Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Aus dem Tagebuche einer Ameise.
Kinder -- Staatskinder kennen sie nicht. Welch niedriger
Standpunkt!

Arbeitersonne 15.

Jch bin ganz erstaunt und betroffen! Was hat doch
unser Geist schon entdeckt! Die Menschen können sich
wirklich gegenseitig Mitteilungen machen. Eine Sprache
im eigentlichen Sinne haben sie freilich wohl nicht, sie
müßte denn auf so langsamen Schwingungen beruhen,
daß unser feineres Organ sie nicht aufzufassen vermag.
Jhre Sinne müssen überhaupt sehr grob gestaltet sein.
Ssrr hat z. B. nachgewiesen, daß der Mensch in der
Nacht absolut nicht sehen und seine Umgebung nicht
unterscheiden kann. Es kommt vor, daß Menschen, die
in der Nacht nach Hause kommen, den Eingang zu
ihrem Stock nicht finden.

Puppensonne 1.

Es wird wirklich eine Expedition zur Erforschung
der Menschen ausgerüstet, aber man ist davon abge-
kommen sie ins Gehirn zu schicken, sie soll sich vielmehr
mit der Entdeckung der menschlichen Sprache beschäftigen.
Man hat nämlich folgende höchst interessante Beobachtung
gemacht. Wenn ein Mensch für einen andern eine Mit-
teilung hinterlassen will, so überträgt er nicht, wie wir,
seinen Gedankenprozeß durch Fühlerschwingungen chemi-
graphisch auf den lebendigen Organismus eines Keulen-
käferchens, welches denselben jederzeit reproduzieren kann,
sondern er verändert mit Hilfe eines Saftes die Ober-
fläche einer hellen, blattartigen Substanz an ganz be-
stimmten Stellen, so daß darauf mehr oder weniger

Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
Kinder — Staatskinder kennen ſie nicht. Welch niedriger
Standpunkt!

Arbeiterſonne 15.

Jch bin ganz erſtaunt und betroffen! Was hat doch
unſer Geiſt ſchon entdeckt! Die Menſchen können ſich
wirklich gegenſeitig Mitteilungen machen. Eine Sprache
im eigentlichen Sinne haben ſie freilich wohl nicht, ſie
müßte denn auf ſo langſamen Schwingungen beruhen,
daß unſer feineres Organ ſie nicht aufzufaſſen vermag.
Jhre Sinne müſſen überhaupt ſehr grob geſtaltet ſein.
Sſrr hat z. B. nachgewieſen, daß der Menſch in der
Nacht abſolut nicht ſehen und ſeine Umgebung nicht
unterſcheiden kann. Es kommt vor, daß Menſchen, die
in der Nacht nach Hauſe kommen, den Eingang zu
ihrem Stock nicht finden.

Puppenſonne 1.

Es wird wirklich eine Expedition zur Erforſchung
der Menſchen ausgerüſtet, aber man iſt davon abge-
kommen ſie ins Gehirn zu ſchicken, ſie ſoll ſich vielmehr
mit der Entdeckung der menſchlichen Sprache beſchäftigen.
Man hat nämlich folgende höchſt intereſſante Beobachtung
gemacht. Wenn ein Menſch für einen andern eine Mit-
teilung hinterlaſſen will, ſo überträgt er nicht, wie wir,
ſeinen Gedankenprozeß durch Fühlerſchwingungen chemi-
graphiſch auf den lebendigen Organismus eines Keulen-
käferchens, welches denſelben jederzeit reproduzieren kann,
ſondern er verändert mit Hilfe eines Saftes die Ober-
fläche einer hellen, blattartigen Subſtanz an ganz be-
ſtimmten Stellen, ſo daß darauf mehr oder weniger

