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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

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Julia an Camilla.

Nur drei Zeilen, meine Liebste. Hoffentlich bin
ich in nächster Woche bei Ihnen -- mein Papa muß
schleunigst nach Paris, dort soll es sehr unruhig her¬
gehen; ich soll beim Grafen aufgehoben werden. Ich
freue mich kindisch auf Grünschloß, auf meine liebens¬
würdige Camilla, meine duftende Blume Alberta und
Eure bunte Gesellschaft. Ich sehne mich ordentlich nach
Poeten, Berlin ist sehr trocken und der Herr Constan¬
tin war eine auffallende, interessante Erscheinung in
unserm Salon. Die Leute wußten nichts Rechtes über
ihu, das machte ihn mystisch, er sprach so abgebrochen,
aber so bunt originell, das machte ihn piquant. Und
dabei hat er ein vornehmes, sehr einnehmendes Aeußere.
Ich weiß nicht, ob das gestört oder erhöht wird durch
einen wegwerfenden Zug von Frivoliät, Leichtsinn, der
oft wie Verachtung aussieht und über das ganze Ge¬
sicht streift. Er verzieht einen fein geschnittnen Mund
zu einem nicht recht heimlichen Lächeln, und drückt die
Mundwinkel nach unten. Die großen hellblauen Au¬
gen sind etwas unstät, das lichtbraune Haar ist aus

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Julia an Camilla.

Nur drei Zeilen, meine Liebſte. Hoffentlich bin
ich in nächſter Woche bei Ihnen — mein Papa muß
ſchleunigſt nach Paris, dort ſoll es ſehr unruhig her¬
gehen; ich ſoll beim Grafen aufgehoben werden. Ich
freue mich kindiſch auf Grünſchloß, auf meine liebens¬
würdige Camilla, meine duftende Blume Alberta und
Eure bunte Geſellſchaft. Ich ſehne mich ordentlich nach
Poeten, Berlin iſt ſehr trocken und der Herr Conſtan¬
tin war eine auffallende, intereſſante Erſcheinung in
unſerm Salon. Die Leute wußten nichts Rechtes über
ihu, das machte ihn myſtiſch, er ſprach ſo abgebrochen,
aber ſo bunt originell, das machte ihn piquant. Und
dabei hat er ein vornehmes, ſehr einnehmendes Aeußere.
Ich weiß nicht, ob das geſtört oder erhöht wird durch
einen wegwerfenden Zug von Frivoliät, Leichtſinn, der
oft wie Verachtung ausſieht und über das ganze Ge¬
ſicht ſtreift. Er verzieht einen fein geſchnittnen Mund
zu einem nicht recht heimlichen Lächeln, und drückt die
Mundwinkel nach unten. Die großen hellblauen Au¬
gen ſind etwas unſtät, das lichtbraune Haar iſt aus

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[169/0179] 16. Julia an Camilla. Nur drei Zeilen, meine Liebſte. Hoffentlich bin ich in nächſter Woche bei Ihnen — mein Papa muß ſchleunigſt nach Paris, dort ſoll es ſehr unruhig her¬ gehen; ich ſoll beim Grafen aufgehoben werden. Ich freue mich kindiſch auf Grünſchloß, auf meine liebens¬ würdige Camilla, meine duftende Blume Alberta und Eure bunte Geſellſchaft. Ich ſehne mich ordentlich nach Poeten, Berlin iſt ſehr trocken und der Herr Conſtan¬ tin war eine auffallende, intereſſante Erſcheinung in unſerm Salon. Die Leute wußten nichts Rechtes über ihu, das machte ihn myſtiſch, er ſprach ſo abgebrochen, aber ſo bunt originell, das machte ihn piquant. Und dabei hat er ein vornehmes, ſehr einnehmendes Aeußere. Ich weiß nicht, ob das geſtört oder erhöht wird durch einen wegwerfenden Zug von Frivoliät, Leichtſinn, der oft wie Verachtung ausſieht und über das ganze Ge¬ ſicht ſtreift. Er verzieht einen fein geſchnittnen Mund zu einem nicht recht heimlichen Lächeln, und drückt die Mundwinkel nach unten. Die großen hellblauen Au¬ gen ſind etwas unſtät, das lichtbraune Haar iſt aus 8

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/179>, abgerufen am 28.03.2024.