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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Beschleunigung ihrer Bewegung.
Haar durch conzentrirte Säuren, Alkalien, Salze, durch Eintrocknen u. s. w.
zerstört, so ist die Befähigung zur Bewegung verloren; sie kehrt nament-
lich auch nicht wieder, wenn man das einmal eingetrocknete Haar wie-
der aufweicht. -- 2) Die Schlagfähigkeit der Haare auf solchen Zellen,
welche aus ihrem natürlichen Standort entfernt sind, wird verlängert,
wenn sie in Lymphe, Blutserum oder in verdünntem Hühnereiweiss auf-
gehoben werden. -- 3) Die verlangsamte oder auch kurze Zeit erlo-
schene Bewegung kann wieder belebt werden durch verdünnte Kalilauge.
(Virchow). -- Die verlangsamte Bewegung soll wieder bechleunigt
werden können durch mechanische Erschütterungen (Valentin und
Purkinje). -- 4) Die Bewegung erhält sich nur zwischen bestimmten
Temperaturgrenzen, welche nach Valentin durch + 6° und 81 +° C.
gegeben sind. -- 5) Je nach dem Standorte erlischt die Bewegung mehr
oder weniger rasch nach dem Tode des Individuums oder in Folge der
veränderten Temperatur. Am empfindlichsten sind die Haare in den
Geschlechtstheilen. -- 6) Als negative Charakteristik, den Muskel- und
Nervenmassen gegenüber, ist bemerkenswerth, dass durch verdünnte Lö-
sungen von Blausäure, Opium, Strychnin, Kreosot u. s. w. und ebenso-
wenig durch elektrische Ströme die Bewegungen beschleunigt oder ver-
langsamt werden.

Von den Ernährungserscheinungen der Flimmerhaare ist nichts
bekannt.

Haare.

1. Anatomische Eigenschaften *). Der Haarknopf, oder der Theil
des Haars, welcher unmittelbar an die Warze grenzt, besteht durchweg
aus kugeligen, kernhaltigen Zellen und freien Kernen (?), ähnlich denen,
welche in der Oberhaut auf den Cylinderenden ruhen. Im Haarschaft treten
dagegen drei wesentlich verschiedene Formen auf; die Oberfläche dessel-
ben wird rings umkleidet von einer einfachen Lage dachziegelförmig
übereinandergeschichteter kernloser Hornschüppchen; dieses Haarepithe-
lium schliesst nun eine mehrfache Schicht bandartiger Fasern ein, von
denen jede einzelne aus länglichen kernhaltigen Hornschuppen besteht,
welche an ihren schmalen Seiten mit einander verwachsen sind; die
auf einer Peripherie des Haars liegenden Fasern sind jedoch ebenfalls
untereinander verklebt; im Centrum der Faserschicht endlich liegt das
Haarmark. In dieses ragen, so weit das Haar noch in dem Balg ver-
steckt liegt, Fortsätze aus der Haarwarze, die auch häufig noch eine
Blutgefässschlinge in sich fassen, und ausserdem ist es aus kugeli-
gen Zellen gebildet, die jedoch an dem freistehenden Theile des Haars
vertrocknen und somit zur Bildung lufthaltiger Lücken Veranlassung geben.
Zur Einsicht in den Bau des Haars und seines gleich zu erwähnenden

*) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. 2. Auflage. Leipzig 1855. p. 136.

Beschleunigung ihrer Bewegung.
Haar durch conzentrirte Säuren, Alkalien, Salze, durch Eintrocknen u. s. w.
zerstört, so ist die Befähigung zur Bewegung verloren; sie kehrt nament-
lich auch nicht wieder, wenn man das einmal eingetrocknete Haar wie-
der aufweicht. — 2) Die Schlagfähigkeit der Haare auf solchen Zellen,
welche aus ihrem natürlichen Standort entfernt sind, wird verlängert,
wenn sie in Lymphe, Blutserum oder in verdünntem Hühnereiweiss auf-
gehoben werden. — 3) Die verlangsamte oder auch kurze Zeit erlo-
schene Bewegung kann wieder belebt werden durch verdünnte Kalilauge.
(Virchow). — Die verlangsamte Bewegung soll wieder bechleunigt
werden können durch mechanische Erschütterungen (Valentin und
Purkinje). — 4) Die Bewegung erhält sich nur zwischen bestimmten
Temperaturgrenzen, welche nach Valentin durch + 6° und 81 +° C.
gegeben sind. — 5) Je nach dem Standorte erlischt die Bewegung mehr
oder weniger rasch nach dem Tode des Individuums oder in Folge der
veränderten Temperatur. Am empfindlichsten sind die Haare in den
Geschlechtstheilen. — 6) Als negative Charakteristik, den Muskel- und
Nervenmassen gegenüber, ist bemerkenswerth, dass durch verdünnte Lö-
sungen von Blausäure, Opium, Strychnin, Kreosot u. s. w. und ebenso-
wenig durch elektrische Ströme die Bewegungen beschleunigt oder ver-
langsamt werden.

