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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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alles wußte ich recht gut aus der Geschichte, und
erinnerte mich an alle Gräuel der päpstlichen Herr-
schaft um so lebhafter, da ich mich an eben dem
Orte befand, wo ehedem ein großer Theil dieser
Gräuel verübt war.

Der päpstliche Pallast steht auf einem Berge,
und sieht, wie Hr. Fisch richtig bemerkt, einem
Zwingherrensitz aus den Zeiten des Faustrechts
ähnlicher, als einer Wohnung des Oberpriesters der
Friedensreligion. Es ist ein solides mit hohen
Thürmen versehenes altes Gebäude. Ehedem be-
wohnte es der päpstliche Legat, doch stand der größte
Theil der Zimmer leer. Bey der Revolution hat
das Feuer in diesen heiligen Mauern vieles beschä-
diget; und als ich sie besah, waren sie der Aufent-
halt des lüderlichsten Gesindels, welches der Märe
von Avignon aus der Stadt in die päpstliche Burg
verwiesen hatte. Die schamlosesten Huren aus der
ganzen Gegend trieben also da ungescheut ihr schmu-
tziges Gewerbe, wo ehedem der Statthalter Christi
gewohnt hatte! Ein seltsamer Wechsel der mensch-
lichen Dinge!

Der Pallast des Erzbischofs ist durch den Brand
ebenfalls sehr beschädiget, und die Kathedralkirche
stark verwüstet worden. Keine Seele bewohnte da-
mals den erzbischöflichen Pallast, als lustiges Ge-
sindel, welches sonst nirgends unterkommen konnte.


alles wußte ich recht gut aus der Geſchichte, und
erinnerte mich an alle Graͤuel der paͤpſtlichen Herr-
ſchaft um ſo lebhafter, da ich mich an eben dem
Orte befand, wo ehedem ein großer Theil dieſer
Graͤuel veruͤbt war.

Der paͤpſtliche Pallaſt ſteht auf einem Berge,
und ſieht, wie Hr. Fiſch richtig bemerkt, einem
Zwingherrenſitz aus den Zeiten des Fauſtrechts
aͤhnlicher, als einer Wohnung des Oberprieſters der
Friedensreligion. Es iſt ein ſolides mit hohen
Thuͤrmen verſehenes altes Gebaͤude. Ehedem be-
wohnte es der paͤpſtliche Legat, doch ſtand der groͤßte
Theil der Zimmer leer. Bey der Revolution hat
das Feuer in dieſen heiligen Mauern vieles beſchaͤ-
diget; und als ich ſie beſah, waren ſie der Aufent-
halt des luͤderlichſten Geſindels, welches der Maͤre
von Avignon aus der Stadt in die paͤpſtliche Burg
verwieſen hatte. Die ſchamloſeſten Huren aus der
ganzen Gegend trieben alſo da ungeſcheut ihr ſchmu-
tziges Gewerbe, wo ehedem der Statthalter Chriſti
gewohnt hatte! Ein ſeltſamer Wechſel der menſch-
lichen Dinge!

Der Pallaſt des Erzbiſchofs iſt durch den Brand
ebenfalls ſehr beſchaͤdiget, und die Kathedralkirche
ſtark verwuͤſtet worden. Keine Seele bewohnte da-
mals den erzbiſchoͤflichen Pallaſt, als luſtiges Ge-
ſindel, welches ſonſt nirgends unterkommen konnte.


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[396/0400] alles wußte ich recht gut aus der Geſchichte, und erinnerte mich an alle Graͤuel der paͤpſtlichen Herr- ſchaft um ſo lebhafter, da ich mich an eben dem Orte befand, wo ehedem ein großer Theil dieſer Graͤuel veruͤbt war. Der paͤpſtliche Pallaſt ſteht auf einem Berge, und ſieht, wie Hr. Fiſch richtig bemerkt, einem Zwingherrenſitz aus den Zeiten des Fauſtrechts aͤhnlicher, als einer Wohnung des Oberprieſters der Friedensreligion. Es iſt ein ſolides mit hohen Thuͤrmen verſehenes altes Gebaͤude. Ehedem be- wohnte es der paͤpſtliche Legat, doch ſtand der groͤßte Theil der Zimmer leer. Bey der Revolution hat das Feuer in dieſen heiligen Mauern vieles beſchaͤ- diget; und als ich ſie beſah, waren ſie der Aufent- halt des luͤderlichſten Geſindels, welches der Maͤre von Avignon aus der Stadt in die paͤpſtliche Burg verwieſen hatte. Die ſchamloſeſten Huren aus der ganzen Gegend trieben alſo da ungeſcheut ihr ſchmu- tziges Gewerbe, wo ehedem der Statthalter Chriſti gewohnt hatte! Ein ſeltſamer Wechſel der menſch- lichen Dinge! Der Pallaſt des Erzbiſchofs iſt durch den Brand ebenfalls ſehr beſchaͤdiget, und die Kathedralkirche ſtark verwuͤſtet worden. Keine Seele bewohnte da- mals den erzbiſchoͤflichen Pallaſt, als luſtiges Ge- ſindel, welches ſonſt nirgends unterkommen konnte.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/400>, abgerufen am 28.03.2024.