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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Die gute seelige Frau.
für sie. Das Tischzeug konnte nicht bewundert werden, ohne
daß nicht der Ruhm davon auf sie fiel. Ihre emsigen, rein-
lichen und muntern Kinder verkündigten der Mutter Lob vor
allen Augen; und die Ordnung im Hause, die Fertigkeit,
womit alles von statten gieng, und die Zufriedenheit, womit
sie vieles ohne Beschwerde geben konnte, erheiterten ihre
Blicke dergestalt, daß alle Gäste davon entzückt wurden.
Keiner Frau ist mehr geschmeichelt, und keiner weniger schmei-
chelhaftes gesagt worden. Ihr Blick breitete Lust und Zu-
friedenheit über alles aus, und ich kann es nicht genug sagen,
wie artig sie jede Gesellschaft mit in den Plan ihrer Arbei-
ten ziehen konnte. In der Dämmerung schäleten wir Aepfel
mit ihr, oder pflückten Hopfen, und wer sein ihm zugetheil-
tes Werk zuerst fertig hatte, bekam von ihr einen Kuß. Man
glaube es oder nicht, der eine hielt den Zwirn; der andre
wickelte ihn auf, der dritte laß Erbsen oder andere Saamen
aus; der vierte machte Dochte zu Lichtern, und ich glaube,
wir hätten ihr zu Gefallen gern mit gesponnen, wenn wir es
verstanden hätten. Spinnen, sagte sie uns oft, giebt alle-
zeit warme Füße, und würde sehr gut gegen die Hypochon-
drie seyn. Wenn wir unsre Arbeit gut gemacht hatten, setz-
ten wir uns, nachdem die Jahrszeit war, an das Darrenfeuer,
und trunken ein Glas September-Bier, welches damals noch
nicht so schwach gebrauet wurde, daß es in dem ersten Mo-
nat sauer werden mußte; oder wir thaten uns sonst mit Plau-
dern etwas zu gute.

Nach ihrem Tode, ach ich kann ohne Thränen nicht
daran gedenken, fand ich die Brautwagen für unsre vier Töch-
ter fertig; und wie ich alles, was sie während unserm 16 jäh-
rigen Ehestande in der Haushaltung gezeugt hatte, überschlug,
belief es sich höher als das Geld, was sie in aller Zeit von
mir empfangen hatte. So vieles hatte sie durch Fleis, Ord-
nung und Haushaltung gewonnen.

Jezt

Die gute ſeelige Frau.
fuͤr ſie. Das Tiſchzeug konnte nicht bewundert werden, ohne
daß nicht der Ruhm davon auf ſie fiel. Ihre emſigen, rein-
lichen und muntern Kinder verkuͤndigten der Mutter Lob vor
allen Augen; und die Ordnung im Hauſe, die Fertigkeit,
womit alles von ſtatten gieng, und die Zufriedenheit, womit
ſie vieles ohne Beſchwerde geben konnte, erheiterten ihre
Blicke dergeſtalt, daß alle Gaͤſte davon entzuͤckt wurden.
Keiner Frau iſt mehr geſchmeichelt, und keiner weniger ſchmei-
chelhaftes geſagt worden. Ihr Blick breitete Luſt und Zu-
friedenheit uͤber alles aus, und ich kann es nicht genug ſagen,
wie artig ſie jede Geſellſchaft mit in den Plan ihrer Arbei-
ten ziehen konnte. In der Daͤmmerung ſchaͤleten wir Aepfel
mit ihr, oder pfluͤckten Hopfen, und wer ſein ihm zugetheil-
tes Werk zuerſt fertig hatte, bekam von ihr einen Kuß. Man
glaube es oder nicht, der eine hielt den Zwirn; der andre
wickelte ihn auf, der dritte laß Erbſen oder andere Saamen
aus; der vierte machte Dochte zu Lichtern, und ich glaube,
wir haͤtten ihr zu Gefallen gern mit geſponnen, wenn wir es
verſtanden haͤtten. Spinnen, ſagte ſie uns oft, giebt alle-
zeit warme Fuͤße, und wuͤrde ſehr gut gegen die Hypochon-
drie ſeyn. Wenn wir unſre Arbeit gut gemacht hatten, ſetz-
ten wir uns, nachdem die Jahrszeit war, an das Darrenfeuer,
und trunken ein Glas September-Bier, welches damals noch
nicht ſo ſchwach gebrauet wurde, daß es in dem erſten Mo-
nat ſauer werden mußte; oder wir thaten uns ſonſt mit Plau-
dern etwas zu gute.

