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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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34.

Schwan, kleb' an! sagte Bettelmelcher pfiffig lächelnd zu Christia¬
nus, als Jener mit der schwarzen Christine den Waldversteck verließ,
wo die sogenannte Gesellschaft lagerte. Die Bande hatte das Lager
im Walde unter dem Hohenstaufen nicht mehr sicher gefunden und
sich tiefer in die Wälder zurückgezogen.
Christianus nickte und lächelte ebenfalls.

Die Beiden gingen zusammen fort, während Jedes gegen das
Andre that, als ob es nur zufällig um diese Zeit und nach dieser
Richtung aufgebrochen wäre. Auch sprachen sie lange nichts mit ein¬
ander, bis endlich Friedrich, als es ihm schien, die Zigeunerin trachte
nach einem andern Wege abzubiegen, das Stillschweigen brach. Gelt,
sagte er, dich hat's erzürnt, daß ich deine Schwester brav zerpeitscht
habe?

Bewahre, antwortete sie lachend, daran hast du ganz Recht gethan.
Du mußt's ihr aber nicht nachtragen, daß sie dich bei der Vertheilung
betrogen hat. Weißt, zuerst hat sie dich ganz haben wollen, und nun
ihr dies mißglückt ist, hat sie sich auf andere Weise an dir schadlos
zu halten gesucht. Uebrigens thust du gut die Augen immer offen zu
haben, denn es ist nicht Alles Gold, was glänzt.

Du auch?

Ich glänze ja nicht, ich bin dunkel. Meine Schwester glänzt, aber
ich bin ihr nicht gram drum. Doch muß ich immer denken, daß sie
gut zu dir passen würde, denn du hast ein feines weißes Gesicht, wie sie.

Sehr verbunden! Aber sie kommt mir vor wie die liebe Sonne,
die offenbaret ihr Feuer bald und scheinet über Gerechte und Un¬
gerechte.

Sie lachte. Darin sind doch die deutschen Männer alle einander
gleich, sagte sie, daß sie von einem Weib verlangen, sie solle immer
zu Boden schauen, wie wenn sie nicht auch von Fleisch und Blut
wäre. Freie Augen wollen sie keinem Weib verstatten, die wollen sie
für sich allein behalten. Du Narr, ich kann auch frech sein, frecher

34.

Schwan, kleb' an! ſagte Bettelmelcher pfiffig lächelnd zu Chriſtia¬
nus, als Jener mit der ſchwarzen Chriſtine den Waldverſteck verließ,
wo die ſogenannte Geſellſchaft lagerte. Die Bande hatte das Lager
im Walde unter dem Hohenſtaufen nicht mehr ſicher gefunden und
ſich tiefer in die Wälder zurückgezogen.
Chriſtianus nickte und lächelte ebenfalls.

Die Beiden gingen zuſammen fort, während Jedes gegen das
Andre that, als ob es nur zufällig um dieſe Zeit und nach dieſer
Richtung aufgebrochen wäre. Auch ſprachen ſie lange nichts mit ein¬
ander, bis endlich Friedrich, als es ihm ſchien, die Zigeunerin trachte
nach einem andern Wege abzubiegen, das Stillſchweigen brach. Gelt,
ſagte er, dich hat's erzürnt, daß ich deine Schweſter brav zerpeitſcht
habe?

Bewahre, antwortete ſie lachend, daran haſt du ganz Recht gethan.
Du mußt's ihr aber nicht nachtragen, daß ſie dich bei der Vertheilung
betrogen hat. Weißt, zuerſt hat ſie dich ganz haben wollen, und nun
ihr dies mißglückt iſt, hat ſie ſich auf andere Weiſe an dir ſchadlos
zu halten geſucht. Uebrigens thuſt du gut die Augen immer offen zu
haben, denn es iſt nicht Alles Gold, was glänzt.

Du auch?

Ich glänze ja nicht, ich bin dunkel. Meine Schweſter glänzt, aber
ich bin ihr nicht gram drum. Doch muß ich immer denken, daß ſie
gut zu dir paſſen würde, denn du haſt ein feines weißes Geſicht, wie ſie.

Sehr verbunden! Aber ſie kommt mir vor wie die liebe Sonne,
die offenbaret ihr Feuer bald und ſcheinet über Gerechte und Un¬
gerechte.

Sie lachte. Darin ſind doch die deutſchen Männer alle einander
gleich, ſagte ſie, daß ſie von einem Weib verlangen, ſie ſolle immer
zu Boden ſchauen, wie wenn ſie nicht auch von Fleiſch und Blut
wäre. Freie Augen wollen ſie keinem Weib verſtatten, die wollen ſie
für ſich allein behalten. Du Narr, ich kann auch frech ſein, frecher

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[411/0427] 34. Schwan, kleb' an! ſagte Bettelmelcher pfiffig lächelnd zu Chriſtia¬ nus, als Jener mit der ſchwarzen Chriſtine den Waldverſteck verließ, wo die ſogenannte Geſellſchaft lagerte. Die Bande hatte das Lager im Walde unter dem Hohenſtaufen nicht mehr ſicher gefunden und ſich tiefer in die Wälder zurückgezogen. Chriſtianus nickte und lächelte ebenfalls. Die Beiden gingen zuſammen fort, während Jedes gegen das Andre that, als ob es nur zufällig um dieſe Zeit und nach dieſer Richtung aufgebrochen wäre. Auch ſprachen ſie lange nichts mit ein¬ ander, bis endlich Friedrich, als es ihm ſchien, die Zigeunerin trachte nach einem andern Wege abzubiegen, das Stillſchweigen brach. Gelt, ſagte er, dich hat's erzürnt, daß ich deine Schweſter brav zerpeitſcht habe? Bewahre, antwortete ſie lachend, daran haſt du ganz Recht gethan. Du mußt's ihr aber nicht nachtragen, daß ſie dich bei der Vertheilung betrogen hat. Weißt, zuerſt hat ſie dich ganz haben wollen, und nun ihr dies mißglückt iſt, hat ſie ſich auf andere Weiſe an dir ſchadlos zu halten geſucht. Uebrigens thuſt du gut die Augen immer offen zu haben, denn es iſt nicht Alles Gold, was glänzt. Du auch? Ich glänze ja nicht, ich bin dunkel. Meine Schweſter glänzt, aber ich bin ihr nicht gram drum. Doch muß ich immer denken, daß ſie gut zu dir paſſen würde, denn du haſt ein feines weißes Geſicht, wie ſie. Sehr verbunden! Aber ſie kommt mir vor wie die liebe Sonne, die offenbaret ihr Feuer bald und ſcheinet über Gerechte und Un¬ gerechte. Sie lachte. Darin ſind doch die deutſchen Männer alle einander gleich, ſagte ſie, daß ſie von einem Weib verlangen, ſie ſolle immer zu Boden ſchauen, wie wenn ſie nicht auch von Fleiſch und Blut wäre. Freie Augen wollen ſie keinem Weib verſtatten, die wollen ſie für ſich allein behalten. Du Narr, ich kann auch frech ſein, frecher

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/427>, abgerufen am 29.03.2024.