Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].

Bild:
<< vorherige Seite
Außerdem noch, wenn die Nonnen
Diesen Kopf behalten wollten,
Gab er sieben große Dörfer
An den adligen Convent.
Anfangs sträubten sich die Schwestern,
Gar zu scheuslich war das Schnitzwerk,
Doch die Schüssel ist von Golde,
Und die Dörfer bringen Zins. --
Vor der Schüssel, vor den Frauen,
Auf den Marmorfliesen knieend,
Betet unter heißen Schauern,
Betet Anna von der Wisch.
Ihre jungen blauen Augen
Streifen jenes Haupt mit Grauen,
Und sie kann sie nimmer küssen
Diese blutbemalte Stirn.
Immer lebt in ihr der Abend,
Als im Wald die Vögel sangen,
Als die holden blauen Augen
Küßte Detlev Gadendorp.
Wiebke Pogwisch, die Aebtissin,
Spricht zuerst mit milden Worten,
Redet dann in strengen, harten,
Hält ihr vor das Krucifix.
Und mit todtenblassem Antlitz,
Zögernd, langsam geht das Mädchen,
Neigt den kleinen Mund zum Kusse --
Schallend klingt im Hof ein Huf.

Außerdem noch, wenn die Nonnen
Dieſen Kopf behalten wollten,
Gab er ſieben große Dörfer
An den adligen Convent.
Anfangs ſträubten ſich die Schweſtern,
Gar zu ſcheuslich war das Schnitzwerk,
Doch die Schüſſel iſt von Golde,
Und die Dörfer bringen Zins. —
Vor der Schüſſel, vor den Frauen,
Auf den Marmorflieſen knieend,
Betet unter heißen Schauern,
Betet Anna von der Wiſch.
Ihre jungen blauen Augen
Streifen jenes Haupt mit Grauen,
Und ſie kann ſie nimmer küſſen
Dieſe blutbemalte Stirn.
Immer lebt in ihr der Abend,
Als im Wald die Vögel ſangen,
Als die holden blauen Augen
Küßte Detlev Gadendorp.
Wiebke Pogwiſch, die Aebtiſſin,
Spricht zuerſt mit milden Worten,
Redet dann in ſtrengen, harten,
Hält ihr vor das Krucifix.
Und mit todtenblaſſem Antlitz,
Zögernd, langſam geht das Mädchen,
Neigt den kleinen Mund zum Kuſſe —
Schallend klingt im Hof ein Huf.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0026" n="18"/>
          <lg n="7">
            <l>Außerdem noch, wenn die Nonnen</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;en Kopf behalten wollten,</l><lb/>
            <l>Gab er &#x017F;ieben große Dörfer</l><lb/>
            <l>An den adligen Convent.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="8">
            <l>Anfangs &#x017F;träubten &#x017F;ich die Schwe&#x017F;tern,</l><lb/>
            <l>Gar zu &#x017F;cheuslich war das Schnitzwerk,</l><lb/>
            <l>Doch die Schü&#x017F;&#x017F;el i&#x017F;t von Golde,</l><lb/>
            <l>Und die Dörfer bringen Zins. &#x2014;</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="9">
            <l>Vor der Schü&#x017F;&#x017F;el, vor den Frauen,</l><lb/>
            <l>Auf den Marmorflie&#x017F;en knieend,</l><lb/>
            <l>Betet unter heißen Schauern,</l><lb/>
            <l>Betet Anna von der Wi&#x017F;ch.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="10">
            <l>Ihre jungen blauen Augen</l><lb/>
            <l>Streifen jenes Haupt mit Grauen,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ie kann &#x017F;ie nimmer kü&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;e blutbemalte Stirn.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="11">
            <l>Immer lebt in ihr der Abend,</l><lb/>
            <l>Als im Wald die Vögel &#x017F;angen,</l><lb/>
            <l>Als die holden blauen Augen</l><lb/>
            <l>Küßte Detlev Gadendorp.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="12">
            <l>Wiebke Pogwi&#x017F;ch, die Aebti&#x017F;&#x017F;in,</l><lb/>
            <l>Spricht zuer&#x017F;t mit milden Worten,</l><lb/>
            <l>Redet dann in &#x017F;trengen, harten,</l><lb/>
            <l>Hält ihr vor das Krucifix.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="13">
            <l>Und mit todtenbla&#x017F;&#x017F;em Antlitz,</l><lb/>
            <l>Zögernd, lang&#x017F;am geht das Mädchen,</l><lb/>
            <l>Neigt den kleinen Mund zum Ku&#x017F;&#x017F;e &#x2014;</l><lb/>
            <l>Schallend klingt im Hof ein Huf.</l>
          </lg><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0026] Außerdem noch, wenn die Nonnen Dieſen Kopf behalten wollten, Gab er ſieben große Dörfer An den adligen Convent. Anfangs ſträubten ſich die Schweſtern, Gar zu ſcheuslich war das Schnitzwerk, Doch die Schüſſel iſt von Golde, Und die Dörfer bringen Zins. — Vor der Schüſſel, vor den Frauen, Auf den Marmorflieſen knieend, Betet unter heißen Schauern, Betet Anna von der Wiſch. Ihre jungen blauen Augen Streifen jenes Haupt mit Grauen, Und ſie kann ſie nimmer küſſen Dieſe blutbemalte Stirn. Immer lebt in ihr der Abend, Als im Wald die Vögel ſangen, Als die holden blauen Augen Küßte Detlev Gadendorp. Wiebke Pogwiſch, die Aebtiſſin, Spricht zuerſt mit milden Worten, Redet dann in ſtrengen, harten, Hält ihr vor das Krucifix. Und mit todtenblaſſem Antlitz, Zögernd, langſam geht das Mädchen, Neigt den kleinen Mund zum Kuſſe — Schallend klingt im Hof ein Huf.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/26
Zitationshilfe: Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/26>, abgerufen am 28.03.2024.