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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 45. Die Dienstgewalt.
verhältnisses sich mit ihrem Inhalt deckt oder darüber hinausgeht
(z. B. bei einer bloßen Suspension); unvollstreckbar, soweit es sich
um Strafen handelt, die bloß dadurch wirksam werden, daß sie von
einem Vorgesetzten an den Untergebenen dienstlich vollzogen werden,
wie Warnungen und Verweise.

Endlich wird die Disciplinarstrafe ausgeschlossen durch das Er-
löschen der Dienststrafgewalt,
welche durch die Verfehlung
zum Einschreiten berufen worden war. Das kann zusammentreffen
mit dem vorigen Fall, muß es aber nicht. Das Erlöschen der Dienst-
strafgewalt kann so geschehen, daß der Schuldige überhaupt in keiner
öffentlichen Dienstpflicht mehr steht23, oder so, daß er den Dienst-
herrn wechselt, aus dem Dienste eines Selbstverwaltungskörpers in
Staatsdienst übertritt und umgekehrt24, oder so, daß er unter Bei-
behaltung des Dienstherrn nur in eine andere Dienstesart tritt, für
welche eine andere Dienststrafgewalt geordnet ist: diese ist dann
überhaupt nicht berufen, wegen der alten Verfehlung vorzugehen, und
die bisherige Dienststrafgewalt ist nicht mehr dazu berufen25. Dieser

23 Kanngießer, ReichsB.R. S. 163, will die Unzulässigkeit nachträglicher
Disciplinarverfolgung auf eine Art reinigender Kraft des Aktes der Pensionierung
zurückführen, der eine "endgültige Feststellung pflichttreuer Dienstführung" be-
deute. Allein die gleiche Regel gilt auch da, wo die Dienstpflicht etwa mit Ab-
lauf ihrer Zeit von selbst aufhört, wie das bei Ehrenbeamten zutreffen kann; da
ist dann ein besonderer Akt, dem man die Wirkung zuschreiben könnte, nicht
zu finden.
24 Kreishauptmannschaft Zwickau 31. Mai 1880 (Sächs. Ztschft. f. Pr. I
S. 333 ff.): Ein Gemeindebeamter ist in den Dienst einer anderen Stadt über-
getreten und soll jetzt von der neuen Dienstbehörde wegen einer im alten Dienst-
verhältnis vorgekommenen Verfehlung einen Verweis bekommen. Dazu ist diese
nicht zuständig; "die Anklage steht zu dem Pflichteide, welchen der Beamte dem
jetzigen Stadtrate geleistet hat, in keiner Beziehung". Die frühere Dienstbehörde
ist allerdings auch unzuständig, weil sie eben nicht mehr Dienstbehörde ist; "das
Disciplinarverfahren hat durch das jeweilige Dienstverhältnis seine Grenzen".
25 Auch darin bewährt sich der Satz, daß das Disciplinarstrafrecht auf der
Dienstgewalt beruht; Laband, St.R. I S. 465 (3. Aufl. S. 445); derselbe in Mar-
quardsens Handb. I, 1, S. 65; Rehm in Annalen 1885 S. 192. Der Berufskonsul
kann nicht disciplinarisch verfolgt werden wegen der Verfehlung, die er sich vorher
als Handelsrichter im Ehrenamt hat zu Schulden kommen lassen, noch der Finanz-
beamte wegen nachträglich entdeckter Disciplinwidrigkeiten in seiner Laufbahn
als Berufsoffizier. Ein bloßer Wechsel der örtlich zuständigen Disciplinarbehörde
ist gleichgültig, sofern nur die Art des Dienstes die nämliche bleibt; aber jede
Dienststrafgewalt ist nur für die entsprechende Art von Dienst da und greift nicht
darüber hinaus; daher diese Grenze. In diesen Zusammenhang dürfte die Frage
gehören, welche Seydel, Bayr. St.R. III S. 500 ff., bespricht. Nach bayrischem
Rechte haben die in endgültigen Ruhestand Versetzten nicht bloß noch gewisse

§ 45. Die Dienstgewalt.
verhältnisses sich mit ihrem Inhalt deckt oder darüber hinausgeht
(z. B. bei einer bloßen Suspension); unvollstreckbar, soweit es sich
um Strafen handelt, die bloß dadurch wirksam werden, daß sie von
einem Vorgesetzten an den Untergebenen dienstlich vollzogen werden,
wie Warnungen und Verweise.

