Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Schreiben des Herrn von H...
eigne Versammlung hätten, und das Handlungs-Interesse
jeder Landstadt in der Seestadt wahrnehmen.



XXXXIIII.
Schreiben des Herrn von H...

Auf meine Ehre. Die Liebhaber der edlen Jägerey sind
miteinander ausgestorben. Ich wünsche, daß ich beyde
Beine zerbreche, wenn ich heute, Hubertustag, ein Horn ge-
höret habe. Wenn ich das in meiner Jugend erlebt hätte:
so würde ich solches für ein weit böser Zeichen als funfzig Co-
meten gehalten haben. Wo will das aber hinaus? Und was
will man zulezt auf dem Lande anfangen?

Mein Vater, der lange in Ungarn gegen die Türken
gedienet und sein Lederwerk, was er auf der Jagd brauchte,
diesen Unchristen bey lebendem Leibe aus dem Baste gerissen
hatte und gewiß die Welt kannte, pflegte mir oft zu sagen:
Mein Sohn, bleib der edlen Jägerey treu. Sie erhält und
vergnügt dich daheim; ehrt dich bey großen Herrn; dienet dir
im Felde, und macht dir alle Bissen gut schmecken. Und
diese Lehre habe ich auf meine Ehre richtiger gefunden, als
alles, was ich mein Lebetage in Büchern gelesen.

Vier Jäger, ein gut Stück Rindfleisch und ein ehr-
licher Trunk, darüber geht mir nichts. Was haben die für
Gesichter gegen unsre gekräuselten junge Herrn und aufge-
thürmten Pasteten? Ich komme alle Jahr für meine Sünde
in die Stadt, und speise bey Hofe. Da sitzt ein jeder als
wenn er aufs Maul geschlagen wäre. Von politischen Dingen
dürfen sie nicht sprechen. Aus Büchern schämen sie sich zu

spre-

Schreiben des Herrn von H…
eigne Verſammlung haͤtten, und das Handlungs-Intereſſe
jeder Landſtadt in der Seeſtadt wahrnehmen.



XXXXIIII.
Schreiben des Herrn von H…

Auf meine Ehre. Die Liebhaber der edlen Jaͤgerey ſind
miteinander ausgeſtorben. Ich wuͤnſche, daß ich beyde
Beine zerbreche, wenn ich heute, Hubertustag, ein Horn ge-
hoͤret habe. Wenn ich das in meiner Jugend erlebt haͤtte:
ſo wuͤrde ich ſolches fuͤr ein weit boͤſer Zeichen als funfzig Co-
meten gehalten haben. Wo will das aber hinaus? Und was
will man zulezt auf dem Lande anfangen?

Mein Vater, der lange in Ungarn gegen die Tuͤrken
gedienet und ſein Lederwerk, was er auf der Jagd brauchte,
dieſen Unchriſten bey lebendem Leibe aus dem Baſte geriſſen
hatte und gewiß die Welt kannte, pflegte mir oft zu ſagen:
Mein Sohn, bleib der edlen Jaͤgerey treu. Sie erhaͤlt und
vergnuͤgt dich daheim; ehrt dich bey großen Herrn; dienet dir
im Felde, und macht dir alle Biſſen gut ſchmecken. Und
dieſe Lehre habe ich auf meine Ehre richtiger gefunden, als
alles, was ich mein Lebetage in Buͤchern geleſen.

Vier Jaͤger, ein gut Stuͤck Rindfleiſch und ein ehr-
licher Trunk, daruͤber geht mir nichts. Was haben die fuͤr
Geſichter gegen unſre gekraͤuſelten junge Herrn und aufge-
thuͤrmten Paſteten? Ich komme alle Jahr fuͤr meine Suͤnde
in die Stadt, und ſpeiſe bey Hofe. Da ſitzt ein jeder als
wenn er aufs Maul geſchlagen waͤre. Von politiſchen Dingen
duͤrfen ſie nicht ſprechen. Aus Buͤchern ſchaͤmen ſie ſich zu