Von den Ernährungserscheinungen der Flimmerhaare ist nichts
bekannt.

Haare.

1. Anatomische Eigenschaften *). Der Haarknopf, oder der Theil
des Haars, welcher unmittelbar an die Warze grenzt, besteht durchweg
aus kugeligen, kernhaltigen Zellen und freien Kernen (?), ähnlich denen,
welche in der Oberhaut auf den Cylinderenden ruhen. Im Haarschaft treten
dagegen drei wesentlich verschiedene Formen auf; die Oberfläche dessel-
ben wird rings umkleidet von einer einfachen Lage dachziegelförmig
übereinandergeschichteter kernloser Hornschüppchen; dieses Haarepithe-
lium schliesst nun eine mehrfache Schicht bandartiger Fasern ein, von
denen jede einzelne aus länglichen kernhaltigen Hornschuppen besteht,
welche an ihren schmalen Seiten mit einander verwachsen sind; die
auf einer Peripherie des Haars liegenden Fasern sind jedoch ebenfalls
untereinander verklebt; im Centrum der Faserschicht endlich liegt das
Haarmark. In dieses ragen, so weit das Haar noch in dem Balg ver-
steckt liegt, Fortsätze aus der Haarwarze, die auch häufig noch eine
Blutgefässschlinge in sich fassen, und ausserdem ist es aus kugeli-
gen Zellen gebildet, die jedoch an dem freistehenden Theile des Haars
vertrocknen und somit zur Bildung lufthaltiger Lücken Veranlassung geben.
Zur Einsicht in den Bau des Haars und seines gleich zu erwähnenden

*) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. 2. Auflage. Leipzig 1855. p. 136.
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[173/0189] Beschleunigung ihrer Bewegung. Haar durch conzentrirte Säuren, Alkalien, Salze, durch Eintrocknen u. s. w. zerstört, so ist die Befähigung zur Bewegung verloren; sie kehrt nament- lich auch nicht wieder, wenn man das einmal eingetrocknete Haar wie- der aufweicht. — 2) Die Schlagfähigkeit der Haare auf solchen Zellen, welche aus ihrem natürlichen Standort entfernt sind, wird verlängert, wenn sie in Lymphe, Blutserum oder in verdünntem Hühnereiweiss auf- gehoben werden. — 3) Die verlangsamte oder auch kurze Zeit erlo- schene Bewegung kann wieder belebt werden durch verdünnte Kalilauge. (Virchow). — Die verlangsamte Bewegung soll wieder bechleunigt werden können durch mechanische Erschütterungen (Valentin und Purkinje). — 4) Die Bewegung erhält sich nur zwischen bestimmten Temperaturgrenzen, welche nach Valentin durch + 6° und 81 +° C. gegeben sind. — 5) Je nach dem Standorte erlischt die Bewegung mehr oder weniger rasch nach dem Tode des Individuums oder in Folge der veränderten Temperatur. Am empfindlichsten sind die Haare in den Geschlechtstheilen. — 6) Als negative Charakteristik, den Muskel- und Nervenmassen gegenüber, ist bemerkenswerth, dass durch verdünnte Lö- sungen von Blausäure, Opium, Strychnin, Kreosot u. s. w. und ebenso- wenig durch elektrische Ströme die Bewegungen beschleunigt oder ver- langsamt werden. Von den Ernährungserscheinungen der Flimmerhaare ist nichts bekannt. Haare. 1. Anatomische Eigenschaften *). Der Haarknopf, oder der Theil des Haars, welcher unmittelbar an die Warze grenzt, besteht durchweg aus kugeligen, kernhaltigen Zellen und freien Kernen (?), ähnlich denen, welche in der Oberhaut auf den Cylinderenden ruhen. Im Haarschaft treten dagegen drei wesentlich verschiedene Formen auf; die Oberfläche dessel- ben wird rings umkleidet von einer einfachen Lage dachziegelförmig übereinandergeschichteter kernloser Hornschüppchen; dieses Haarepithe- lium schliesst nun eine mehrfache Schicht bandartiger Fasern ein, von denen jede einzelne aus länglichen kernhaltigen Hornschuppen besteht, welche an ihren schmalen Seiten mit einander verwachsen sind; die auf einer Peripherie des Haars liegenden Fasern sind jedoch ebenfalls untereinander verklebt; im Centrum der Faserschicht endlich liegt das Haarmark. In dieses ragen, so weit das Haar noch in dem Balg ver- steckt liegt, Fortsätze aus der Haarwarze, die auch häufig noch eine Blutgefässschlinge in sich fassen, und ausserdem ist es aus kugeli- gen Zellen gebildet, die jedoch an dem freistehenden Theile des Haars vertrocknen und somit zur Bildung lufthaltiger Lücken Veranlassung geben. Zur Einsicht in den Bau des Haars und seines gleich zu erwähnenden *) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. 2. Auflage. Leipzig 1855. p. 136.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/189>, abgerufen am 23.04.2024.