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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vorbericht an den Leser.
rer als die Sonne sey/ weil jene auch die Blinden/ diese aber sie nicht sehen
können. Und wäre zu wünschen: daß alle edle Menschen glauben lernten/
daß es auch noch heute in der Welt/ wie weyland zu Rom/ gehe/ da niemand in
den Tempel der Ehren kommen konte/ er muste denn zuvor durch den daneben
gebauten Tempel der Tugend gehen; so würden sich vielleicht ihrer viel dem
Glück zu Trotz aus iedem Stande lobwürdig erheben können; Allermassen wie
der deutsche Homerus unser Opitz von einem gelehrten Ritter Schaff-
gotsche/ der einen artlichen Poeten abgegeben habe/ redet: der Stand durch
Verstand blühet/ und wer nur Verstand hat/ auch mit Stande/ Gut und Adel
begabet wird. Wie denn dessen unser seliger Lohenstein selber ein Beyspiel
abgeben kan/ wie diß an Jhm wahr worden/ was Syrach saget: daß die
Weißheit Jhn zu Ehren gebracht/ und neben die Fürsten gesetzet hat.

Was nun diese seine Arbeit anbelanget/ so wolle der hochgeneigte Leser
solche nicht durchgehends vor ein blosses Getichte/ oder so genennten Roman
halten. Denn ob man zwar wol gestehen muß: daß die Grich- und Römi-
schen Geschichtschreiber nicht so viel wunderliche Zufälle und weitläufftige
Umstände anführen; so wird man sich doch diß nicht gantz befrembden lassen/
sondern dabey glauben: daß unser Uhrheber viel des jenigen/ was Er nicht
bey den Geschichtschreibern gefunden/ theils aus seinen alken Müntzen/ theils
aus den Uberschrifften und Gedächtnüs-Maalen/ die er ihm insonderheit hier-
innen überaus wol zu Nutz zu machen gewust/ zusammen gesucht/ solche gehö-
riger Orten klüglich angewehret/ und also den Mangel damit hin und wieder
ersetzet hat. Weßwegen zwar zuweilen ein- oder die andern Umbstände als er-
tichtet zu sein scheinen; doch aber/ daß sie nicht durchgehends vor blosses Fabel-
werck zu halten sind/ entweder in der alten oder neuen Geschichte ihre gewisse
Ursachen und die Wahrheit zum Grunde haben. Welches der in den alter-
thümern und Geschichten bewanderte Leser leicht mercken/ die Räthsel auflö-
sen/ und die rechten Trauben von den gemahlten zu unterscheiden wissen wird.

Es ist zwar unser Uhrheber bey seinen Lebzeiten niemals gesonnen gewe-
sen/ diese Geschichte durch den Druck ans Tagelicht zu stellen/ und sich damit
den ungleichen Urtheilen der Welt zu unterwerffen. Nicht/ daß er seine Ar-
beit iemanden mißgegönnet/ oder sich iemals dergestalt in seine Gedancken ver-
liebt hätte: daß er andere neben sich vor Kebsweiber gehalten; sondern weil er
selbige/ wie alle seine Sachen/ niemals vor etwas geachtet/ was der Welt
mitzutheilen würdig sey. Massen Er dieses alles bloß zu obgemeldter vorneh-

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Vorbericht an den Leſer.
rer als die Sonne ſey/ weil jene auch die Blinden/ dieſe aber ſie nicht ſehen
koͤnnen. Und waͤre zu wuͤnſchen: daß alle edle Menſchen glauben lernten/
daß es auch noch heute in der Welt/ wie weyland zu Rom/ gehe/ da niemand in
den Tempel der Ehren kommen konte/ er muſte denn zuvor durch den daneben
gebauten Tempel der Tugend gehen; ſo wuͤrden ſich vielleicht ihrer viel dem
Gluͤck zu Trotz aus iedem Stande lobwuͤrdig erheben koͤnnen; Allermaſſen wie
der deutſche Homerus unſer Opitz von einem gelehrten Ritter Schaff-
gotſche/ der einen artlichen Poeten abgegeben habe/ redet: der Stand durch
Verſtand bluͤhet/ und wer nur Verſtand hat/ auch mit Stande/ Gut und Adel
begabet wird. Wie denn deſſen unſer ſeliger Lohenſtein ſelber ein Beyſpiel
abgeben kan/ wie diß an Jhm wahr worden/ was Syrach ſaget: daß die
Weißheit Jhn zu Ehren gebracht/ und neben die Fuͤrſten geſetzet hat.

