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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Niere; Ernährung derselben.
p. 146). Diese Bedenken bleiben hier um so mehr in Kraft, weil aus den Nieren
eines eben getödteten Thieres eine farblose, eiweisshaltige, dem Blutserum ähnlich
zusammengesetzte Flüssigkeit hervortritt, wenn man das entfaserstoffte Blut desselben
Thieres durch die Nierengefässe leitet (Löbell) *), und noch mehr, weil nach einer
wesentlichen Hemmung des Blutstroms in den Nieren des lebenden Thiers, z. B. durch
Verengerung der Nierenvene (H. Meyer, Frerichs), der Urin eiweisshaltig wird.

Der Druck, unter welchem der Harn in die Harnkanälchen tritt, ist
von C. Löbell zu 7 bis 10 MM. Hg gefunden worden; wenn die Hg säule
des in den Ureter eingefügten Manometers bis zu der bezeichneten Höhe
gestiegen war, so hörte, wie es schien, die Harnabsonderung auf.

7. Die Ausstossung der Harns aus der Niere geschieht unzweifelhaft
durch den aus den Blutgefässen nachdringenden Harn; ist er einmal aus
der Papille, oder besser ausgedrückt, aus der leicht zusammendrückbaren
Verlängerung der Harnkanälchen über die Nierenoberfläche getreten, so
kann er in die Niere nicht wieder zurückkehren; denn die Papille wirkt
genau wie ein Röhrenventil (E. H. Weber).

8. Ernährung der Niere. In der fertigen Niere geht ein selbststän-
diger Stoffwechsel vor sich, denn einmal wird häufig ein sauer reagiren-
der Harn aus dem alkalischen Blute abgesondert, es muss also in der
Niere selbst eine Säure entstehen, und dann kommt immer das arterielle
Blut aus ihr venös zurück. -- Nach reichlicher Fettnahrung füllen sich
namentlich bei der Katze die Zellen der Harnkanälchen mit Fett (Lang).
Krankhafter Weise schuppt sich häufig das Epithelium ab und es mehrt
sich der formlose Bindestoff zwischen Harn- und Blutgefässen. -- Nach
Unterbindung der Nierenarterie schwinden unter vorgängiger Erweichung
(Brand) die Nieren häufig so rasch, dass 36 Stunden nach vollendeter
Operation keine Spur mehr von denselben aufzufinden ist (Schultz).
Die Erweichung beginnt in der Cortikalsubstanz und ergreift zuerst die
Gefässhaut der Glomeruli. -- In der fertigen Niere bilden sich zerstörte
Harn- und Blutkanäle nicht wieder.

B. Ureteren und Blase **).

1. Das untere Ende des Ureters durchbohrt die Blasenwand schief, so
dass er auf einer kurzen Strecke zwischen Schleim- und Muskelhaut hingeht.
Die nothwendige Folge dieser so oft im Organismus wiederkehrenden Ver-
bindungsart von Kanal und Behälter besteht darin, dass bei einem jeden
Druck, der von der innern Blasenfläche her wirkt, der Ureter geschlossen
wird; mit einem Worte, es ist dadurch ein Ventil gegeben, welches den
Strom des Harns nur vom Ureter zur Blase möglich macht. -- An dem
Uebergang der Blase in die Harnröhre A (Fig. 57) faltet sich die vordere
Blasenwand B zu einer Grube ein. Daraus folgt, dass bei gefüllter
Blase die Harnröhre ohne Zuthun eines Muskelapparats geschlossen wird

*) Valentin's Jahresbericht für 1849. 157.
**) Kohlrausch, Anatomie und Physiologie der Beckenorgane. 1854.
18*

Niere; Ernährung derselben.
p. 146). Diese Bedenken bleiben hier um so mehr in Kraft, weil aus den Nieren
eines eben getödteten Thieres eine farblose, eiweisshaltige, dem Blutserum ähnlich
zusammengesetzte Flüssigkeit hervortritt, wenn man das entfaserstoffte Blut desselben
Thieres durch die Nierengefässe leitet (Löbell) *), und noch mehr, weil nach einer
wesentlichen Hemmung des Blutstroms in den Nieren des lebenden Thiers, z. B. durch
Verengerung der Nierenvene (H. Meyer, Frerichs), der Urin eiweisshaltig wird.

Der Druck, unter welchem der Harn in die Harnkanälchen tritt, ist
von C. Löbell zu 7 bis 10 MM. Hg gefunden worden; wenn die Hg säule
des in den Ureter eingefügten Manometers bis zu der bezeichneten Höhe
gestiegen war, so hörte, wie es schien, die Harnabsonderung auf.

7. Die Ausstossung der Harns aus der Niere geschieht unzweifelhaft
durch den aus den Blutgefässen nachdringenden Harn; ist er einmal aus
der Papille, oder besser ausgedrückt, aus der leicht zusammendrückbaren
Verlängerung der Harnkanälchen über die Nierenoberfläche getreten, so
kann er in die Niere nicht wieder zurückkehren; denn die Papille wirkt
genau wie ein Röhrenventil (E. H. Weber).

