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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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seine Empfindungen gedrungen wäre.
Er hat die schwere Kunst gelernt, sein
Glück zu genießen, ohne irgend Jemand
durch ein außerordentliches Geräusche
mit seinem Glücke Schmerzen zu machen.
Das einfache obgleich edle Aussehen un-
serer Kleidung und unsers Hauses läßt
auch die ärmste Familie unserer Nachbar-
schaft mit Zuversicht und Freude zu uns
kommen. Von diesen Familien nimmt
Lady Seymour von Zeit zu Zeit ein Paar
Töchter zu sich, und flößt durch Beyspiel
und liebreiches Bezeugen die Liebe der
Tugend und schönen Kenntnisse in sie.
Der reizende Enthusiasmus von Wohl-
thätigkeit, die lebendige Empfindung des
Edlen und Guten beseelt jeden Athem-
zug meiner geliebten Schwester. Sie
begnügt sich nicht gut zu denken; alle
ihre Gesinnungen müssen Handlungen
werden. Gewiß ist niemals kein inniger
Gebet zum Himmel gegangen, als die
Danksagung war, welche ich die Lady
Seymour für die Empfindsamkeit ihres
Herzens, und für die Macht Gutes zu

thun

ſeine Empfindungen gedrungen waͤre.
Er hat die ſchwere Kunſt gelernt, ſein
Gluͤck zu genießen, ohne irgend Jemand
durch ein außerordentliches Geraͤuſche
mit ſeinem Gluͤcke Schmerzen zu machen.
Das einfache obgleich edle Ausſehen un-
ſerer Kleidung und unſers Hauſes laͤßt
auch die aͤrmſte Familie unſerer Nachbar-
ſchaft mit Zuverſicht und Freude zu uns
kommen. Von dieſen Familien nimmt
Lady Seymour von Zeit zu Zeit ein Paar
Toͤchter zu ſich, und floͤßt durch Beyſpiel
und liebreiches Bezeugen die Liebe der
Tugend und ſchoͤnen Kenntniſſe in ſie.
Der reizende Enthuſiasmus von Wohl-
thaͤtigkeit, die lebendige Empfindung des
Edlen und Guten beſeelt jeden Athem-
zug meiner geliebten Schweſter. Sie
begnuͤgt ſich nicht gut zu denken; alle
ihre Geſinnungen muͤſſen Handlungen
werden. Gewiß iſt niemals kein inniger
Gebet zum Himmel gegangen, als die
Dankſagung war, welche ich die Lady
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[301/0307] ſeine Empfindungen gedrungen waͤre. Er hat die ſchwere Kunſt gelernt, ſein Gluͤck zu genießen, ohne irgend Jemand durch ein außerordentliches Geraͤuſche mit ſeinem Gluͤcke Schmerzen zu machen. Das einfache obgleich edle Ausſehen un- ſerer Kleidung und unſers Hauſes laͤßt auch die aͤrmſte Familie unſerer Nachbar- ſchaft mit Zuverſicht und Freude zu uns kommen. Von dieſen Familien nimmt Lady Seymour von Zeit zu Zeit ein Paar Toͤchter zu ſich, und floͤßt durch Beyſpiel und liebreiches Bezeugen die Liebe der Tugend und ſchoͤnen Kenntniſſe in ſie. Der reizende Enthuſiasmus von Wohl- thaͤtigkeit, die lebendige Empfindung des Edlen und Guten beſeelt jeden Athem- zug meiner geliebten Schweſter. Sie begnuͤgt ſich nicht gut zu denken; alle ihre Geſinnungen muͤſſen Handlungen werden. Gewiß iſt niemals kein inniger Gebet zum Himmel gegangen, als die Dankſagung war, welche ich die Lady Seymour fuͤr die Empfindſamkeit ihres Herzens, und fuͤr die Macht Gutes zu thun

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/307>, abgerufen am 25.04.2024.