Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Kapitel.
Reiben den Blutzufluß wieder zuzuführen. Der Ballon
stieg rettungslos weiter, und zwar immer schneller,
je mehr er sich dem Zentrum näherte. Siebentausend --
achttausend -- neuntausend Meter zeigte das Baro-
meter im Verlauf einer Viertelstunde an. Die größte
Höhe, welche je von Menschen erreicht worden war,
wurde nun überschritten.

Unthätig saßen die Männer zusammengedrängt --
sie hatten den künstlichen Verschluß der Gondel her-
gestellt, da sie nichts mehr am Ballon ändern konnten.
Sie vermochten nichts zu thun, als sich gegen die
Kälte zu schützen. Kein Mittel der Rettung zeigte
sich -- ihre Thatkraft begann unter dem Einflusse der
vernichtenden Kälte zu erlahmen. Der Flug in die
Höhe war unhemmbar -- nichts mehr konnte sie retten
vor dem Erfrieren -- oder vor dem Ersticken. -- Was
würde geschehen? Es war ja gleichgiltig.

Und doch, immer wieder raffte sich der Eine oder
Andere mit Anstrengung aller Willenskräfte auf -- noch
ein Blick auf die Jnstrumente -- die Thermometer
waren längst eingefroren -- und -- kaum glaublich --
das Barometer zeigte einen Druck von nur noch
50 Millimeter, d. h. sie befanden sich zwanzig Kilo-
meter über der Erdoberfläche. Und jetzt -- schien es
nicht als käme der Ballon zu ihnen herab? Die ent-
leerte Seidenhülle senkte sich über die Gondel -- die
Gondel flog schneller als der Ballon -- wie aus einer
Kanone geschossen fuhr sie in die Seide des Ballons
hinein, die Jnsassen der Gondel waren verstrickt in
das Gewirr von Stoff und Seilen -- halb schon be-

Zweites Kapitel.
Reiben den Blutzufluß wieder zuzuführen. Der Ballon
ſtieg rettungslos weiter, und zwar immer ſchneller,
je mehr er ſich dem Zentrum näherte. Siebentauſend —
achttauſend — neuntauſend Meter zeigte das Baro-
meter im Verlauf einer Viertelſtunde an. Die größte
Höhe, welche je von Menſchen erreicht worden war,
wurde nun überſchritten.

Unthätig ſaßen die Männer zuſammengedrängt —
ſie hatten den künſtlichen Verſchluß der Gondel her-
geſtellt, da ſie nichts mehr am Ballon ändern konnten.
Sie vermochten nichts zu thun, als ſich gegen die
Kälte zu ſchützen. Kein Mittel der Rettung zeigte
ſich — ihre Thatkraft begann unter dem Einfluſſe der
vernichtenden Kälte zu erlahmen. Der Flug in die
Höhe war unhemmbar — nichts mehr konnte ſie retten
vor dem Erfrieren — oder vor dem Erſticken. — Was
würde geſchehen? Es war ja gleichgiltig.

