Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

Ganze Reihen Häuser waren weggebrannt, und
gerade die allerschönsten. Kirchen, Klöster und
alle Gebäude der ehemaligen großen Herren, wa-
ren ruinirt. Auch hatten die Hospitäler während
der Belagerung großen Schaden erlitten. Als ich
an die Guillotine kam, floß das Blut derer, welche
wenig Stunden vorher waren geköpft worden, noch
auf dem Platze. Dieser Anblick machte mich schau-
dern. Ich trat in eine nahe Schenke, zu einem
Haufen Ohnehosen, und sagte: Es würde doch
hübsch seyn, das Menschenblut dort wegzuschaffen.
Warum? antwortete einer: das ist aristokratisches
Rebellen-Blut, das müssen die Hunde auflecken.
Hast du heute guillotiniren sehen? -- Nein! --
Nun gut: Morgen spielt man das nämliche Spiel:
dann kannst du zuschauen. --

Die Leute sprachen vom Kopfabschlagen, wie
wenn sie von Nußklopfen gesprochen hätten: Alles,
was aristokratisch ist, muß sterben, war allemal
der Refrän. Man ging bey der Untersuchung auch
nicht immer sehr genau zu Werke, und es war
schon hinlänglich, von Adel oder Priester gewesen
zu seyn, um den Kopf zu verlieren, wenn man
auch sonst nichts begangen hatte. La noblesse, la
pretrise ce sont des crimes,
hieß es; und das Urtheil
war fertig.


Ganze Reihen Haͤuſer waren weggebrannt, und
gerade die allerſchoͤnſten. Kirchen, Kloͤſter und
alle Gebaͤude der ehemaligen großen Herren, wa-
ren ruinirt. Auch hatten die Hoſpitaͤler waͤhrend
der Belagerung großen Schaden erlitten. Als ich
an die Guillotine kam, floß das Blut derer, welche
wenig Stunden vorher waren gekoͤpft worden, noch
auf dem Platze. Dieſer Anblick machte mich ſchau-
dern. Ich trat in eine nahe Schenke, zu einem
Haufen Ohnehoſen, und ſagte: Es wuͤrde doch
huͤbſch ſeyn, das Menſchenblut dort wegzuſchaffen.
Warum? antwortete einer: das iſt ariſtokratiſches
Rebellen-Blut, das muͤſſen die Hunde auflecken.
Haſt du heute guillotiniren ſehen? — Nein! —
Nun gut: Morgen ſpielt man das naͤmliche Spiel:
dann kannſt du zuſchauen. —

Die Leute ſprachen vom Kopfabſchlagen, wie
wenn ſie von Nußklopfen geſprochen haͤtten: Alles,
was ariſtokratiſch iſt, muß ſterben, war allemal
der Refraͤn. Man ging bey der Unterſuchung auch
nicht immer ſehr genau zu Werke, und es war
ſchon hinlaͤnglich, von Adel oder Prieſter geweſen
zu ſeyn, um den Kopf zu verlieren, wenn man
auch ſonſt nichts begangen hatte. La nobleſſe, la
prêtriſe ce ſont des crimes,
hieß es; und das Urtheil
war fertig.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0360" n="356"/>
Ganze Reihen Ha&#x0364;u&#x017F;er waren weggebrannt, und<lb/>
gerade die aller&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten. Kirchen, Klo&#x0364;&#x017F;ter und<lb/>
alle Geba&#x0364;ude der ehemaligen großen Herren, wa-<lb/>
ren ruinirt. Auch hatten die Ho&#x017F;pita&#x0364;ler wa&#x0364;hrend<lb/>
der Belagerung großen Schaden erlitten. Als ich<lb/>
an die Guillotine kam, floß das Blut derer, welche<lb/>
wenig Stunden vorher waren geko&#x0364;pft worden, noch<lb/>
auf dem Platze. Die&#x017F;er Anblick machte mich &#x017F;chau-<lb/>
dern. Ich trat in eine nahe Schenke, zu einem<lb/>
Haufen Ohneho&#x017F;en, und &#x017F;agte: Es wu&#x0364;rde doch<lb/>
hu&#x0364;b&#x017F;ch &#x017F;eyn, das Men&#x017F;chenblut dort wegzu&#x017F;chaffen.<lb/>
Warum? antwortete einer: das i&#x017F;t ari&#x017F;tokrati&#x017F;ches<lb/>
Rebellen-Blut, das mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die Hunde auflecken.<lb/>
Ha&#x017F;t du heute guillotiniren &#x017F;ehen? &#x2014; Nein! &#x2014;<lb/>
Nun gut: Morgen &#x017F;pielt man das na&#x0364;mliche Spiel:<lb/>
dann kann&#x017F;t du zu&#x017F;chauen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Die Leute &#x017F;prachen vom Kopfab&#x017F;chlagen, wie<lb/>
wenn &#x017F;ie von Nußklopfen ge&#x017F;prochen ha&#x0364;tten: Alles,<lb/>
was ari&#x017F;tokrati&#x017F;ch i&#x017F;t, muß &#x017F;terben, war allemal<lb/>
der Refra&#x0364;n. Man ging bey der Unter&#x017F;uchung auch<lb/>
nicht immer &#x017F;ehr genau zu Werke, und es war<lb/>
&#x017F;chon hinla&#x0364;nglich, von Adel oder Prie&#x017F;ter gewe&#x017F;en<lb/>
zu &#x017F;eyn, um den Kopf zu verlieren, wenn man<lb/>
auch &#x017F;on&#x017F;t nichts begangen hatte. <hi rendition="#aq">La noble&#x017F;&#x017F;e, la<lb/>
prêtri&#x017F;e ce &#x017F;ont des crimes,</hi> hieß es; und das Urtheil<lb/>
war fertig.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[356/0360] Ganze Reihen Haͤuſer waren weggebrannt, und gerade die allerſchoͤnſten. Kirchen, Kloͤſter und alle Gebaͤude der ehemaligen großen Herren, wa- ren ruinirt. Auch hatten die Hoſpitaͤler waͤhrend der Belagerung großen Schaden erlitten. Als ich an die Guillotine kam, floß das Blut derer, welche wenig Stunden vorher waren gekoͤpft worden, noch auf dem Platze. Dieſer Anblick machte mich ſchau- dern. Ich trat in eine nahe Schenke, zu einem Haufen Ohnehoſen, und ſagte: Es wuͤrde doch huͤbſch ſeyn, das Menſchenblut dort wegzuſchaffen. Warum? antwortete einer: das iſt ariſtokratiſches Rebellen-Blut, das muͤſſen die Hunde auflecken. Haſt du heute guillotiniren ſehen? — Nein! — Nun gut: Morgen ſpielt man das naͤmliche Spiel: dann kannſt du zuſchauen. — Die Leute ſprachen vom Kopfabſchlagen, wie wenn ſie von Nußklopfen geſprochen haͤtten: Alles, was ariſtokratiſch iſt, muß ſterben, war allemal der Refraͤn. Man ging bey der Unterſuchung auch nicht immer ſehr genau zu Werke, und es war ſchon hinlaͤnglich, von Adel oder Prieſter geweſen zu ſeyn, um den Kopf zu verlieren, wenn man auch ſonſt nichts begangen hatte. La nobleſſe, la prêtriſe ce ſont des crimes, hieß es; und das Urtheil war fertig.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/360
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/360>, abgerufen am 25.04.2024.