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Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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auf, wo noch vor Kurzem Alles im Sonnenlicht schwamm. Aber je tiefer der Abend sinkt, je heller wird es in der Seele! Wie die Sinne stumpf werden für Manches, was die Jugend reizt, öffnet sich ein neuer Sinn den tausend Wundern der Natur; was im Rasen blüht, was im Staube sich freut, in Lüften schwebt, im Laube des Haines rauscht, das redet lauter von Gottes Gegenwart, je näher wir dem Ziele sind! --

Sie sprach dann von unseren Hoffnungen, von Leo's Glück, und wie sie einen Traum habe, den sie mir vertrauen möchte. Ihr kleines Gut bei Meißen, am waldigen Berge gelegen, der Wohnplatz ihrer Kindheit, würde mehr Ertrag geben, wenn wir es selbst bewohnten, Leo würde die Kränkung seiner Ehre in ländlicher Einsamkeit besser verschmerzen, als hier, wo jeder Blick ihn daran mahnte, wenn auch nur durch mitfühlende Theilnahme. Sie fragte mich, ob ich die Stadt vergessen könnte, ob ich eine kleine Wirthschaft auf dem Lande führen wollte, bis der Krieg vorüber wäre und Pistor seine neue Laufbahn antreten könnte? Du denkst schon, was ich antwortete! Wo er ist, und wo es ihr wohlgefällt, da bin ich glücklich. -- So saßen wir denn und träumten süß! Sie schilderte mir Alles, die Wohnung, den Garten, den Berg, die Aussicht, auch das kleine Stübchen mit einem Fenster, wo im Sommer meine Justine als Gast leben soll, von mir bedient und gepflegt. -- Aber du weinst ja, und recht ernstlich. Mein Gott, was ist dir denn widerfahren?

auf, wo noch vor Kurzem Alles im Sonnenlicht schwamm. Aber je tiefer der Abend sinkt, je heller wird es in der Seele! Wie die Sinne stumpf werden für Manches, was die Jugend reizt, öffnet sich ein neuer Sinn den tausend Wundern der Natur; was im Rasen blüht, was im Staube sich freut, in Lüften schwebt, im Laube des Haines rauscht, das redet lauter von Gottes Gegenwart, je näher wir dem Ziele sind! —

Sie sprach dann von unseren Hoffnungen, von Leo's Glück, und wie sie einen Traum habe, den sie mir vertrauen möchte. Ihr kleines Gut bei Meißen, am waldigen Berge gelegen, der Wohnplatz ihrer Kindheit, würde mehr Ertrag geben, wenn wir es selbst bewohnten, Leo würde die Kränkung seiner Ehre in ländlicher Einsamkeit besser verschmerzen, als hier, wo jeder Blick ihn daran mahnte, wenn auch nur durch mitfühlende Theilnahme. Sie fragte mich, ob ich die Stadt vergessen könnte, ob ich eine kleine Wirthschaft auf dem Lande führen wollte, bis der Krieg vorüber wäre und Pistor seine neue Laufbahn antreten könnte? Du denkst schon, was ich antwortete! Wo er ist, und wo es ihr wohlgefällt, da bin ich glücklich. — So saßen wir denn und träumten süß! Sie schilderte mir Alles, die Wohnung, den Garten, den Berg, die Aussicht, auch das kleine Stübchen mit einem Fenster, wo im Sommer meine Justine als Gast leben soll, von mir bedient und gepflegt. — Aber du weinst ja, und recht ernstlich. Mein Gott, was ist dir denn widerfahren?

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Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/27>, abgerufen am 18.04.2024.