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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Erstes Buch. VI. Vollendung u. Versuch des Verbrechens.
individuelle Bezeichnung vor allen anderen hervorzuheben.
Vgl. StGB. §§. 83--85, 151, 201; teilweise hieher ge-
hörend §. 49 a. Durch die besondere Bezeichnung dieser
Handlungen wird ihre Versuchsnatur nicht geändert; daraus
folgt, daß Versuch derselben, der als Versuch in zweiter Po-
tenz erscheinen würde, nicht möglich ist.4

III. Der Gesetzgeber kann weiter entweder für die ver-
suchte und die vollendete strafbare Handlung einen gemein-
schaftlichen
, oder für jede einen besonderen Strafrahmen
aufstellen. Das letztere hat die Reichsgesetzgebung gethan.
Nach StGB. §. 44 ist das versuchte Verbrechen oder
Vergehen milder zu bestrafen als das vollendete
,
und zwar nach der folgenden Reduktionsskala:

Ist das vollendete Verbrechen mit dem Tode oder mit
lebenslänglichem Zuchthaus bedroht, so tritt Zuchthausstrafe
nicht unter drei Jahren ein, neben welcher auf Zulässigkeit
von Polizeiaufsicht erkannt werden kann. Lebenslängliche
Festungshaft wird durch Festungshaft nicht unter drei Jahren
ersetzt. In allen übrigen Fällen kann die Strafe bis auf
1/4 des Mindestbetrages der auf das vollendete Verbrechen
oder Vergehen angedrohten Freiheits- oder Geldstrafe er-
mäßigt werden. Ist hiernach Zuchthausstrafe unter einem
Jahre verwirkt, so ist dieselbe nach Maßgabe des §. 21
StGB. in Gefängnis zu verwandeln.

Das Prinzip der milderen Bestrafung des Versuches
wird jedoch durch eine wenn auch unbedeutende Zahl von
Ausnahmen durchbrochen.

1. Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und Zu-
lässigkeit der Polizeiaufsicht kann unter denselben Voraus-

4 Lit. bei Meyer S. 193 Note 14. A. A. Cohn S. 383 ff

Erſtes Buch. VI. Vollendung u. Verſuch des Verbrechens.
individuelle Bezeichnung vor allen anderen hervorzuheben.
Vgl. StGB. §§. 83—85, 151, 201; teilweiſe hieher ge-
hörend §. 49 a. Durch die beſondere Bezeichnung dieſer
Handlungen wird ihre Verſuchsnatur nicht geändert; daraus
folgt, daß Verſuch derſelben, der als Verſuch in zweiter Po-
tenz erſcheinen würde, nicht möglich iſt.4

III. Der Geſetzgeber kann weiter entweder für die ver-
ſuchte und die vollendete ſtrafbare Handlung einen gemein-
ſchaftlichen
, oder für jede einen beſonderen Strafrahmen
aufſtellen. Das letztere hat die Reichsgeſetzgebung gethan.
Nach StGB. §. 44 iſt das verſuchte Verbrechen oder
Vergehen milder zu beſtrafen als das vollendete
,
und zwar nach der folgenden Reduktionsſkala:

Iſt das vollendete Verbrechen mit dem Tode oder mit
lebenslänglichem Zuchthaus bedroht, ſo tritt Zuchthausſtrafe
nicht unter drei Jahren ein, neben welcher auf Zuläſſigkeit
von Polizeiaufſicht erkannt werden kann. Lebenslängliche
Feſtungshaft wird durch Feſtungshaft nicht unter drei Jahren
erſetzt. In allen übrigen Fällen kann die Strafe bis auf
¼ des Mindeſtbetrages der auf das vollendete Verbrechen
oder Vergehen angedrohten Freiheits- oder Geldſtrafe er-
mäßigt werden. Iſt hiernach Zuchthausſtrafe unter einem
Jahre verwirkt, ſo iſt dieſelbe nach Maßgabe des §. 21
StGB. in Gefängnis zu verwandeln.

Das Prinzip der milderen Beſtrafung des Verſuches
wird jedoch durch eine wenn auch unbedeutende Zahl von
Ausnahmen durchbrochen.

1. Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und Zu-
läſſigkeit der Polizeiaufſicht kann unter denſelben Voraus-

4 Lit. bei Meyer S. 193 Note 14. A. A. Cohn S. 383 ff
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[140/0166] Erſtes Buch. VI. Vollendung u. Verſuch des Verbrechens. individuelle Bezeichnung vor allen anderen hervorzuheben. Vgl. StGB. §§. 83—85, 151, 201; teilweiſe hieher ge- hörend §. 49 a. Durch die beſondere Bezeichnung dieſer Handlungen wird ihre Verſuchsnatur nicht geändert; daraus folgt, daß Verſuch derſelben, der als Verſuch in zweiter Po- tenz erſcheinen würde, nicht möglich iſt. 4 III. Der Geſetzgeber kann weiter entweder für die ver- ſuchte und die vollendete ſtrafbare Handlung einen gemein- ſchaftlichen, oder für jede einen beſonderen Strafrahmen aufſtellen. Das letztere hat die Reichsgeſetzgebung gethan. Nach StGB. §. 44 iſt das verſuchte Verbrechen oder Vergehen milder zu beſtrafen als das vollendete, und zwar nach der folgenden Reduktionsſkala: Iſt das vollendete Verbrechen mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bedroht, ſo tritt Zuchthausſtrafe nicht unter drei Jahren ein, neben welcher auf Zuläſſigkeit von Polizeiaufſicht erkannt werden kann. Lebenslängliche Feſtungshaft wird durch Feſtungshaft nicht unter drei Jahren erſetzt. In allen übrigen Fällen kann die Strafe bis auf ¼ des Mindeſtbetrages der auf das vollendete Verbrechen oder Vergehen angedrohten Freiheits- oder Geldſtrafe er- mäßigt werden. Iſt hiernach Zuchthausſtrafe unter einem Jahre verwirkt, ſo iſt dieſelbe nach Maßgabe des §. 21 StGB. in Gefängnis zu verwandeln. Das Prinzip der milderen Beſtrafung des Verſuches wird jedoch durch eine wenn auch unbedeutende Zahl von Ausnahmen durchbrochen. 1. Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und Zu- läſſigkeit der Polizeiaufſicht kann unter denſelben Voraus- 4 Lit. bei Meyer S. 193 Note 14. A. A. Cohn S. 383 ff

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/166>, abgerufen am 28.03.2024.