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Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

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diesem ins männliche Alter. Da er zunimmt an
Göttlicher Weißheit, Verstand und Kräfften, das
thierische sinnliche Leben männlich zu beherrschen.
Sehet, liebe Freunde! diß ist kürtzlich mein Be-
griff von der Wiedergebuhrt und dem neuen Men-
schen. Empfindet der Mensch nicht einen bestän-
digen Hunger und Verlangen in sich GOttes hei-
ligsten Willen zu erkennen und zu thun, sondern
trachtet nur immer Tag und Nacht nach denen
Dingen dieser Welt: Fleisches-Lust, Augen-Lust,
Divertissements, Geld, Gut, Reichthum, Ehre,
Ruhm und dergleichen Eitelkeiten: Da stehets mit
der Wiedergebuhrt auf gar schwachen Füssen; oder
ist wohl nichts anders als ein natürliches thierisches
Leben vorhanden. Wornach sich ein jeder leicht-
lich wird prüfen können: wes Geistes Kind er seye.
Von denen Stuffen und Eigenschafften eines
männlichen Alters in CHristo ist wohl nicht gar
nöthig vieles zu reden. Da ohnedem wenig Kin-
der, noch weniger Jünglinge, und am wenigsten
starcke Männer angetroffen werden. Diesen letz-
tern auch kein Unterricht nöthig ist: sondern sie viel-
mehr selbsten durch das ihnen beywohnende Licht
der Gnaden andere lehren können! welche sich aber
öffters müssen gefallen lassen von der Welt mit de-
nen Ehren-Tituln der Quacker, Enthusiasten,
Phantasten und dergleichen belegen zu lassen. Da
doch die heilige Schrifft (welche dergleichen Titul-
liberale Leute mit dem Munde vor ihre Richtschnur
annehmen) mit ausdrücklichen Worten bezeuget:
Daß wer Christi Geist nicht hat, nicht sein seye.
Und


dieſem ins maͤnnliche Alter. Da er zunimmt an
Goͤttlicher Weißheit, Verſtand und Kraͤfften, das
thieriſche ſinnliche Leben maͤnnlich zu beherrſchen.
Sehet, liebe Freunde! diß iſt kuͤrtzlich mein Be-
griff von der Wiedergebuhrt und dem neuen Men-
ſchen. Empfindet der Menſch nicht einen beſtaͤn-
digen Hunger und Verlangen in ſich GOttes hei-
ligſten Willen zu erkennen und zu thun, ſondern
trachtet nur immer Tag und Nacht nach denen
Dingen dieſer Welt: Fleiſches-Luſt, Augen-Luſt,
Divertiſſements, Geld, Gut, Reichthum, Ehre,
Ruhm und dergleichen Eitelkeiten: Da ſtehets mit
der Wiedergebuhrt auf gar ſchwachen Fuͤſſen; oder
iſt wohl nichts anders als ein natuͤrliches thieriſches
Leben vorhanden. Wornach ſich ein jeder leicht-
lich wird pruͤfen koͤnnen: wes Geiſtes Kind er ſeye.
Von denen Stuffen und Eigenſchafften eines
maͤnnlichen Alters in CHriſto iſt wohl nicht gar
noͤthig vieles zu reden. Da ohnedem wenig Kin-
der, noch weniger Juͤnglinge, und am wenigſten
ſtarcke Maͤnner angetroffen werden. Dieſen letz-
tern auch kein Unterricht noͤthig iſt: ſondern ſie viel-
mehr ſelbſten durch das ihnen beywohnende Licht
der Gnaden andere lehren koͤnnen! welche ſich aber
oͤffters muͤſſen gefallen laſſen von der Welt mit de-
nen Ehren-Tituln der Quacker, Enthuſiaſten,
Phantaſten und dergleichen belegen zu laſſen. Da
doch die heilige Schrifft (welche dergleichen Titul-
liberale Leute mit dem Munde vor ihre Richtſchnur
annehmen) mit ausdruͤcklichen Worten bezeuget:
Daß wer Chriſti Geiſt nicht hat, nicht ſein ſeye.
Und
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[91/0097] dieſem ins maͤnnliche Alter. Da er zunimmt an Goͤttlicher Weißheit, Verſtand und Kraͤfften, das thieriſche ſinnliche Leben maͤnnlich zu beherrſchen. Sehet, liebe Freunde! diß iſt kuͤrtzlich mein Be- griff von der Wiedergebuhrt und dem neuen Men- ſchen. Empfindet der Menſch nicht einen beſtaͤn- digen Hunger und Verlangen in ſich GOttes hei- ligſten Willen zu erkennen und zu thun, ſondern trachtet nur immer Tag und Nacht nach denen Dingen dieſer Welt: Fleiſches-Luſt, Augen-Luſt, Divertiſſements, Geld, Gut, Reichthum, Ehre, Ruhm und dergleichen Eitelkeiten: Da ſtehets mit der Wiedergebuhrt auf gar ſchwachen Fuͤſſen; oder iſt wohl nichts anders als ein natuͤrliches thieriſches Leben vorhanden. Wornach ſich ein jeder leicht- lich wird pruͤfen koͤnnen: wes Geiſtes Kind er ſeye. Von denen Stuffen und Eigenſchafften eines maͤnnlichen Alters in CHriſto iſt wohl nicht gar noͤthig vieles zu reden. Da ohnedem wenig Kin- der, noch weniger Juͤnglinge, und am wenigſten ſtarcke Maͤnner angetroffen werden. Dieſen letz- tern auch kein Unterricht noͤthig iſt: ſondern ſie viel- mehr ſelbſten durch das ihnen beywohnende Licht der Gnaden andere lehren koͤnnen! welche ſich aber oͤffters muͤſſen gefallen laſſen von der Welt mit de- nen Ehren-Tituln der Quacker, Enthuſiaſten, Phantaſten und dergleichen belegen zu laſſen. Da doch die heilige Schrifft (welche dergleichen Titul- liberale Leute mit dem Munde vor ihre Richtſchnur annehmen) mit ausdruͤcklichen Worten bezeuget: Daß wer Chriſti Geiſt nicht hat, nicht ſein ſeye. Und

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Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/97>, abgerufen am 18.04.2024.