Was nun dieſe ſeine Arbeit anbelanget/ ſo wolle der hochgeneigte Leſer
ſolche nicht durchgehends vor ein bloſſes Getichte/ oder ſo genennten Roman
halten. Denn ob man zwar wol geſtehen muß: daß die Grich- und Roͤmi-
ſchen Geſchichtſchreiber nicht ſo viel wunderliche Zufaͤlle und weitlaͤufftige
Umſtaͤnde anfuͤhren; ſo wird man ſich doch diß nicht gantz befrembden laſſen/
ſondern dabey glauben: daß unſer Uhrheber viel des jenigen/ was Er nicht
bey den Geſchichtſchreibern gefunden/ theils aus ſeinen alken Muͤntzen/ theils
aus den Uberſchrifften und Gedaͤchtnuͤs-Maalen/ die er ihm inſonderheit hier-
innen uͤberaus wol zu Nutz zu machen gewuſt/ zuſammen geſucht/ ſolche gehoͤ-
riger Orten kluͤglich angewehret/ und alſo den Mangel damit hin und wieder
erſetzet hat. Weßwegen zwar zuweilen ein- oder die andern Umbſtaͤnde als er-
tichtet zu ſein ſcheinen; doch aber/ daß ſie nicht durchgehends vor bloſſes Fabel-
werck zu halten ſind/ entweder in der alten oder neuen Geſchichte ihre gewiſſe
Urſachen und die Wahrheit zum Grunde haben. Welches der in den alter-
thuͤmern und Geſchichten bewanderte Leſer leicht mercken/ die Raͤthſel aufloͤ-
ſen/ und die rechten Trauben von den gemahlten zu unterſcheiden wiſſen wird.

Es iſt zwar unſer Uhrheber bey ſeinen Lebzeiten niemals geſonnen gewe-
ſen/ dieſe Geſchichte durch den Druck ans Tagelicht zu ſtellen/ und ſich damit
den ungleichen Urtheilen der Welt zu unterwerffen. Nicht/ daß er ſeine Ar-
beit iemanden mißgegoͤnnet/ oder ſich iemals dergeſtalt in ſeine Gedancken ver-
liebt haͤtte: daß er andere neben ſich vor Kebsweiber gehalten; ſondern weil er
ſelbige/ wie alle ſeine Sachen/ niemals vor etwas geachtet/ was der Welt
mitzutheilen wuͤrdig ſey. Maſſen Er dieſes alles bloß zu obgemeldter vorneh-

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[0023] Vorbericht an den Leſer. rer als die Sonne ſey/ weil jene auch die Blinden/ dieſe aber ſie nicht ſehen koͤnnen. Und waͤre zu wuͤnſchen: daß alle edle Menſchen glauben lernten/ daß es auch noch heute in der Welt/ wie weyland zu Rom/ gehe/ da niemand in den Tempel der Ehren kommen konte/ er muſte denn zuvor durch den daneben gebauten Tempel der Tugend gehen; ſo wuͤrden ſich vielleicht ihrer viel dem Gluͤck zu Trotz aus iedem Stande lobwuͤrdig erheben koͤnnen; Allermaſſen wie der deutſche Homerus unſer Opitz von einem gelehrten Ritter Schaff- gotſche/ der einen artlichen Poeten abgegeben habe/ redet: der Stand durch Verſtand bluͤhet/ und wer nur Verſtand hat/ auch mit Stande/ Gut und Adel begabet wird. Wie denn deſſen unſer ſeliger Lohenſtein ſelber ein Beyſpiel abgeben kan/ wie diß an Jhm wahr worden/ was Syrach ſaget: daß die Weißheit Jhn zu Ehren gebracht/ und neben die Fuͤrſten geſetzet hat. Was nun dieſe ſeine Arbeit anbelanget/ ſo wolle der hochgeneigte Leſer ſolche nicht durchgehends vor ein bloſſes Getichte/ oder ſo genennten Roman halten. Denn ob man zwar wol geſtehen muß: daß die Grich- und Roͤmi- ſchen Geſchichtſchreiber nicht ſo viel wunderliche Zufaͤlle und weitlaͤufftige Umſtaͤnde anfuͤhren; ſo wird man ſich doch diß nicht gantz befrembden laſſen/ ſondern dabey glauben: daß unſer Uhrheber viel des jenigen/ was Er nicht bey den Geſchichtſchreibern gefunden/ theils aus ſeinen alken Muͤntzen/ theils aus den Uberſchrifften und Gedaͤchtnuͤs-Maalen/ die er ihm inſonderheit hier- innen uͤberaus wol zu Nutz zu machen gewuſt/ zuſammen geſucht/ ſolche gehoͤ- riger Orten kluͤglich angewehret/ und alſo den Mangel damit hin und wieder erſetzet hat. Weßwegen zwar zuweilen ein- oder die andern Umbſtaͤnde als er- tichtet zu ſein ſcheinen; doch aber/ daß ſie nicht durchgehends vor bloſſes Fabel- werck zu halten ſind/ entweder in der alten oder neuen Geſchichte ihre gewiſſe Urſachen und die Wahrheit zum Grunde haben. Welches der in den alter- thuͤmern und Geſchichten bewanderte Leſer leicht mercken/ die Raͤthſel aufloͤ- ſen/ und die rechten Trauben von den gemahlten zu unterſcheiden wiſſen wird. Es iſt zwar unſer Uhrheber bey ſeinen Lebzeiten niemals geſonnen gewe- ſen/ dieſe Geſchichte durch den Druck ans Tagelicht zu ſtellen/ und ſich damit den ungleichen Urtheilen der Welt zu unterwerffen. Nicht/ daß er ſeine Ar- beit iemanden mißgegoͤnnet/ oder ſich iemals dergeſtalt in ſeine Gedancken ver- liebt haͤtte: daß er andere neben ſich vor Kebsweiber gehalten; ſondern weil er ſelbige/ wie alle ſeine Sachen/ niemals vor etwas geachtet/ was der Welt mitzutheilen wuͤrdig ſey. Maſſen Er dieſes alles bloß zu obgemeldter vorneh- mer c 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/23>, abgerufen am 29.03.2024.