Endlich wird die Disciplinarstrafe ausgeschlossen durch das Er-
löschen der Dienststrafgewalt,
welche durch die Verfehlung
zum Einschreiten berufen worden war. Das kann zusammentreffen
mit dem vorigen Fall, muß es aber nicht. Das Erlöschen der Dienst-
strafgewalt kann so geschehen, daß der Schuldige überhaupt in keiner
öffentlichen Dienstpflicht mehr steht23, oder so, daß er den Dienst-
herrn wechselt, aus dem Dienste eines Selbstverwaltungskörpers in
Staatsdienst übertritt und umgekehrt24, oder so, daß er unter Bei-
behaltung des Dienstherrn nur in eine andere Dienstesart tritt, für
welche eine andere Dienststrafgewalt geordnet ist: diese ist dann
überhaupt nicht berufen, wegen der alten Verfehlung vorzugehen, und
die bisherige Dienststrafgewalt ist nicht mehr dazu berufen25. Dieser

23 Kanngießer, ReichsB.R. S. 163, will die Unzulässigkeit nachträglicher
Disciplinarverfolgung auf eine Art reinigender Kraft des Aktes der Pensionierung
zurückführen, der eine „endgültige Feststellung pflichttreuer Dienstführung“ be-
deute. Allein die gleiche Regel gilt auch da, wo die Dienstpflicht etwa mit Ab-
lauf ihrer Zeit von selbst aufhört, wie das bei Ehrenbeamten zutreffen kann; da
ist dann ein besonderer Akt, dem man die Wirkung zuschreiben könnte, nicht
zu finden.
24 Kreishauptmannschaft Zwickau 31. Mai 1880 (Sächs. Ztschft. f. Pr. I
S. 333 ff.): Ein Gemeindebeamter ist in den Dienst einer anderen Stadt über-
getreten und soll jetzt von der neuen Dienstbehörde wegen einer im alten Dienst-
verhältnis vorgekommenen Verfehlung einen Verweis bekommen. Dazu ist diese
nicht zuständig; „die Anklage steht zu dem Pflichteide, welchen der Beamte dem
jetzigen Stadtrate geleistet hat, in keiner Beziehung“. Die frühere Dienstbehörde
ist allerdings auch unzuständig, weil sie eben nicht mehr Dienstbehörde ist; „das
Disciplinarverfahren hat durch das jeweilige Dienstverhältnis seine Grenzen“.
25 Auch darin bewährt sich der Satz, daß das Disciplinarstrafrecht auf der
Dienstgewalt beruht; Laband, St.R. I S. 465 (3. Aufl. S. 445); derselbe in Mar-
quardsens Handb. I, 1, S. 65; Rehm in Annalen 1885 S. 192. Der Berufskonsul
kann nicht disciplinarisch verfolgt werden wegen der Verfehlung, die er sich vorher
als Handelsrichter im Ehrenamt hat zu Schulden kommen lassen, noch der Finanz-
beamte wegen nachträglich entdeckter Disciplinwidrigkeiten in seiner Laufbahn
als Berufsoffizier. Ein bloßer Wechsel der örtlich zuständigen Disciplinarbehörde
ist gleichgültig, sofern nur die Art des Dienstes die nämliche bleibt; aber jede
Dienststrafgewalt ist nur für die entsprechende Art von Dienst da und greift nicht
darüber hinaus; daher diese Grenze. In diesen Zusammenhang dürfte die Frage
gehören, welche Seydel, Bayr. St.R. III S. 500 ff., bespricht. Nach bayrischem
Rechte haben die in endgültigen Ruhestand Versetzten nicht bloß noch gewisse
