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Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].

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Kolonnen rückten nun heran,
Der Auftrag war erfüllt, gethan.
Der Lieutenant sammelte den Zug,
Und als er durch die Säbel frug,
Ob Keiner fortblieb, Keiner fehle,
Da schnürt es ihm die junge Kehle.
Denn der Trompeterschimmel bäumte,
Den Sattel frei, und schnob und schäumte.
Wir fanden seinen Reiter bald
An Brombeersträuchen, tot, im Wald.
Ein blaurot Fleckchen zeigte nur
Den Schuß ins Herz, der Kugel Spur.
Bei meinem Freund zum ersten Mal
Sah ich die Scherbe niederschnippen,
Und Thränen fielen ohne Zahl
Dem Toten auf die bleichen Lippen.
O schäm' dich nicht, wenn dies du liest,
Daß dir so leicht die Thräne fließt.
Im Sterben trägst du noch die Scherbe,
Ich sei, stirbst früher du, der Erbe,
Dann denk' ich an den treusten Freund,
Den je die Sonne hat gebräunt.
In der Mittagstunde.

Zwischen zwölf und ein Uhr stand die Schlacht. Auf
einem Hügel, neben einem einsamen, brennenden Hause, aus
dem die Bewohner geflohen, hielt der Oberbefehlshaber, die
Hände kreuzweise übereinander auf dem Sattelknopf haltend,
regungslos seit einer halben Stunde.

Der Stab stand gedeckt hinter dem Hause. Von allen
Seiten, in rascher Aufeinanderfolge, kamen und ritten ab

10*
Kolonnen rückten nun heran,
Der Auftrag war erfüllt, gethan.
Der Lieutenant ſammelte den Zug,
Und als er durch die Säbel frug,
Ob Keiner fortblieb, Keiner fehle,
Da ſchnürt es ihm die junge Kehle.
Denn der Trompeterſchimmel bäumte,
Den Sattel frei, und ſchnob und ſchäumte.
Wir fanden ſeinen Reiter bald
An Brombeerſträuchen, tot, im Wald.
Ein blaurot Fleckchen zeigte nur
Den Schuß ins Herz, der Kugel Spur.
Bei meinem Freund zum erſten Mal
Sah ich die Scherbe niederſchnippen,
Und Thränen fielen ohne Zahl
Dem Toten auf die bleichen Lippen.
O ſchäm’ dich nicht, wenn dies du lieſt,
Daß dir ſo leicht die Thräne fließt.
Im Sterben trägſt du noch die Scherbe,
Ich ſei, ſtirbſt früher du, der Erbe,
Dann denk’ ich an den treuſten Freund,
Den je die Sonne hat gebräunt.
In der Mittagſtunde.

Zwiſchen zwölf und ein Uhr ſtand die Schlacht. Auf
einem Hügel, neben einem einſamen, brennenden Hauſe, aus
dem die Bewohner geflohen, hielt der Oberbefehlshaber, die
Hände kreuzweiſe übereinander auf dem Sattelknopf haltend,
regungslos ſeit einer halben Stunde.

Der Stab ſtand gedeckt hinter dem Hauſe. Von allen
Seiten, in raſcher Aufeinanderfolge, kamen und ritten ab

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[147/0155] Kolonnen rückten nun heran, Der Auftrag war erfüllt, gethan. Der Lieutenant ſammelte den Zug, Und als er durch die Säbel frug, Ob Keiner fortblieb, Keiner fehle, Da ſchnürt es ihm die junge Kehle. Denn der Trompeterſchimmel bäumte, Den Sattel frei, und ſchnob und ſchäumte. Wir fanden ſeinen Reiter bald An Brombeerſträuchen, tot, im Wald. Ein blaurot Fleckchen zeigte nur Den Schuß ins Herz, der Kugel Spur. Bei meinem Freund zum erſten Mal Sah ich die Scherbe niederſchnippen, Und Thränen fielen ohne Zahl Dem Toten auf die bleichen Lippen. O ſchäm’ dich nicht, wenn dies du lieſt, Daß dir ſo leicht die Thräne fließt. Im Sterben trägſt du noch die Scherbe, Ich ſei, ſtirbſt früher du, der Erbe, Dann denk’ ich an den treuſten Freund, Den je die Sonne hat gebräunt. In der Mittagſtunde. Zwiſchen zwölf und ein Uhr ſtand die Schlacht. Auf einem Hügel, neben einem einſamen, brennenden Hauſe, aus dem die Bewohner geflohen, hielt der Oberbefehlshaber, die Hände kreuzweiſe übereinander auf dem Sattelknopf haltend, regungslos ſeit einer halben Stunde. Der Stab ſtand gedeckt hinter dem Hauſe. Von allen Seiten, in raſcher Aufeinanderfolge, kamen und ritten ab 10*

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Zitationshilfe: Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/155>, abgerufen am 29.03.2024.