Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Knabe und das Immlein.
Im Weinberg auf der Höhe
Ein Häuslein steht so windebang,
Hat weder Thür noch Fenster,
Die Weile wird ihm lang.
Und ist der Tag so schwüle,
Sind all' verstummt die Vögelein;
Summt an der Sonnenblume
Ein Immlein ganz allein.
Mein Lieb hat einen Garten,
Da steht ein hübsches Immenhaus:
Kommst du daher geflogen?
Schickt sie dich nach mir aus?
"O nein, du feiner Knabe,
Es hieß mich Niemand Boten gehn;
Dies Kind weiß nichts von Lieben,
Hat dich noch kaum gesehn.
Was wüßten auch die Mädchen,
Wenn sie kaum aus der Schule sind!
Dein herzallerliebstes Schätzchen
Ist noch ein Mutterkind.
Der Knabe und das Immlein.
Im Weinberg auf der Hoͤhe
Ein Haͤuslein ſteht ſo windebang,
Hat weder Thuͤr noch Fenſter,
Die Weile wird ihm lang.
Und iſt der Tag ſo ſchwuͤle,
Sind all' verſtummt die Voͤgelein;
Summt an der Sonnenblume
Ein Immlein ganz allein.
Mein Lieb hat einen Garten,
Da ſteht ein huͤbſches Immenhaus:
Kommſt du daher geflogen?
Schickt ſie dich nach mir aus?
„O nein, du feiner Knabe,
Es hieß mich Niemand Boten gehn;
Dies Kind weiß nichts von Lieben,
Hat dich noch kaum geſehn.
Was wuͤßten auch die Maͤdchen,
Wenn ſie kaum aus der Schule ſind!
Dein herzallerliebſtes Schaͤtzchen
Iſt noch ein Mutterkind.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0028" n="12"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b #g">Der Knabe und das Immlein.</hi><lb/>
        </head>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>Im Weinberg auf der Ho&#x0364;he</l><lb/>
            <l>Ein Ha&#x0364;uslein &#x017F;teht &#x017F;o windebang,</l><lb/>
            <l>Hat weder Thu&#x0364;r noch Fen&#x017F;ter,</l><lb/>
            <l>Die Weile wird ihm lang.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="2">
            <l>Und i&#x017F;t der Tag &#x017F;o &#x017F;chwu&#x0364;le,</l><lb/>
            <l>Sind all' ver&#x017F;tummt die Vo&#x0364;gelein;</l><lb/>
            <l>Summt an der Sonnenblume</l><lb/>
            <l>Ein Immlein ganz allein.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="3">
            <l>Mein Lieb hat einen Garten,</l><lb/>
            <l>Da &#x017F;teht ein hu&#x0364;b&#x017F;ches Immenhaus:</l><lb/>
            <l>Komm&#x017F;t du daher geflogen?</l><lb/>
            <l>Schickt &#x017F;ie dich nach mir aus?</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="4">
            <l>&#x201E;O nein, du feiner Knabe,</l><lb/>
            <l>Es hieß mich Niemand Boten gehn;</l><lb/>
            <l>Dies Kind weiß nichts von Lieben,</l><lb/>
            <l>Hat dich noch kaum ge&#x017F;ehn.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="5">
            <l>Was wu&#x0364;ßten auch die Ma&#x0364;dchen,</l><lb/>
            <l>Wenn &#x017F;ie kaum aus der Schule &#x017F;ind!</l><lb/>
            <l>Dein herzallerlieb&#x017F;tes Scha&#x0364;tzchen</l><lb/>
            <l>I&#x017F;t noch ein Mutterkind.</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0028] Der Knabe und das Immlein. Im Weinberg auf der Hoͤhe Ein Haͤuslein ſteht ſo windebang, Hat weder Thuͤr noch Fenſter, Die Weile wird ihm lang. Und iſt der Tag ſo ſchwuͤle, Sind all' verſtummt die Voͤgelein; Summt an der Sonnenblume Ein Immlein ganz allein. Mein Lieb hat einen Garten, Da ſteht ein huͤbſches Immenhaus: Kommſt du daher geflogen? Schickt ſie dich nach mir aus? „O nein, du feiner Knabe, Es hieß mich Niemand Boten gehn; Dies Kind weiß nichts von Lieben, Hat dich noch kaum geſehn. Was wuͤßten auch die Maͤdchen, Wenn ſie kaum aus der Schule ſind! Dein herzallerliebſtes Schaͤtzchen Iſt noch ein Mutterkind.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/28
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/28>, abgerufen am 28.03.2024.