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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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VI. Wirthshausforschungen -- erste Hotels -- Tantiemesystem.
kommen gleichgiltig ist, was sie zahlen, denn ein erstes
Hotel ist in jenen oft nicht zu ermitteln, weil sich mehre in den
Vorrang theilen, dann sind unter diesen Ersten oft gerade
die überfülltesten und geräuschvollsten, sie muthen einzeln er-
scheinenden Wanderern unwillkommene Kletterpartien zu und
lassen in der Bedienung zu wünschen; elektrische Klingelzüge
sind zwar oft angebracht, was hilft das aber, wenn das Per-
sonal um so weniger elektrisch oder zu vielfach beansprucht
ist. Das Gegenstück bilden junge Leute, die, um ihre Reise-
casse zu schonen, auf ihrer ersten Ferienreise anständig aus-
sehende Häuser meidend, Fuhrmannsherbergen aufsuchen und
da wie Dienstboten verpflegt aber wie Herren besteuert wer-
den. Viele verlassen sich auf ihr Reisehandbuch und dessen
Sterne, wieder Andere bevorzugen dort nicht empfohlene
Wirthschaften und versichern, daß das von solchen Himmels-
körpern ausgestrahlte Licht ein trügerisches sei, weil das Lob
meist auf früheren Verhältnissen beruhe, die mittlerweile an-
deren Platz gemacht, und zwar dieses nicht selten eben in Folge
der Anpreisung und des dadurch herbeigeführten Andrangs,
während die mangelnde Empfehlung als Correctiv gewirkt
habe. -- Also immer einen der in Reisebüchern nicht genann-
ten Gasthöfe wählen? -- Das ebensowenig. -- Nun was
denn? --

Die Praxis, die ich seit Jahren festhalte, ist die. Zu-
vörderst meide ich sorgsam Wirthshäuser, die mir, ohne daß
ich danach gefragt, empfohlen werden, entweder mündlich oder
von eigens dafür angestellten Agenten, sogenannten Enga-
geurs, die auf Dampfschiffen, Eisenbahnwagen u. a. öffent-
lichen Orten ihr seelenverkäuferisches Wesen treiben -- nicht
selten sind die Gasthalter selbst ihre eigenen Geschäftsreisen-
den -- oder von Kutschern, Führern, Post- und Eisenbahn-
schaffnern, durch gedruckte Zettel, die auf Straßen, Bahn-
höfen vertheilt, in Waggons geworfen werden; ebenso kehre
ich nie in solchen ein, deren Omnibuskutscher und Hausknechte
auf dem Bahnhof sich durch Zudringlichkeit auszeichnen: --

VI. Wirthshausforſchungen — erſte Hotels — Tantiemeſyſtem.
kommen gleichgiltig iſt, was ſie zahlen, denn ein erſtes
Hôtel iſt in jenen oft nicht zu ermitteln, weil ſich mehre in den
Vorrang theilen, dann ſind unter dieſen Erſten oft gerade
die überfüllteſten und geräuſchvollſten, ſie muthen einzeln er-
ſcheinenden Wanderern unwillkommene Kletterpartien zu und
laſſen in der Bedienung zu wünſchen; elektriſche Klingelzüge
ſind zwar oft angebracht, was hilft das aber, wenn das Per-
ſonal um ſo weniger elektriſch oder zu vielfach beanſprucht
iſt. Das Gegenſtück bilden junge Leute, die, um ihre Reiſe-
caſſe zu ſchonen, auf ihrer erſten Ferienreiſe anſtändig aus-
ſehende Häuſer meidend, Fuhrmannsherbergen aufſuchen und
da wie Dienſtboten verpflegt aber wie Herren beſteuert wer-
den. Viele verlaſſen ſich auf ihr Reiſehandbuch und deſſen
Sterne, wieder Andere bevorzugen dort nicht empfohlene
Wirthſchaften und verſichern, daß das von ſolchen Himmels-
körpern ausgeſtrahlte Licht ein trügeriſches ſei, weil das Lob
meiſt auf früheren Verhältniſſen beruhe, die mittlerweile an-
deren Platz gemacht, und zwar dieſes nicht ſelten eben in Folge
der Anpreiſung und des dadurch herbeigeführten Andrangs,
während die mangelnde Empfehlung als Correctiv gewirkt
habe. — Alſo immer einen der in Reiſebüchern nicht genann-
ten Gaſthöfe wählen? — Das ebenſowenig. — Nun was
denn? —