ſpre-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0284" n="266"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Schreiben des Herrn von H&#x2026;</hi></fw><lb/>
eigne Ver&#x017F;ammlung ha&#x0364;tten, und das Handlungs-Intere&#x017F;&#x017F;e<lb/>
jeder Land&#x017F;tadt in der See&#x017F;tadt wahrnehmen.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XXXXIIII.</hi><lb/>
Schreiben des Herrn von H&#x2026;</hi> </head><lb/>
        <p>Auf meine Ehre. Die Liebhaber der edlen Ja&#x0364;gerey &#x017F;ind<lb/>
miteinander ausge&#x017F;torben. Ich wu&#x0364;n&#x017F;che, daß ich beyde<lb/>
Beine zerbreche, wenn ich heute, Hubertustag, ein Horn ge-<lb/>
ho&#x0364;ret habe. Wenn ich das in meiner Jugend erlebt ha&#x0364;tte:<lb/>
&#x017F;o wu&#x0364;rde ich &#x017F;olches fu&#x0364;r ein weit bo&#x0364;&#x017F;er Zeichen als funfzig Co-<lb/>
meten gehalten haben. Wo will das aber hinaus? Und was<lb/>
will man zulezt auf dem Lande anfangen?</p><lb/>
        <p>Mein Vater, der lange in Ungarn gegen die Tu&#x0364;rken<lb/>
gedienet und &#x017F;ein Lederwerk, was er auf der Jagd brauchte,<lb/>
die&#x017F;en Unchri&#x017F;ten bey lebendem Leibe aus dem Ba&#x017F;te geri&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hatte und gewiß die Welt kannte, pflegte mir oft zu &#x017F;agen:<lb/>
Mein Sohn, bleib der edlen Ja&#x0364;gerey treu. Sie erha&#x0364;lt und<lb/>
vergnu&#x0364;gt dich daheim; ehrt dich bey großen Herrn; dienet dir<lb/>
im Felde, und macht dir alle Bi&#x017F;&#x017F;en gut &#x017F;chmecken. Und<lb/>
die&#x017F;e Lehre habe ich auf meine Ehre richtiger gefunden, als<lb/>
alles, was ich mein Lebetage in Bu&#x0364;chern gele&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Vier Ja&#x0364;ger, ein gut Stu&#x0364;ck Rindflei&#x017F;ch und ein ehr-<lb/>
licher Trunk, daru&#x0364;ber geht mir nichts. Was haben die fu&#x0364;r<lb/>
Ge&#x017F;ichter gegen un&#x017F;re gekra&#x0364;u&#x017F;elten junge Herrn und aufge-<lb/>
thu&#x0364;rmten Pa&#x017F;teten? Ich komme alle Jahr fu&#x0364;r meine Su&#x0364;nde<lb/>
in die Stadt, und &#x017F;pei&#x017F;e bey Hofe. Da &#x017F;itzt ein jeder als<lb/>
wenn er aufs Maul ge&#x017F;chlagen wa&#x0364;re. Von politi&#x017F;chen Dingen<lb/>
du&#x0364;rfen &#x017F;ie nicht &#x017F;prechen. Aus Bu&#x0364;chern &#x017F;cha&#x0364;men &#x017F;ie &#x017F;ich zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;pre-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0284] Schreiben des Herrn von H… eigne Verſammlung haͤtten, und das Handlungs-Intereſſe jeder Landſtadt in der Seeſtadt wahrnehmen. XXXXIIII. Schreiben des Herrn von H… Auf meine Ehre. Die Liebhaber der edlen Jaͤgerey ſind miteinander ausgeſtorben. Ich wuͤnſche, daß ich beyde Beine zerbreche, wenn ich heute, Hubertustag, ein Horn ge- hoͤret habe. Wenn ich das in meiner Jugend erlebt haͤtte: ſo wuͤrde ich ſolches fuͤr ein weit boͤſer Zeichen als funfzig Co- meten gehalten haben. Wo will das aber hinaus? Und was will man zulezt auf dem Lande anfangen? Mein Vater, der lange in Ungarn gegen die Tuͤrken gedienet und ſein Lederwerk, was er auf der Jagd brauchte, dieſen Unchriſten bey lebendem Leibe aus dem Baſte geriſſen hatte und gewiß die Welt kannte, pflegte mir oft zu ſagen: Mein Sohn, bleib der edlen Jaͤgerey treu. Sie erhaͤlt und vergnuͤgt dich daheim; ehrt dich bey großen Herrn; dienet dir im Felde, und macht dir alle Biſſen gut ſchmecken. Und dieſe Lehre habe ich auf meine Ehre richtiger gefunden, als alles, was ich mein Lebetage in Buͤchern geleſen. Vier Jaͤger, ein gut Stuͤck Rindfleiſch und ein ehr- licher Trunk, daruͤber geht mir nichts. Was haben die fuͤr Geſichter gegen unſre gekraͤuſelten junge Herrn und aufge- thuͤrmten Paſteten? Ich komme alle Jahr fuͤr meine Suͤnde in die Stadt, und ſpeiſe bey Hofe. Da ſitzt ein jeder als wenn er aufs Maul geſchlagen waͤre. Von politiſchen Dingen duͤrfen ſie nicht ſprechen. Aus Buͤchern ſchaͤmen ſie ſich zu ſpre-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/284
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/284>, abgerufen am 16.04.2024.