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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Schreiben eines angehenden Hagestolzen.


XVI.
Schreiben eines angehenden

Hagestolzen. *)

Weg mit dem Einfalle, liebster Freund! das Heyrathen
ist keine Sache mehr für mich. Was mein Vater
und Großvater gethan, geht mich nichts an. Zu ihrer Zeit
war eine Frau noch der beste Segen eines Mannes; Sie
kam ihm in der Haushaltung zu Statten, erleichterte ihm
seine Sorgen, und brachte noch etwas mit, um die Ehstandes
Lasten, wie es in den alten Ehpackten heißt, zu tragen. Aber
jetzt -- ist es Raserey eine Frau zu nehmen. Man schelte
mich immerhin einen Hagestolzen und setze auch diesen Namen
auf mein einsames Grab. Es ist besser, daß gar keine Thräne,
als die Thräne eines betrogenen Gläubigers darauf falle.
Setzt dann nur ein treuer Freund hinzu, daß ich der größte,
der zärtlichste Verehrer der weiblichen Tugend gewesen: so
forscht noch vielleicht ein vorübergehendes Mädgen der Ursache
nach, warum ich meine Tage einsam beschlossen, geht in sich,
und mindert den Staat, welcher jetzt einen ehrlichen Kerl abhält,
sich durch das heilige Band der Ehe an den Bankerottierpranger
schließen zu lassen.

Denken
*) Der Hagestolz oder Weiberfeind bleibt allezeit ein brauch-
barer Charakter für das Lustspiel, besonders wenn man
ihn zum letzten Stammhalter einer großen Familie macht,
um dessen Verheyrathung sich die ganze Familie, und
selbst diejenige bemühen kan, welche diese mit kundbaren
Rechte für ihn zur Frau bestimmet hat.
Schreiben eines angehenden Hageſtolzen.


XVI.
Schreiben eines angehenden

Hageſtolzen. *)

Weg mit dem Einfalle, liebſter Freund! das Heyrathen
iſt keine Sache mehr fuͤr mich. Was mein Vater
und Großvater gethan, geht mich nichts an. Zu ihrer Zeit
war eine Frau noch der beſte Segen eines Mannes; Sie
kam ihm in der Haushaltung zu Statten, erleichterte ihm
ſeine Sorgen, und brachte noch etwas mit, um die Ehſtandes
Laſten, wie es in den alten Ehpackten heißt, zu tragen. Aber
jetzt — iſt es Raſerey eine Frau zu nehmen. Man ſchelte
mich immerhin einen Hageſtolzen und ſetze auch dieſen Namen
auf mein einſames Grab. Es iſt beſſer, daß gar keine Thraͤne,
als die Thraͤne eines betrogenen Glaͤubigers darauf falle.
Setzt dann nur ein treuer Freund hinzu, daß ich der groͤßte,
der zaͤrtlichſte Verehrer der weiblichen Tugend geweſen: ſo
forſcht noch vielleicht ein voruͤbergehendes Maͤdgen der Urſache
nach, warum ich meine Tage einſam beſchloſſen, geht in ſich,
und mindert den Staat, welcher jetzt einen ehrlichen Kerl abhaͤlt,
ſich durch das heilige Band der Ehe an den Bankerottierpranger
ſchließen zu laſſen.

Denken
*) Der Hageſtolz oder Weiberfeind bleibt allezeit ein brauch-
barer Charakter fuͤr das Luſtſpiel, beſonders wenn man
ihn zum letzten Stammhalter einer großen Familie macht,
um deſſen Verheyrathung ſich die ganze Familie, und
ſelbſt diejenige bemuͤhen kan, welche dieſe mit kundbaren
Rechte fuͤr ihn zur Frau beſtimmet hat.
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[88/0106] Schreiben eines angehenden Hageſtolzen. XVI. Schreiben eines angehenden Hageſtolzen. *) Weg mit dem Einfalle, liebſter Freund! das Heyrathen iſt keine Sache mehr fuͤr mich. Was mein Vater und Großvater gethan, geht mich nichts an. Zu ihrer Zeit war eine Frau noch der beſte Segen eines Mannes; Sie kam ihm in der Haushaltung zu Statten, erleichterte ihm ſeine Sorgen, und brachte noch etwas mit, um die Ehſtandes Laſten, wie es in den alten Ehpackten heißt, zu tragen. Aber jetzt — iſt es Raſerey eine Frau zu nehmen. Man ſchelte mich immerhin einen Hageſtolzen und ſetze auch dieſen Namen auf mein einſames Grab. Es iſt beſſer, daß gar keine Thraͤne, als die Thraͤne eines betrogenen Glaͤubigers darauf falle. Setzt dann nur ein treuer Freund hinzu, daß ich der groͤßte, der zaͤrtlichſte Verehrer der weiblichen Tugend geweſen: ſo forſcht noch vielleicht ein voruͤbergehendes Maͤdgen der Urſache nach, warum ich meine Tage einſam beſchloſſen, geht in ſich, und mindert den Staat, welcher jetzt einen ehrlichen Kerl abhaͤlt, ſich durch das heilige Band der Ehe an den Bankerottierpranger ſchließen zu laſſen. Denken *) Der Hageſtolz oder Weiberfeind bleibt allezeit ein brauch- barer Charakter fuͤr das Luſtſpiel, beſonders wenn man ihn zum letzten Stammhalter einer großen Familie macht, um deſſen Verheyrathung ſich die ganze Familie, und ſelbſt diejenige bemuͤhen kan, welche dieſe mit kundbaren Rechte fuͤr ihn zur Frau beſtimmet hat.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/106>, abgerufen am 28.03.2024.