen. 30. Geſegnete Mahlzeit bei einander! Das iſt ja ſchön, daß man die Ahne und die Kinder bei der Gottesgabe findet, die Leib und Seel' zuſammenhält. Mit dieſen Worten trat der Geächtete durch die Thüre ein, deren Schwelle er ſo manchmal in Glück und Leid überſchritten hatte. Was ſpeiſt man denn? fragte er heiter. Rübelesſupp' und Grundbirn'! antwortete der Knabe, der mit der Großmutter und ſeinem kleinen Schweſterlein zu Tiſche ſaß und mit ſeinem Löffel der gemeinſamen Schüſſel wacker zuſprach. Will Er's nicht mithalten? fragte die Hirſchbäuerin, ohne ſich in ihrer eifrigen Beſchäftigung ſtören zu laſſen. Danke! was für Drei gekocht iſt, iſt nicht für Vier; man muß keine Deichſel an die Suppenſchüſſel machen. Im Gegentheil bring' ich hier ein paar Brätlein. Wenn Ihr's nicht eſſen wollt, ſo könnt Ihr's unter der Hand zu Geld machen. Er hielt ihr ein paar Haſen hin. Bei dieſem Anblick legte ſie ſchnell den Löffel auf den Tiſch, ergriff das Geſchenk und trug es in eine Ecke der Stube, wo ſie einen leeren Korb darüber deckte. Der Ankömmling ſetzte ſich an den Tiſch, holte einen hölzernen Löffel aus der Schublade und fütterte das Kleine, das erwartungsvoll

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/349>, abgerufen am 16.04.2024.