Und doch, immer wieder raffte ſich der Eine oder
Andere mit Anſtrengung aller Willenskräfte auf — noch
ein Blick auf die Jnſtrumente — die Thermometer
waren längſt eingefroren — und — kaum glaublich —
das Barometer zeigte einen Druck von nur noch
50 Millimeter, d. h. ſie befanden ſich zwanzig Kilo-
meter über der Erdoberfläche. Und jetzt — ſchien es
nicht als käme der Ballon zu ihnen herab? Die ent-
leerte Seidenhülle ſenkte ſich über die Gondel — die
Gondel flog ſchneller als der Ballon — wie aus einer
Kanone geſchoſſen fuhr ſie in die Seide des Ballons
hinein, die Jnſaſſen der Gondel waren verſtrickt in
das Gewirr von Stoff und Seilen — halb ſchon be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0044" n="36"/><fw place="top" type="header">Zweites Kapitel.</fw><lb/>
Reiben den Blutzufluß wieder zuzuführen. Der Ballon<lb/>
&#x017F;tieg rettungslos weiter, und zwar immer &#x017F;chneller,<lb/>
je mehr er &#x017F;ich dem Zentrum näherte. Siebentau&#x017F;end &#x2014;<lb/>
achttau&#x017F;end &#x2014; neuntau&#x017F;end Meter zeigte das Baro-<lb/>
meter im Verlauf einer Viertel&#x017F;tunde an. Die größte<lb/>
Höhe, welche je von Men&#x017F;chen erreicht worden war,<lb/>
wurde nun über&#x017F;chritten.</p><lb/>
          <p>Unthätig &#x017F;aßen die Männer zu&#x017F;ammengedrängt &#x2014;<lb/>
&#x017F;ie hatten den kün&#x017F;tlichen Ver&#x017F;chluß der Gondel her-<lb/>
ge&#x017F;tellt, da &#x017F;ie nichts mehr am Ballon ändern konnten.<lb/>
Sie vermochten nichts zu thun, als &#x017F;ich gegen die<lb/>
Kälte zu &#x017F;chützen. Kein Mittel der Rettung zeigte<lb/>
&#x017F;ich &#x2014; ihre Thatkraft begann unter dem Einflu&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
vernichtenden Kälte zu erlahmen. Der Flug in die<lb/>
Höhe war unhemmbar &#x2014; nichts mehr konnte &#x017F;ie retten<lb/>
vor dem Erfrieren &#x2014; oder vor dem Er&#x017F;ticken. &#x2014; Was<lb/>
würde ge&#x017F;chehen? Es war ja gleichgiltig.</p><lb/>
          <p>Und doch, immer wieder raffte &#x017F;ich der Eine oder<lb/>
Andere mit An&#x017F;trengung aller Willenskräfte auf &#x2014; noch<lb/>
ein Blick auf die Jn&#x017F;trumente &#x2014; die Thermometer<lb/>
waren läng&#x017F;t eingefroren &#x2014; und &#x2014; kaum glaublich &#x2014;<lb/>
das Barometer zeigte einen Druck von nur noch<lb/>
50 Millimeter, d. h. &#x017F;ie befanden &#x017F;ich zwanzig Kilo-<lb/>
meter über der Erdoberfläche. Und jetzt &#x2014; &#x017F;chien es<lb/>
nicht als käme der Ballon zu ihnen herab? Die ent-<lb/>
leerte Seidenhülle &#x017F;enkte &#x017F;ich über die Gondel &#x2014; die<lb/>
Gondel flog &#x017F;chneller als der Ballon &#x2014; wie aus einer<lb/>
Kanone ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en fuhr &#x017F;ie in die Seide des Ballons<lb/>
hinein, die Jn&#x017F;a&#x017F;&#x017F;en der Gondel waren ver&#x017F;trickt in<lb/>
das Gewirr von Stoff und Seilen &#x2014; halb &#x017F;chon be-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0044] Zweites Kapitel. Reiben den Blutzufluß wieder zuzuführen. Der Ballon ſtieg rettungslos weiter, und zwar immer ſchneller, je mehr er ſich dem Zentrum näherte. Siebentauſend — achttauſend — neuntauſend Meter zeigte das Baro- meter im Verlauf einer Viertelſtunde an. Die größte Höhe, welche je von Menſchen erreicht worden war, wurde nun überſchritten. Unthätig ſaßen die Männer zuſammengedrängt — ſie hatten den künſtlichen Verſchluß der Gondel her- geſtellt, da ſie nichts mehr am Ballon ändern konnten. Sie vermochten nichts zu thun, als ſich gegen die Kälte zu ſchützen. Kein Mittel der Rettung zeigte ſich — ihre Thatkraft begann unter dem Einfluſſe der vernichtenden Kälte zu erlahmen. Der Flug in die Höhe war unhemmbar — nichts mehr konnte ſie retten vor dem Erfrieren — oder vor dem Erſticken. — Was würde geſchehen? Es war ja gleichgiltig. Und doch, immer wieder raffte ſich der Eine oder Andere mit Anſtrengung aller Willenskräfte auf — noch ein Blick auf die Jnſtrumente — die Thermometer waren längſt eingefroren — und — kaum glaublich — das Barometer zeigte einen Druck von nur noch 50 Millimeter, d. h. ſie befanden ſich zwanzig Kilo- meter über der Erdoberfläche. Und jetzt — ſchien es nicht als käme der Ballon zu ihnen herab? Die ent- leerte Seidenhülle ſenkte ſich über die Gondel — die Gondel flog ſchneller als der Ballon — wie aus einer Kanone geſchoſſen fuhr ſie in die Seide des Ballons hinein, die Jnſaſſen der Gondel waren verſtrickt in das Gewirr von Stoff und Seilen — halb ſchon be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/44
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/44>, abgerufen am 29.03.2024.