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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Die wahre Gewissenhaftigkeit.
"nem Tode von euch verfluchet werden möge. Ich habe,
"wie wir zu Schiffe giengen, eine üble Krankheit gehabt,
"das Gift brennet noch in meinen Adern, und mein ganzes
"Fleisch ist voll heimlicher Geschwüre. Schreckliches und er-
"niedrigendes aber wahres und gewissenhaftes Bekenntniß!
"Diese Thräne mag euch überzeugen, wie nahe es mir gehe,
"solches abzulegen. Aber mein Gewissen geht mir für alles.
"Ihr könnet mein Fleisch nicht genießen, ohne euch in die
"elendesten Umstände zu versetzen; und was würde aus euch
"werden, wenn ihr von diesem schrecklichen Gifte ergriffen,
"ohne meine Hülfe ohne die Hülfe eures einzigen Arztes auf
"diesen wilden Meere noch weiter herum getrieben werden
"solltet! Der Himmel ist mein Zeuge, das ich ohne Eigennutz
"rede. Der Uebergang aus diesem Leben in das künftige ist
"nur ein Schritt, und der Weg unter mir ist mit Blumen
"bestreuet, da ich ihn nunmehr mit dem reinsten Gewissen be-
"treten, mein Elend endigen und euer Leben verlängern
"kan. Was sollte mich denn abhalten mich für meine besten
"Freunde aufzuopfern, wenn es nicht eure eigne Wohlfarth
"dieser große Gegenstand aller meiner Bemühungen wäre?
"Glaubet mir ..

In dem Augenblick rief die Schildwache auf dem Mastkorbe
Land Land; und der Barbier schlich fort in seine Hangmatte.



LXIII.
Mösers patr. Phantas. II. Th. A a

Die wahre Gewiſſenhaftigkeit.
„nem Tode von euch verfluchet werden moͤge. Ich habe,
„wie wir zu Schiffe giengen, eine uͤble Krankheit gehabt,
„das Gift brennet noch in meinen Adern, und mein ganzes
„Fleiſch iſt voll heimlicher Geſchwuͤre. Schreckliches und er-
„niedrigendes aber wahres und gewiſſenhaftes Bekenntniß!
„Dieſe Thraͤne mag euch uͤberzeugen, wie nahe es mir gehe,
„ſolches abzulegen. Aber mein Gewiſſen geht mir fuͤr alles.
„Ihr koͤnnet mein Fleiſch nicht genießen, ohne euch in die
„elendeſten Umſtaͤnde zu verſetzen; und was wuͤrde aus euch
„werden, wenn ihr von dieſem ſchrecklichen Gifte ergriffen,
„ohne meine Huͤlfe ohne die Huͤlfe eures einzigen Arztes auf
„dieſen wilden Meere noch weiter herum getrieben werden
„ſolltet! Der Himmel iſt mein Zeuge, das ich ohne Eigennutz
„rede. Der Uebergang aus dieſem Leben in das kuͤnftige iſt
„nur ein Schritt, und der Weg unter mir iſt mit Blumen
„beſtreuet, da ich ihn nunmehr mit dem reinſten Gewiſſen be-
„treten, mein Elend endigen und euer Leben verlaͤngern
„kan. Was ſollte mich denn abhalten mich fuͤr meine beſten
„Freunde aufzuopfern, wenn es nicht eure eigne Wohlfarth
„dieſer große Gegenſtand aller meiner Bemuͤhungen waͤre?
„Glaubet mir ..

In dem Augenblick rief die Schildwache auf dem Maſtkorbe
Land Land; und der Barbier ſchlich fort in ſeine Hangmatte.



LXIII.
Möſers patr. Phantaſ. II. Th. A a
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[369/0387] Die wahre Gewiſſenhaftigkeit. „nem Tode von euch verfluchet werden moͤge. Ich habe, „wie wir zu Schiffe giengen, eine uͤble Krankheit gehabt, „das Gift brennet noch in meinen Adern, und mein ganzes „Fleiſch iſt voll heimlicher Geſchwuͤre. Schreckliches und er- „niedrigendes aber wahres und gewiſſenhaftes Bekenntniß! „Dieſe Thraͤne mag euch uͤberzeugen, wie nahe es mir gehe, „ſolches abzulegen. Aber mein Gewiſſen geht mir fuͤr alles. „Ihr koͤnnet mein Fleiſch nicht genießen, ohne euch in die „elendeſten Umſtaͤnde zu verſetzen; und was wuͤrde aus euch „werden, wenn ihr von dieſem ſchrecklichen Gifte ergriffen, „ohne meine Huͤlfe ohne die Huͤlfe eures einzigen Arztes auf „dieſen wilden Meere noch weiter herum getrieben werden „ſolltet! Der Himmel iſt mein Zeuge, das ich ohne Eigennutz „rede. Der Uebergang aus dieſem Leben in das kuͤnftige iſt „nur ein Schritt, und der Weg unter mir iſt mit Blumen „beſtreuet, da ich ihn nunmehr mit dem reinſten Gewiſſen be- „treten, mein Elend endigen und euer Leben verlaͤngern „kan. Was ſollte mich denn abhalten mich fuͤr meine beſten „Freunde aufzuopfern, wenn es nicht eure eigne Wohlfarth „dieſer große Gegenſtand aller meiner Bemuͤhungen waͤre? „Glaubet mir .. In dem Augenblick rief die Schildwache auf dem Maſtkorbe Land Land; und der Barbier ſchlich fort in ſeine Hangmatte. LXIII. Möſers patr. Phantaſ. II. Th. A a

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/387>, abgerufen am 24.04.2024.