8. Ernährung der Niere. In der fertigen Niere geht ein selbststän-
diger Stoffwechsel vor sich, denn einmal wird häufig ein sauer reagiren-
der Harn aus dem alkalischen Blute abgesondert, es muss also in der
Niere selbst eine Säure entstehen, und dann kommt immer das arterielle
Blut aus ihr venös zurück. — Nach reichlicher Fettnahrung füllen sich
namentlich bei der Katze die Zellen der Harnkanälchen mit Fett (Lang).
Krankhafter Weise schuppt sich häufig das Epithelium ab und es mehrt
sich der formlose Bindestoff zwischen Harn- und Blutgefässen. — Nach
Unterbindung der Nierenarterie schwinden unter vorgängiger Erweichung
(Brand) die Nieren häufig so rasch, dass 36 Stunden nach vollendeter
Operation keine Spur mehr von denselben aufzufinden ist (Schultz).
Die Erweichung beginnt in der Cortikalsubstanz und ergreift zuerst die
Gefässhaut der Glomeruli. — In der fertigen Niere bilden sich zerstörte
Harn- und Blutkanäle nicht wieder.

B. Ureteren und Blase **).

1. Das untere Ende des Ureters durchbohrt die Blasenwand schief, so
dass er auf einer kurzen Strecke zwischen Schleim- und Muskelhaut hingeht.
Die nothwendige Folge dieser so oft im Organismus wiederkehrenden Ver-
bindungsart von Kanal und Behälter besteht darin, dass bei einem jeden
Druck, der von der innern Blasenfläche her wirkt, der Ureter geschlossen
wird; mit einem Worte, es ist dadurch ein Ventil gegeben, welches den
Strom des Harns nur vom Ureter zur Blase möglich macht. — An dem
Uebergang der Blase in die Harnröhre A (Fig. 57) faltet sich die vordere
Blasenwand B zu einer Grube ein. Daraus folgt, dass bei gefüllter
Blase die Harnröhre ohne Zuthun eines Muskelapparats geschlossen wird

*) Valentin’s Jahresbericht für 1849. 157.
**) Kohlrausch, Anatomie und Physiologie der Beckenorgane. 1854.
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[275/0291] Niere; Ernährung derselben. p. 146). Diese Bedenken bleiben hier um so mehr in Kraft, weil aus den Nieren eines eben getödteten Thieres eine farblose, eiweisshaltige, dem Blutserum ähnlich zusammengesetzte Flüssigkeit hervortritt, wenn man das entfaserstoffte Blut desselben Thieres durch die Nierengefässe leitet (Löbell) *), und noch mehr, weil nach einer wesentlichen Hemmung des Blutstroms in den Nieren des lebenden Thiers, z. B. durch Verengerung der Nierenvene (H. Meyer, Frerichs), der Urin eiweisshaltig wird. Der Druck, unter welchem der Harn in die Harnkanälchen tritt, ist von C. Löbell zu 7 bis 10 MM. Hg gefunden worden; wenn die Hg säule des in den Ureter eingefügten Manometers bis zu der bezeichneten Höhe gestiegen war, so hörte, wie es schien, die Harnabsonderung auf. 7. Die Ausstossung der Harns aus der Niere geschieht unzweifelhaft durch den aus den Blutgefässen nachdringenden Harn; ist er einmal aus der Papille, oder besser ausgedrückt, aus der leicht zusammendrückbaren Verlängerung der Harnkanälchen über die Nierenoberfläche getreten, so kann er in die Niere nicht wieder zurückkehren; denn die Papille wirkt genau wie ein Röhrenventil (E. H. Weber). 8. Ernährung der Niere. In der fertigen Niere geht ein selbststän- diger Stoffwechsel vor sich, denn einmal wird häufig ein sauer reagiren- der Harn aus dem alkalischen Blute abgesondert, es muss also in der Niere selbst eine Säure entstehen, und dann kommt immer das arterielle Blut aus ihr venös zurück. — Nach reichlicher Fettnahrung füllen sich namentlich bei der Katze die Zellen der Harnkanälchen mit Fett (Lang). Krankhafter Weise schuppt sich häufig das Epithelium ab und es mehrt sich der formlose Bindestoff zwischen Harn- und Blutgefässen. — Nach Unterbindung der Nierenarterie schwinden unter vorgängiger Erweichung (Brand) die Nieren häufig so rasch, dass 36 Stunden nach vollendeter Operation keine Spur mehr von denselben aufzufinden ist (Schultz). Die Erweichung beginnt in der Cortikalsubstanz und ergreift zuerst die Gefässhaut der Glomeruli. — In der fertigen Niere bilden sich zerstörte Harn- und Blutkanäle nicht wieder. B. Ureteren und Blase **). 1. Das untere Ende des Ureters durchbohrt die Blasenwand schief, so dass er auf einer kurzen Strecke zwischen Schleim- und Muskelhaut hingeht. Die nothwendige Folge dieser so oft im Organismus wiederkehrenden Ver- bindungsart von Kanal und Behälter besteht darin, dass bei einem jeden Druck, der von der innern Blasenfläche her wirkt, der Ureter geschlossen wird; mit einem Worte, es ist dadurch ein Ventil gegeben, welches den Strom des Harns nur vom Ureter zur Blase möglich macht. — An dem Uebergang der Blase in die Harnröhre A (Fig. 57) faltet sich die vordere Blasenwand B zu einer Grube ein. Daraus folgt, dass bei gefüllter Blase die Harnröhre ohne Zuthun eines Muskelapparats geschlossen wird *) Valentin’s Jahresbericht für 1849. 157. **) Kohlrausch, Anatomie und Physiologie der Beckenorgane. 1854. 18*

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/291>, abgerufen am 29.03.2024.