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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 9. Das Staatsgebiet.
g) Aber auch der Papst wird gewohnheitsrechtlich von den christ-
lichen Mächten als exterritorial behandelt. In Italien beruht
seine exterritoriale Stellung auf dem Garantiegesetz vom 13. Mai
1871
(oben § 5 I).

4. Verschieden von der Exterritorialität ist die Unverletzlich-
keit gewisser Personen und Sachen im Krieg
(unten § 40).

II.
§ 9. Das Staatsgebiet.
I.

Staatsgebiet ist das von der Staatsgewalt eines Staates (also von
der Gebietshoheit) umfasste Gebiet.

Die Grenzen des Staatsgebietes sind im folgenden näher dar-
zustellen.

II. Die Gebietshoheit umfasst zunächst:

1. Das Staatslandgebiet, d. h. den von den Staatsgrenzen um-
schlossenen Teil der Erdoberfläche, mit den von andern Staaten
umschlossenen Gebietsteilen (Enclaven), sowie mit den vom Wasser
umspülten Inseln.

Die Grenzen sind entweder natürliche oder künstliche. Als
erstere spielen Gebirge und Flüsse die Hauptrolle. Bei jenen ist
meist die Wasserscheide, bei diesen, soweit nicht andere Verein-
barungen getroffen sind, der sogenannte Thalweg die Grenzlinie.
Künstliche Grenzen, die nach den Grundsätzen der Erdmessung
festgestellt werden, sind besonders in den bisher noch nicht oder
nicht vollständig erforschten Ländern gebräuchlich. Die Grenze
kann auch durch einen mehr oder weniger breiten Landstreifen
gebildet werden, der vielleicht als "neutrale Zone" der Verwaltung
der beiden beteiligten Grenzstaaten entzogen wird. Vgl. die Ab-
machungen zwischen Spanien und Marokko vom 5. März 1894 über
das Feld von Melilla. Dagegen hat die sogenannte österreichische
Militärgrenze stets einen Bestandteil der Habsburgischen Monarchie
gebildet.

2. Die Kolonieen, die auch als sogenannte Schutzgebiete
(oben § 6 IV) zu dem Mutterland nicht in völkerrechtlicher, sondern

§ 9. Das Staatsgebiet.
g) Aber auch der Papst wird gewohnheitsrechtlich von den christ-
lichen Mächten als exterritorial behandelt. In Italien beruht
seine exterritoriale Stellung auf dem Garantiegesetz vom 13. Mai
1871
(oben § 5 I).

4. Verschieden von der Exterritorialität ist die Unverletzlich-
keit gewisser Personen und Sachen im Krieg
(unten § 40).

II.
§ 9. Das Staatsgebiet.
I.

Staatsgebiet ist das von der Staatsgewalt eines Staates (also von
der Gebietshoheit) umfaſste Gebiet.

Die Grenzen des Staatsgebietes sind im folgenden näher dar-
zustellen.

II. Die Gebietshoheit umfaſst zunächst:

1. Das Staatslandgebiet, d. h. den von den Staatsgrenzen um-
schlossenen Teil der Erdoberfläche, mit den von andern Staaten
umschlossenen Gebietsteilen (Enclaven), sowie mit den vom Wasser
umspülten Inseln.

Die Grenzen sind entweder natürliche oder künstliche. Als
erstere spielen Gebirge und Flüsse die Hauptrolle. Bei jenen ist
meist die Wasserscheide, bei diesen, soweit nicht andere Verein-
barungen getroffen sind, der sogenannte Thalweg die Grenzlinie.
Künstliche Grenzen, die nach den Grundsätzen der Erdmessung
festgestellt werden, sind besonders in den bisher noch nicht oder
nicht vollständig erforschten Ländern gebräuchlich. Die Grenze
kann auch durch einen mehr oder weniger breiten Landstreifen
gebildet werden, der vielleicht als „neutrale Zone“ der Verwaltung
der beiden beteiligten Grenzstaaten entzogen wird. Vgl. die Ab-
machungen zwischen Spanien und Marokko vom 5. März 1894 über
das Feld von Melilla. Dagegen hat die sogenannte österreichische
Militärgrenze stets einen Bestandteil der Habsburgischen Monarchie
gebildet.

2. Die Kolonieen, die auch als sogenannte Schutzgebiete
(oben § 6 IV) zu dem Mutterland nicht in völkerrechtlicher, sondern

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[47/0069] § 9. Das Staatsgebiet. g) Aber auch der Papst wird gewohnheitsrechtlich von den christ- lichen Mächten als exterritorial behandelt. In Italien beruht seine exterritoriale Stellung auf dem Garantiegesetz vom 13. Mai 1871 (oben § 5 I). 4. Verschieden von der Exterritorialität ist die Unverletzlich- keit gewisser Personen und Sachen im Krieg (unten § 40). II. § 9. Das Staatsgebiet. I. Staatsgebiet ist das von der Staatsgewalt eines Staates (also von der Gebietshoheit) umfaſste Gebiet. Die Grenzen des Staatsgebietes sind im folgenden näher dar- zustellen. II. Die Gebietshoheit umfaſst zunächst: 1. Das Staatslandgebiet, d. h. den von den Staatsgrenzen um- schlossenen Teil der Erdoberfläche, mit den von andern Staaten umschlossenen Gebietsteilen (Enclaven), sowie mit den vom Wasser umspülten Inseln. Die Grenzen sind entweder natürliche oder künstliche. Als erstere spielen Gebirge und Flüsse die Hauptrolle. Bei jenen ist meist die Wasserscheide, bei diesen, soweit nicht andere Verein- barungen getroffen sind, der sogenannte Thalweg die Grenzlinie. Künstliche Grenzen, die nach den Grundsätzen der Erdmessung festgestellt werden, sind besonders in den bisher noch nicht oder nicht vollständig erforschten Ländern gebräuchlich. Die Grenze kann auch durch einen mehr oder weniger breiten Landstreifen gebildet werden, der vielleicht als „neutrale Zone“ der Verwaltung der beiden beteiligten Grenzstaaten entzogen wird. Vgl. die Ab- machungen zwischen Spanien und Marokko vom 5. März 1894 über das Feld von Melilla. Dagegen hat die sogenannte österreichische Militärgrenze stets einen Bestandteil der Habsburgischen Monarchie gebildet. 2. Die Kolonieen, die auch als sogenannte Schutzgebiete (oben § 6 IV) zu dem Mutterland nicht in völkerrechtlicher, sondern

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/69>, abgerufen am 25.04.2024.