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0090" n="84"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Aus dem Tagebuche einer Amei&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
Kinder &#x2014; Staatskinder kennen &#x017F;ie nicht. Welch niedriger<lb/>
Standpunkt!</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Arbeiter&#x017F;onne 15.</head><lb/>
            <p>Jch bin ganz er&#x017F;taunt und betroffen! Was hat doch<lb/>
un&#x017F;er Gei&#x017F;t &#x017F;chon entdeckt! Die Men&#x017F;chen können &#x017F;ich<lb/>
wirklich gegen&#x017F;eitig Mitteilungen machen. Eine Sprache<lb/>
im eigentlichen Sinne haben &#x017F;ie freilich wohl nicht, &#x017F;ie<lb/>
müßte denn auf &#x017F;o lang&#x017F;amen Schwingungen beruhen,<lb/>
daß un&#x017F;er feineres Organ &#x017F;ie nicht aufzufa&#x017F;&#x017F;en vermag.<lb/>
Jhre Sinne mü&#x017F;&#x017F;en überhaupt &#x017F;ehr grob ge&#x017F;taltet &#x017F;ein.<lb/>
S&#x017F;rr hat z. B. nachgewie&#x017F;en, daß der Men&#x017F;ch in der<lb/>
Nacht ab&#x017F;olut nicht &#x017F;ehen und &#x017F;eine Umgebung nicht<lb/>
unter&#x017F;cheiden kann. Es kommt vor, daß Men&#x017F;chen, die<lb/>
in der Nacht nach Hau&#x017F;e kommen, den Eingang zu<lb/>
ihrem Stock nicht finden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Puppen&#x017F;onne 1.</head><lb/>
            <p>Es wird wirklich eine Expedition zur Erfor&#x017F;chung<lb/>
der Men&#x017F;chen ausgerü&#x017F;tet, aber man i&#x017F;t davon abge-<lb/>
kommen &#x017F;ie ins Gehirn zu &#x017F;chicken, &#x017F;ie &#x017F;oll &#x017F;ich vielmehr<lb/>
mit der Entdeckung der men&#x017F;chlichen Sprache be&#x017F;chäftigen.<lb/>
Man hat nämlich folgende höch&#x017F;t intere&#x017F;&#x017F;ante Beobachtung<lb/>
gemacht. Wenn ein Men&#x017F;ch für einen andern eine Mit-<lb/>
teilung hinterla&#x017F;&#x017F;en will, &#x017F;o überträgt er nicht, wie wir,<lb/>
&#x017F;einen Gedankenprozeß durch Fühler&#x017F;chwingungen chemi-<lb/>
graphi&#x017F;ch auf den lebendigen Organismus eines Keulen-<lb/>
käferchens, welches den&#x017F;elben jederzeit reproduzieren kann,<lb/>
&#x017F;ondern er verändert mit Hilfe eines Saftes die Ober-<lb/>
fläche einer hellen, blattartigen Sub&#x017F;tanz an ganz be-<lb/>
&#x017F;timmten Stellen, &#x017F;o daß darauf mehr oder weniger<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0090] Aus dem Tagebuche einer Ameiſe. Kinder — Staatskinder kennen ſie nicht. Welch niedriger Standpunkt! Arbeiterſonne 15. Jch bin ganz erſtaunt und betroffen! Was hat doch unſer Geiſt ſchon entdeckt! Die Menſchen können ſich wirklich gegenſeitig Mitteilungen machen. Eine Sprache im eigentlichen Sinne haben ſie freilich wohl nicht, ſie müßte denn auf ſo langſamen Schwingungen beruhen, daß unſer feineres Organ ſie nicht aufzufaſſen vermag. Jhre Sinne müſſen überhaupt ſehr grob geſtaltet ſein. Sſrr hat z. B. nachgewieſen, daß der Menſch in der Nacht abſolut nicht ſehen und ſeine Umgebung nicht unterſcheiden kann. Es kommt vor, daß Menſchen, die in der Nacht nach Hauſe kommen, den Eingang zu ihrem Stock nicht finden. Puppenſonne 1. Es wird wirklich eine Expedition zur Erforſchung der Menſchen ausgerüſtet, aber man iſt davon abge- kommen ſie ins Gehirn zu ſchicken, ſie ſoll ſich vielmehr mit der Entdeckung der menſchlichen Sprache beſchäftigen. Man hat nämlich folgende höchſt intereſſante Beobachtung gemacht. Wenn ein Menſch für einen andern eine Mit- teilung hinterlaſſen will, ſo überträgt er nicht, wie wir, ſeinen Gedankenprozeß durch Fühlerſchwingungen chemi- graphiſch auf den lebendigen Organismus eines Keulen- käferchens, welches denſelben jederzeit reproduzieren kann, ſondern er verändert mit Hilfe eines Saftes die Ober- fläche einer hellen, blattartigen Subſtanz an ganz be- ſtimmten Stellen, ſo daß darauf mehr oder weniger

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/90
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/90>, abgerufen am 29.03.2024.