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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vorbericht an den Leser.
sich unaufhörlich nach der Sonne der Tugend und guter Künste schwingen/
und so wol bey Krieg-als Friedens-Zeiten nicht nur den Leib durch die Waffen
und anständige Ritterspiele/ sondern auch den Verstand durch die Bücher und
das Schreiben üben. Denn hierdurch kan sich der Mensch allein edel machen;
indem das Geblüte nur den Leib/ Tugend und Wissenschafft aber den gantzen
Menschen edel macht. Der Adel ist/ wie Salicetus sagt/ eine Tochter der
Wissenschafft; und hat/ wie Marius beym Salustius redet/ seinen Uhrsprung
aus der Tugend genommen. Er ist des Menschen Ehre; die Ehre aber nach
des Aristoteles Ausspruche der Tugend Lohn. Dahero ist es unverantwort-
liche Thorheit/ sich bereden lassen/ als ob nach Wissenschafft streben und den
Büchern obliegen einem Edelmanne verkleinerlich wäre/ oder daß es Jhn zu
andern Ubungen unfähig mache; da doch alle wolgesittete Völcker iederzeit
dafür gehalten: daß es rühmlicher sey den Adel von der Tugend/ als von den
Ahnen zu zehlen. Deßwegen/ spricht Livius/ habe zu Rom ein ieder/ der nur
tugendhafft gewesen/ auch edel werden können. Was kan aber den Menschen
eher tugendhafft machen/ als gute Künste und wissenschafften erlernen; als
wordurch der Verstand nicht nur geschärffet/ sondern auch das Gemüthe/ ja
der gantze Mensch ermuntert/ und zu allem guten fähiger gemacht wird? Der
grosse Alexander ist nicht zu schätzen gewesen: daß Er aus dem Stamm der
Macedonischen Könige/ noch der Cäsar: daß Er aus dem Hause der Julier ge-
bohren worden; sondern daß beyde sich durch Tugend und Tapferkeit groß ge-
macht haben. Hätten selbige auch nicht die Weißheit zur Gefärthin gehabt/
würde ihr Ruhm einen schlechten Glantz zum Beysatze haben. Denn es ist
nichts schändlichers/ als/ so zu reden/ dem Jupiter zu wieder den Bacchus im
Haupte/ und die Pallas im Bauche führen; oder nur bloß allein edel von Ge-
blüte und leer von Weißheit seyn; daß man so denn nur allein zu dem Gedächt-
nüs oder Ehren-Bildern seiner Ahnen fliehen/ und von der Vorfahren Glan-
tze entlehnen; also es solcher Gestalt nicht viel besser machen müsse/ als bey
den Alten die Ubelthäter/ welche/ wenn sie verfolget wurden/ ihre Zuflucht
zu den Altären/ Begräbnüßen oder Bilder-Säulen der Kayser zu nehmen
pflegten. Massen solche Menschen nichts besserem/ als denen mit zierlichen
Sattel-Decken prangenden Bucephalen vergliechen werden können. Aller
Gegen-Einwendungen aber ungeachtet/ wird es doch sonder Zweifel noch fer-
ner/ so lange tugendhaffte Menschen in der Welt seyn werden/ dabey bleiben:
daß die Tugend der beste Adels-Brieff/ und/ wie Pontanus spricht/ scheinba-

rer

Vorbericht an den Leſer.
ſich unaufhoͤrlich nach der Sonne der Tugend und guter Kuͤnſte ſchwingen/
und ſo wol bey Krieg-als Friedens-Zeiten nicht nur den Leib durch die Waffen
und anſtaͤndige Ritterſpiele/ ſondern auch den Verſtand durch die Buͤcher und
das Schreiben uͤben. Denn hierdurch kan ſich der Menſch allein edel machen;
indem das Gebluͤte nur den Leib/ Tugend und Wiſſenſchafft aber den gantzen
Menſchen edel macht. Der Adel iſt/ wie Salicetus ſagt/ eine Tochter der
Wiſſenſchafft; und hat/ wie Marius beym Saluſtius redet/ ſeinen Uhrſprung
aus der Tugend genommen. Er iſt des Menſchen Ehre; die Ehre aber nach
des Ariſtoteles Ausſpruche der Tugend Lohn. Dahero iſt es unverantwort-
liche Thorheit/ ſich bereden laſſen/ als ob nach Wiſſenſchafft ſtreben und den
Buͤchern obliegen einem Edelmanne verkleinerlich waͤre/ oder daß es Jhn zu
andern Ubungen unfaͤhig mache; da doch alle wolgeſittete Voͤlcker iederzeit
dafuͤr gehalten: daß es ruͤhmlicher ſey den Adel von der Tugend/ als von den
Ahnen zu zehlen. Deßwegen/ ſpricht Livius/ habe zu Rom ein ieder/ der nur
tugendhafft geweſen/ auch edel werden koͤnnen. Was kan aber den Menſchen
eher tugendhafft machen/ als gute Kuͤnſte und wiſſenſchafften erlernen; als
wordurch der Verſtand nicht nur geſchaͤrffet/ ſondern auch das Gemuͤthe/ ja
der gantze Menſch ermuntert/ und zu allem guten faͤhiger gemacht wird? Der
groſſe Alexander iſt nicht zu ſchaͤtzen geweſen: daß Er aus dem Stamm der
Macedoniſchen Koͤnige/ noch der Caͤſar: daß Er aus dem Hauſe der Julier ge-
bohren worden; ſondern daß beyde ſich durch Tugend und Tapferkeit groß ge-
macht haben. Haͤtten ſelbige auch nicht die Weißheit zur Gefaͤrthin gehabt/
wuͤrde ihr Ruhm einen ſchlechten Glantz zum Beyſatze haben. Denn es iſt
nichts ſchaͤndlichers/ als/ ſo zu reden/ dem Jupiter zu wieder den Bacchus im
Haupte/ und die Pallas im Bauche fuͤhren; oder nur bloß allein edel von Ge-
bluͤte und leer von Weißheit ſeyn; daß man ſo denn nur allein zu dem Gedaͤcht-
nuͤs oder Ehren-Bildern ſeiner Ahnen fliehen/ und von der Vorfahren Glan-
tze entlehnen; alſo es ſolcher Geſtalt nicht viel beſſer machen muͤſſe/ als bey
den Alten die Ubelthaͤter/ welche/ wenn ſie verfolget wurden/ ihre Zuflucht
zu den Altaͤren/ Begraͤbnuͤßen oder Bilder-Saͤulen der Kayſer zu nehmen
pflegten. Maſſen ſolche Menſchen nichts beſſerem/ als denen mit zierlichen
Sattel-Decken prangenden Bucephalen vergliechen werden koͤnnen. Aller
Gegen-Einwendungen aber ungeachtet/ wird es doch ſonder Zweifel noch fer-
ner/ ſo lange tugendhaffte Menſchen in der Welt ſeyn werden/ dabey bleiben:
daß die Tugend der beſte Adels-Brieff/ und/ wie Pontanus ſpricht/ ſcheinba-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/22>, abgerufen am 19.04.2024.