Die Praxis, die ich ſeit Jahren feſthalte, iſt die. Zu-
vörderſt meide ich ſorgſam Wirthshäuſer, die mir, ohne daß
ich danach gefragt, empfohlen werden, entweder mündlich oder
von eigens dafür angeſtellten Agenten, ſogenannten Enga-
geurs, die auf Dampfſchiffen, Eiſenbahnwagen u. a. öffent-
lichen Orten ihr ſeelenverkäuferiſches Weſen treiben — nicht
ſelten ſind die Gaſthalter ſelbſt ihre eigenen Geſchäftsreiſen-
den — oder von Kutſchern, Führern, Poſt- und Eiſenbahn-
ſchaffnern, durch gedruckte Zettel, die auf Straßen, Bahn-
höfen vertheilt, in Waggons geworfen werden; ebenſo kehre
ich nie in ſolchen ein, deren Omnibuskutſcher und Hausknechte
auf dem Bahnhof ſich durch Zudringlichkeit auszeichnen: —

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[166/0180] VI. Wirthshausforſchungen — erſte Hotels — Tantiemeſyſtem. kommen gleichgiltig iſt, was ſie zahlen, denn ein erſtes Hôtel iſt in jenen oft nicht zu ermitteln, weil ſich mehre in den Vorrang theilen, dann ſind unter dieſen Erſten oft gerade die überfüllteſten und geräuſchvollſten, ſie muthen einzeln er- ſcheinenden Wanderern unwillkommene Kletterpartien zu und laſſen in der Bedienung zu wünſchen; elektriſche Klingelzüge ſind zwar oft angebracht, was hilft das aber, wenn das Per- ſonal um ſo weniger elektriſch oder zu vielfach beanſprucht iſt. Das Gegenſtück bilden junge Leute, die, um ihre Reiſe- caſſe zu ſchonen, auf ihrer erſten Ferienreiſe anſtändig aus- ſehende Häuſer meidend, Fuhrmannsherbergen aufſuchen und da wie Dienſtboten verpflegt aber wie Herren beſteuert wer- den. Viele verlaſſen ſich auf ihr Reiſehandbuch und deſſen Sterne, wieder Andere bevorzugen dort nicht empfohlene Wirthſchaften und verſichern, daß das von ſolchen Himmels- körpern ausgeſtrahlte Licht ein trügeriſches ſei, weil das Lob meiſt auf früheren Verhältniſſen beruhe, die mittlerweile an- deren Platz gemacht, und zwar dieſes nicht ſelten eben in Folge der Anpreiſung und des dadurch herbeigeführten Andrangs, während die mangelnde Empfehlung als Correctiv gewirkt habe. — Alſo immer einen der in Reiſebüchern nicht genann- ten Gaſthöfe wählen? — Das ebenſowenig. — Nun was denn? — Die Praxis, die ich ſeit Jahren feſthalte, iſt die. Zu- vörderſt meide ich ſorgſam Wirthshäuſer, die mir, ohne daß ich danach gefragt, empfohlen werden, entweder mündlich oder von eigens dafür angeſtellten Agenten, ſogenannten Enga- geurs, die auf Dampfſchiffen, Eiſenbahnwagen u. a. öffent- lichen Orten ihr ſeelenverkäuferiſches Weſen treiben — nicht ſelten ſind die Gaſthalter ſelbſt ihre eigenen Geſchäftsreiſen- den — oder von Kutſchern, Führern, Poſt- und Eiſenbahn- ſchaffnern, durch gedruckte Zettel, die auf Straßen, Bahn- höfen vertheilt, in Waggons geworfen werden; ebenſo kehre ich nie in ſolchen ein, deren Omnibuskutſcher und Hausknechte auf dem Bahnhof ſich durch Zudringlichkeit auszeichnen: —

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/180>, abgerufen am 18.04.2024.