Nach ihrem Tode, ach ich kann ohne Thraͤnen nicht
daran gedenken, fand ich die Brautwagen fuͤr unſre vier Toͤch-
ter fertig; und wie ich alles, was ſie waͤhrend unſerm 16 jaͤh-
rigen Eheſtande in der Haushaltung gezeugt hatte, uͤberſchlug,
belief es ſich hoͤher als das Geld, was ſie in aller Zeit von
mir empfangen hatte. So vieles hatte ſie durch Fleis, Ord-
nung und Haushaltung gewonnen.

Jezt
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[124/0142] Die gute ſeelige Frau. fuͤr ſie. Das Tiſchzeug konnte nicht bewundert werden, ohne daß nicht der Ruhm davon auf ſie fiel. Ihre emſigen, rein- lichen und muntern Kinder verkuͤndigten der Mutter Lob vor allen Augen; und die Ordnung im Hauſe, die Fertigkeit, womit alles von ſtatten gieng, und die Zufriedenheit, womit ſie vieles ohne Beſchwerde geben konnte, erheiterten ihre Blicke dergeſtalt, daß alle Gaͤſte davon entzuͤckt wurden. Keiner Frau iſt mehr geſchmeichelt, und keiner weniger ſchmei- chelhaftes geſagt worden. Ihr Blick breitete Luſt und Zu- friedenheit uͤber alles aus, und ich kann es nicht genug ſagen, wie artig ſie jede Geſellſchaft mit in den Plan ihrer Arbei- ten ziehen konnte. In der Daͤmmerung ſchaͤleten wir Aepfel mit ihr, oder pfluͤckten Hopfen, und wer ſein ihm zugetheil- tes Werk zuerſt fertig hatte, bekam von ihr einen Kuß. Man glaube es oder nicht, der eine hielt den Zwirn; der andre wickelte ihn auf, der dritte laß Erbſen oder andere Saamen aus; der vierte machte Dochte zu Lichtern, und ich glaube, wir haͤtten ihr zu Gefallen gern mit geſponnen, wenn wir es verſtanden haͤtten. Spinnen, ſagte ſie uns oft, giebt alle- zeit warme Fuͤße, und wuͤrde ſehr gut gegen die Hypochon- drie ſeyn. Wenn wir unſre Arbeit gut gemacht hatten, ſetz- ten wir uns, nachdem die Jahrszeit war, an das Darrenfeuer, und trunken ein Glas September-Bier, welches damals noch nicht ſo ſchwach gebrauet wurde, daß es in dem erſten Mo- nat ſauer werden mußte; oder wir thaten uns ſonſt mit Plau- dern etwas zu gute. Nach ihrem Tode, ach ich kann ohne Thraͤnen nicht daran gedenken, fand ich die Brautwagen fuͤr unſre vier Toͤch- ter fertig; und wie ich alles, was ſie waͤhrend unſerm 16 jaͤh- rigen Eheſtande in der Haushaltung gezeugt hatte, uͤberſchlug, belief es ſich hoͤher als das Geld, was ſie in aller Zeit von mir empfangen hatte. So vieles hatte ſie durch Fleis, Ord- nung und Haushaltung gewonnen. Jezt

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/142>, abgerufen am 29.03.2024.