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Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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hervor, die die Röthe seines breiten Gesichts bis ins Violette steigerte, was das Gemüth der Seinigen jedesmal mit den lebhaftesten Befürchtungen erfüllte.

Eben war der Bürgermeister daran, sein Frühstück, das aus einem kalten Capaun und einer Flasche Franzwein bestand, zu beendigen, als der Gerichtsdiener Süpple eintrat und salutirend stehen blieb.

Euer Ehren, meldete er nach einer Pause mit allen Zeichen großer Bestürzung, ich komme von wegen des Kornergeorg's.

Sich verantworten? schrie der Bürgermeister, indem sein Gesicht schon in Zorn zu erglühen begann, sich verantworten? Eurer schmählichen Unachtsamkeit ist es zuzuschreiben, wenn es den Kameraden des Gehenkten gelang, seinen Leichnam zu stehlen. Doch das Alles ist Unsinn. Was soll daraus werden?

Herr Bürgermeister -- hob der Gerichtsdiener wieder an.

Nun, nun, davongeflogen kann er nicht sein, fiel Scipio Balbus dem Gerichtsdiener in die Rede und fuhr gereift fort: oder wollt Ihr mir einreden, der Teufel habe ihn davongetragen? Es giebt Leute, die dumm genug sind, das zu glauben. Der Barbier zum Beispiel dort glaubt fest daran -- wir aber sind aufgeklärte Beamte, wir wittern ein Complott von Spießgesellen des Kornergeorg und werden die genauesten Nachforschungen anstellen, um es herauszukriegen, welche verruchte Hand das gethan. Ja, wir wittern

hervor, die die Röthe seines breiten Gesichts bis ins Violette steigerte, was das Gemüth der Seinigen jedesmal mit den lebhaftesten Befürchtungen erfüllte.

Eben war der Bürgermeister daran, sein Frühstück, das aus einem kalten Capaun und einer Flasche Franzwein bestand, zu beendigen, als der Gerichtsdiener Süpple eintrat und salutirend stehen blieb.

Euer Ehren, meldete er nach einer Pause mit allen Zeichen großer Bestürzung, ich komme von wegen des Kornergeorg's.

Sich verantworten? schrie der Bürgermeister, indem sein Gesicht schon in Zorn zu erglühen begann, sich verantworten? Eurer schmählichen Unachtsamkeit ist es zuzuschreiben, wenn es den Kameraden des Gehenkten gelang, seinen Leichnam zu stehlen. Doch das Alles ist Unsinn. Was soll daraus werden?

Herr Bürgermeister — hob der Gerichtsdiener wieder an.

Nun, nun, davongeflogen kann er nicht sein, fiel Scipio Balbus dem Gerichtsdiener in die Rede und fuhr gereift fort: oder wollt Ihr mir einreden, der Teufel habe ihn davongetragen? Es giebt Leute, die dumm genug sind, das zu glauben. Der Barbier zum Beispiel dort glaubt fest daran — wir aber sind aufgeklärte Beamte, wir wittern ein Complott von Spießgesellen des Kornergeorg und werden die genauesten Nachforschungen anstellen, um es herauszukriegen, welche verruchte Hand das gethan. Ja, wir wittern

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Zitationshilfe: Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/45>, abgerufen am 28.03.2024.