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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Dickdarm.
Darmbewegung nicht (Haffter)*). Auf welchem Wege die leidenschaft-
liche Erregung des Gehirns Einfluss auf die Darmbewegung gewinnt, ist
unklar.

Ueber die erregenden Wirkungen des Blutlaufes auf die Darmmuskeln siehe
Schiff und Betz.

4. Dickdarm.

Das Verhältniss zwischen Wandausdehnung und Binnenraum stellt
ihn in die Mitte zwischen Magen und Dünndarm. Die auf- und abstei-
gende Richtung seiner Höhle, welche durch die Bauchfellanheftung un-
verrückt erhalten wird, bedingt nothwendig die Scheidung des flüssigen
und festen vom gasförmigen Inhalte, indem der letztere ebensowohl
vom Coecum als vom Rectum gegen den Quergrimmdarm emporsteigen
wird. Die Massen, welche einmal aus dem dünnen in den dicken Darm
getreten sind, werden durch das häutige Ventil zwischen beiden, die Val-
vula Bauhini, verhindert, nach dem Ileum zurückzukehren, da dasselbe
die weitere Mündung seines trichterförmigen Hohlraumes gegen diesen
letzteren Darm kehrt. Die Last des Kothes ruht im Beginn des Dick-
darmes nicht auf dieser Klappe, sondern auf dem Coecum, weil sie be-
kanntlich wie die Mündung des Dünndarmes selbst an der Seitenwand
des Colon angebracht ist. Der im Colon ascendens aufsteigende Koth
findet in den seitlichen Buchten (den haustra) Ruhepunkte, wenn die ihn
emportreibende Bewegung nachlässt. Aus diesen muss er wegen ihrer
spiraligen Anordnung bei wieder beginnender Bewegung nach oben
gehen. Der Inhalt des absteigenden Grimmdarmes wird aus demselben
Grunde nicht unmittelbar nach unten sinken. Ist er aber einmal im
Mastdarme angelangt, so drückt er nicht unmittelbar gegen die Oeffnung
desselben, sondern er lastet, so lange er oberhalb der Blase steht, auf
dieser, und ist er hinter sie gelangt, auf der plica transversalis recti und
der Ausbiegung des Kreutzbeines, so dass er selbst durch den geöffneten
After (nach Durchschneidung oder Lähmung der Sphinktern) vermittelst
der Schwere nicht ausgedrückt wird (Kohlrausch)**).

Auf die Bewegungen des Dickdarmes findet das beim Dünndarme
Gesagte seine volle Anwendung. Der verbreiteten Annahme, dass der sphinc-
ter ani durch seinen stetigen Schluss den Austritt des Kothes hemme,
steht die schon angeführte Wahrnehmung des gleichen Verhaltens bei
gelähmtem Afterschliesser entgegen; aber auch in vollkommen beweg-
lichem Zustande ist der Anus nicht immer gesperrt, wie man bei Tou-
chiren desselben leicht wahrnimmt. Von der Haut des Aftereinganges
kann dagegen sehr leicht eine reflektorische Bewegung eingeleitet werden.
Auffallend bleibt der lange Zeitraum, welchen der Koth zu seinem Durch-
gange durch das Colon bedarf.

*) Henle's u. Pfeufer's Zeitschrift. N. F. IV. Bd. 322.
**) Zur Anatomie und Physiologie der Beckenorgane. Leipzig 1854. p. 5 u. f.

Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Dickdarm.
Darmbewegung nicht (Haffter)*). Auf welchem Wege die leidenschaft-
liche Erregung des Gehirns Einfluss auf die Darmbewegung gewinnt, ist
unklar.

Ueber die erregenden Wirkungen des Blutlaufes auf die Darmmuskeln siehe
Schiff und Betz.

4. Dickdarm.

Das Verhältniss zwischen Wandausdehnung und Binnenraum stellt
ihn in die Mitte zwischen Magen und Dünndarm. Die auf- und abstei-
gende Richtung seiner Höhle, welche durch die Bauchfellanheftung un-
verrückt erhalten wird, bedingt nothwendig die Scheidung des flüssigen
und festen vom gasförmigen Inhalte, indem der letztere ebensowohl
vom Coecum als vom Rectum gegen den Quergrimmdarm emporsteigen
wird. Die Massen, welche einmal aus dem dünnen in den dicken Darm
getreten sind, werden durch das häutige Ventil zwischen beiden, die Val-
vula Bauhini, verhindert, nach dem Ileum zurückzukehren, da dasselbe
die weitere Mündung seines trichterförmigen Hohlraumes gegen diesen
letzteren Darm kehrt. Die Last des Kothes ruht im Beginn des Dick-
darmes nicht auf dieser Klappe, sondern auf dem Coecum, weil sie be-
kanntlich wie die Mündung des Dünndarmes selbst an der Seitenwand
des Colon angebracht ist. Der im Colon ascendens aufsteigende Koth
findet in den seitlichen Buchten (den haustra) Ruhepunkte, wenn die ihn
emportreibende Bewegung nachlässt. Aus diesen muss er wegen ihrer
spiraligen Anordnung bei wieder beginnender Bewegung nach oben
gehen. Der Inhalt des absteigenden Grimmdarmes wird aus demselben
Grunde nicht unmittelbar nach unten sinken. Ist er aber einmal im
Mastdarme angelangt, so drückt er nicht unmittelbar gegen die Oeffnung
desselben, sondern er lastet, so lange er oberhalb der Blase steht, auf
dieser, und ist er hinter sie gelangt, auf der plica transversalis recti und
der Ausbiegung des Kreutzbeines, so dass er selbst durch den geöffneten
After (nach Durchschneidung oder Lähmung der Sphinktern) vermittelst
der Schwere nicht ausgedrückt wird (Kohlrausch)**).