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[247/0259] § 45. Die Dienstgewalt. verhältnisses sich mit ihrem Inhalt deckt oder darüber hinausgeht (z. B. bei einer bloßen Suspension); unvollstreckbar, soweit es sich um Strafen handelt, die bloß dadurch wirksam werden, daß sie von einem Vorgesetzten an den Untergebenen dienstlich vollzogen werden, wie Warnungen und Verweise. Endlich wird die Disciplinarstrafe ausgeschlossen durch das Er- löschen der Dienststrafgewalt, welche durch die Verfehlung zum Einschreiten berufen worden war. Das kann zusammentreffen mit dem vorigen Fall, muß es aber nicht. Das Erlöschen der Dienst- strafgewalt kann so geschehen, daß der Schuldige überhaupt in keiner öffentlichen Dienstpflicht mehr steht 23, oder so, daß er den Dienst- herrn wechselt, aus dem Dienste eines Selbstverwaltungskörpers in Staatsdienst übertritt und umgekehrt 24, oder so, daß er unter Bei- behaltung des Dienstherrn nur in eine andere Dienstesart tritt, für welche eine andere Dienststrafgewalt geordnet ist: diese ist dann überhaupt nicht berufen, wegen der alten Verfehlung vorzugehen, und die bisherige Dienststrafgewalt ist nicht mehr dazu berufen 25. Dieser 23 Kanngießer, ReichsB.R. S. 163, will die Unzulässigkeit nachträglicher Disciplinarverfolgung auf eine Art reinigender Kraft des Aktes der Pensionierung zurückführen, der eine „endgültige Feststellung pflichttreuer Dienstführung“ be- deute. Allein die gleiche Regel gilt auch da, wo die Dienstpflicht etwa mit Ab- lauf ihrer Zeit von selbst aufhört, wie das bei Ehrenbeamten zutreffen kann; da ist dann ein besonderer Akt, dem man die Wirkung zuschreiben könnte, nicht zu finden. 24 Kreishauptmannschaft Zwickau 31. Mai 1880 (Sächs. Ztschft. f. Pr. I S. 333 ff.): Ein Gemeindebeamter ist in den Dienst einer anderen Stadt über- getreten und soll jetzt von der neuen Dienstbehörde wegen einer im alten Dienst- verhältnis vorgekommenen Verfehlung einen Verweis bekommen. Dazu ist diese nicht zuständig; „die Anklage steht zu dem Pflichteide, welchen der Beamte dem jetzigen Stadtrate geleistet hat, in keiner Beziehung“. Die frühere Dienstbehörde ist allerdings auch unzuständig, weil sie eben nicht mehr Dienstbehörde ist; „das Disciplinarverfahren hat durch das jeweilige Dienstverhältnis seine Grenzen“. 25 Auch darin bewährt sich der Satz, daß das Disciplinarstrafrecht auf der Dienstgewalt beruht; Laband, St.R. I S. 465 (3. Aufl. S. 445); derselbe in Mar- quardsens Handb. I, 1, S. 65; Rehm in Annalen 1885 S. 192. Der Berufskonsul kann nicht disciplinarisch verfolgt werden wegen der Verfehlung, die er sich vorher als Handelsrichter im Ehrenamt hat zu Schulden kommen lassen, noch der Finanz- beamte wegen nachträglich entdeckter Disciplinwidrigkeiten in seiner Laufbahn als Berufsoffizier. Ein bloßer Wechsel der örtlich zuständigen Disciplinarbehörde ist gleichgültig, sofern nur die Art des Dienstes die nämliche bleibt; aber jede Dienststrafgewalt ist nur für die entsprechende Art von Dienst da und greift nicht darüber hinaus; daher diese Grenze. In diesen Zusammenhang dürfte die Frage gehören, welche Seydel, Bayr. St.R. III S. 500 ff., bespricht. Nach bayrischem Rechte haben die in endgültigen Ruhestand Versetzten nicht bloß noch gewisse

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/259>, abgerufen am 28.03.2024.