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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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Auf einem besondern Zettel befand sich noch fol-
gende

Nachschrift.

"Schon war mein Brief geschlossen, als es mir
nachgerade gewaltigen Skrupel machte, Dir einen Um-
stand verschwiegen zu haben, der Dich vielleicht ver-
drießen mag, mir aber ad inelinandam rem nicht
wenig dienen konnte. Ein Winkelzug gegen die Gräfin.
So höre denn, und fluche mir die ganze Hölle auf
den Hals und heiss' mich einen Schurken, wenn Du
das Herz hast -- ich weiß doch, was ich zu thun
hatte. Constanze wurde durch mich, oder vielmehr
durch einen angelegten Zufall (hinter welchem sie we-
der mich noch sonst Jemand vermuthen kann) avertirt,
daß ein gewisser Freund bereits irgendwo auf der
Liste der glücklichen Bräutigame stehe. -- Ich hoffe
nicht, Dich durch den Coup zu stark kompromittirt zu
haben, und ein Weniges war schon zu wagen. Wenn
ihr die Neuigkeit nicht schmeckte, so ist das in der
Regel; nicht, weil sie in Dich verliebt, sondern weil
sie ein Weib ist. Wir haben die Ungnade, worein
sie uns gleich auf jenes Possenspiel hat fallen lassen,
einer elenden Konvenienz gegen die Hofsippschaft zu-
geschrieben, und eines Theils bin ich noch jezt der
Meinung; gesteh' ich Dir nun aber zugleich, daß sie
um die nämliche Zeit auch die Agnesiana zu schlu-
cken bekam, so seh' ich schon im Geist voraus, an was
für neuen verzweifelten Hypothesen nun plötzlich Dein

Auf einem beſondern Zettel befand ſich noch fol-
gende

Nachſchrift.

„Schon war mein Brief geſchloſſen, als es mir
nachgerade gewaltigen Skrupel machte, Dir einen Um-
ſtand verſchwiegen zu haben, der Dich vielleicht ver-
drießen mag, mir aber ad inelinandam rem nicht
wenig dienen konnte. Ein Winkelzug gegen die Gräfin.
So höre denn, und fluche mir die ganze Hölle auf
den Hals und heiſſ’ mich einen Schurken, wenn Du
das Herz haſt — ich weiß doch, was ich zu thun
hatte. Conſtanze wurde durch mich, oder vielmehr
durch einen angelegten Zufall (hinter welchem ſie we-
der mich noch ſonſt Jemand vermuthen kann) avertirt,
daß ein gewiſſer Freund bereits irgendwo auf der
Liſte der glücklichen Bräutigame ſtehe. — Ich hoffe
nicht, Dich durch den Coup zu ſtark kompromittirt zu
haben, und ein Weniges war ſchon zu wagen. Wenn
ihr die Neuigkeit nicht ſchmeckte, ſo iſt das in der
Regel; nicht, weil ſie in Dich verliebt, ſondern weil
ſie ein Weib iſt. Wir haben die Ungnade, worein
ſie uns gleich auf jenes Poſſenſpiel hat fallen laſſen,
einer elenden Konvenienz gegen die Hofſippſchaft zu-
geſchrieben, und eines Theils bin ich noch jezt der
Meinung; geſteh’ ich Dir nun aber zugleich, daß ſie
um die nämliche Zeit auch die Agneſiana zu ſchlu-
cken bekam, ſo ſeh’ ich ſchon im Geiſt voraus, an was
für neuen verzweifelten Hypotheſen nun plötzlich Dein

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[355/0041] Auf einem beſondern Zettel befand ſich noch fol- gende Nachſchrift. „Schon war mein Brief geſchloſſen, als es mir nachgerade gewaltigen Skrupel machte, Dir einen Um- ſtand verſchwiegen zu haben, der Dich vielleicht ver- drießen mag, mir aber ad inelinandam rem nicht wenig dienen konnte. Ein Winkelzug gegen die Gräfin. So höre denn, und fluche mir die ganze Hölle auf den Hals und heiſſ’ mich einen Schurken, wenn Du das Herz haſt — ich weiß doch, was ich zu thun hatte. Conſtanze wurde durch mich, oder vielmehr durch einen angelegten Zufall (hinter welchem ſie we- der mich noch ſonſt Jemand vermuthen kann) avertirt, daß ein gewiſſer Freund bereits irgendwo auf der Liſte der glücklichen Bräutigame ſtehe. — Ich hoffe nicht, Dich durch den Coup zu ſtark kompromittirt zu haben, und ein Weniges war ſchon zu wagen. Wenn ihr die Neuigkeit nicht ſchmeckte, ſo iſt das in der Regel; nicht, weil ſie in Dich verliebt, ſondern weil ſie ein Weib iſt. Wir haben die Ungnade, worein ſie uns gleich auf jenes Poſſenſpiel hat fallen laſſen, einer elenden Konvenienz gegen die Hofſippſchaft zu- geſchrieben, und eines Theils bin ich noch jezt der Meinung; geſteh’ ich Dir nun aber zugleich, daß ſie um die nämliche Zeit auch die Agneſiana zu ſchlu- cken bekam, ſo ſeh’ ich ſchon im Geiſt voraus, an was für neuen verzweifelten Hypotheſen nun plötzlich Dein

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/41>, abgerufen am 28.03.2024.