Auf die Bewegungen des Dickdarmes findet das beim Dünndarme
Gesagte seine volle Anwendung. Der verbreiteten Annahme, dass der sphinc-
ter ani durch seinen stetigen Schluss den Austritt des Kothes hemme,
steht die schon angeführte Wahrnehmung des gleichen Verhaltens bei
gelähmtem Afterschliesser entgegen; aber auch in vollkommen beweg-
lichem Zustande ist der Anus nicht immer gesperrt, wie man bei Tou-
chiren desselben leicht wahrnimmt. Von der Haut des Aftereinganges
kann dagegen sehr leicht eine reflektorische Bewegung eingeleitet werden.
Auffallend bleibt der lange Zeitraum, welchen der Koth zu seinem Durch-
gange durch das Colon bedarf.

*) Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. IV. Bd. 322.
**) Zur Anatomie und Physiologie der Beckenorgane. Leipzig 1854. p. 5 u. f.
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[399/0415] Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Dickdarm. Darmbewegung nicht (Haffter) *). Auf welchem Wege die leidenschaft- liche Erregung des Gehirns Einfluss auf die Darmbewegung gewinnt, ist unklar. Ueber die erregenden Wirkungen des Blutlaufes auf die Darmmuskeln siehe Schiff und Betz. 4. Dickdarm. Das Verhältniss zwischen Wandausdehnung und Binnenraum stellt ihn in die Mitte zwischen Magen und Dünndarm. Die auf- und abstei- gende Richtung seiner Höhle, welche durch die Bauchfellanheftung un- verrückt erhalten wird, bedingt nothwendig die Scheidung des flüssigen und festen vom gasförmigen Inhalte, indem der letztere ebensowohl vom Coecum als vom Rectum gegen den Quergrimmdarm emporsteigen wird. Die Massen, welche einmal aus dem dünnen in den dicken Darm getreten sind, werden durch das häutige Ventil zwischen beiden, die Val- vula Bauhini, verhindert, nach dem Ileum zurückzukehren, da dasselbe die weitere Mündung seines trichterförmigen Hohlraumes gegen diesen letzteren Darm kehrt. Die Last des Kothes ruht im Beginn des Dick- darmes nicht auf dieser Klappe, sondern auf dem Coecum, weil sie be- kanntlich wie die Mündung des Dünndarmes selbst an der Seitenwand des Colon angebracht ist. Der im Colon ascendens aufsteigende Koth findet in den seitlichen Buchten (den haustra) Ruhepunkte, wenn die ihn emportreibende Bewegung nachlässt. Aus diesen muss er wegen ihrer spiraligen Anordnung bei wieder beginnender Bewegung nach oben gehen. Der Inhalt des absteigenden Grimmdarmes wird aus demselben Grunde nicht unmittelbar nach unten sinken. Ist er aber einmal im Mastdarme angelangt, so drückt er nicht unmittelbar gegen die Oeffnung desselben, sondern er lastet, so lange er oberhalb der Blase steht, auf dieser, und ist er hinter sie gelangt, auf der plica transversalis recti und der Ausbiegung des Kreutzbeines, so dass er selbst durch den geöffneten After (nach Durchschneidung oder Lähmung der Sphinktern) vermittelst der Schwere nicht ausgedrückt wird (Kohlrausch) **). Auf die Bewegungen des Dickdarmes findet das beim Dünndarme Gesagte seine volle Anwendung. Der verbreiteten Annahme, dass der sphinc- ter ani durch seinen stetigen Schluss den Austritt des Kothes hemme, steht die schon angeführte Wahrnehmung des gleichen Verhaltens bei gelähmtem Afterschliesser entgegen; aber auch in vollkommen beweg- lichem Zustande ist der Anus nicht immer gesperrt, wie man bei Tou- chiren desselben leicht wahrnimmt. Von der Haut des Aftereinganges kann dagegen sehr leicht eine reflektorische Bewegung eingeleitet werden. Auffallend bleibt der lange Zeitraum, welchen der Koth zu seinem Durch- gange durch das Colon bedarf. *) Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. IV. Bd. 322. **) Zur Anatomie und Physiologie der Beckenorgane. Leipzig 1854. p. 5 u. f.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/415>, abgerufen am 29.03.2024.