Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

die Wege zu bessern als auszuflicken.
Geld, was sie höben, blos zu Unterhaltung der Wege ange-
wandt würde; daß alle vernünftige Reisende solches mit vie-
lem Vergnügen erlegten; daß die Unterthanen, welche die
Last des Baues getragen, sich aber gar nicht zu beschweren
hätten, indem sie mit halber sonstigen Anspannung und Zeit,
ihre Producte frey verfahren könnten.

Nun zahlte ich mein Weggeld mit Freuden und segnete mit
meinen neulichen Frachtleuten die guten Landesherren, in de-
ren Lande ich meine Scherbe zum gemeinen Besten mit ein-
zulegen die Gelegenheit fand. Und wenn es denn auch bes-
ser wäre gar kein Weggeld zu zahlen, dachte ich, ist es denn
nicht auch eben so billig bey dem Genuß eines allgemeinen
Vortheils auch gemeinschaftliche Beyhülfe zu leisten? Gute
Wege erhalten sich nicht selbst; sie erfordern also wo nicht
kunstmäßige Hände und gelehrte Aufseher
, doch eine stete
und vernünftige Aufsicht; diese halte ich aber in den Händen
verständiger Leute immer klüger und vortheilhafter als in den
Händen der Lehmklecker, Flicker und Schmierer. Und nur
dann erst, wenn die vernünftige Unterhaltungskosten das Weg-
geld überstiegen, dürfte vom Landsherrn ein mehrers verlan-
get werden können.

Hätte unser Schriftsteller meine Frachtfahrer reden gehö-
ret; so würde ihm vielleicht die Sorge, daß die erbaueten
Wege des Weggeldes wegen, aller Flüche und Versprechun-
gen der Fuhrleute ohnerachtet verfahren werden, weniger Kum-
mer verursachen. Doch es geschehe! Soll denn alles Gute
desfals unterbleiben, weil es gemißbrauchet werden kan?

Die Freunde des Anbaues und der Bevölkerung, welche
sich freuen, wenn in Heiden durch die sogenannte Absetzung
der Wege, Land zur Cultur gewonnen wird, müssen warlich
sehr seichte Begriffe von Heiden, Cultur und Bevölkerung

ha-

die Wege zu beſſern als auszuflicken.
Geld, was ſie hoͤben, blos zu Unterhaltung der Wege ange-
wandt wuͤrde; daß alle vernuͤnftige Reiſende ſolches mit vie-
lem Vergnuͤgen erlegten; daß die Unterthanen, welche die
Laſt des Baues getragen, ſich aber gar nicht zu beſchweren
haͤtten, indem ſie mit halber ſonſtigen Anſpannung und Zeit,
ihre Producte frey verfahren koͤnnten.

Nun zahlte ich mein Weggeld mit Freuden und ſegnete mit
meinen neulichen Frachtleuten die guten Landesherren, in de-
ren Lande ich meine Scherbe zum gemeinen Beſten mit ein-
zulegen die Gelegenheit fand. Und wenn es denn auch beſ-
ſer waͤre gar kein Weggeld zu zahlen, dachte ich, iſt es denn
nicht auch eben ſo billig bey dem Genuß eines allgemeinen
Vortheils auch gemeinſchaftliche Beyhuͤlfe zu leiſten? Gute
Wege erhalten ſich nicht ſelbſt; ſie erfordern alſo wo nicht
kunſtmäßige Hände und gelehrte Aufſeher
, doch eine ſtete
und vernuͤnftige Aufſicht; dieſe halte ich aber in den Haͤnden
verſtaͤndiger Leute immer kluͤger und vortheilhafter als in den
Haͤnden der Lehmklecker, Flicker und Schmierer. Und nur
dann erſt, wenn die vernuͤnftige Unterhaltungskoſten das Weg-
geld uͤberſtiegen, duͤrfte vom Landsherrn ein mehrers verlan-
get werden koͤnnen.

Haͤtte unſer Schriftſteller meine Frachtfahrer reden gehoͤ-
ret; ſo wuͤrde ihm vielleicht die Sorge, daß die erbaueten
Wege des Weggeldes wegen, aller Fluͤche und Verſprechun-
gen der Fuhrleute ohnerachtet verfahren werden, weniger Kum-
mer verurſachen. Doch es geſchehe! Soll denn alles Gute
desfals unterbleiben, weil es gemißbrauchet werden kan?

Die Freunde des Anbaues und der Bevoͤlkerung, welche
ſich freuen, wenn in Heiden durch die ſogenannte Abſetzung
der Wege, Land zur Cultur gewonnen wird, muͤſſen warlich
ſehr ſeichte Begriffe von Heiden, Cultur und Bevoͤlkerung

ha-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0447" n="429"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">die Wege zu be&#x017F;&#x017F;ern als auszuflicken.</hi></fw><lb/>
Geld, was &#x017F;ie ho&#x0364;ben, blos zu Unterhaltung der Wege ange-<lb/>
wandt wu&#x0364;rde; daß alle vernu&#x0364;nftige Rei&#x017F;ende &#x017F;olches mit vie-<lb/>
lem Vergnu&#x0364;gen erlegten; daß die Unterthanen, welche die<lb/>
La&#x017F;t des Baues getragen, &#x017F;ich aber gar nicht zu be&#x017F;chweren<lb/>
ha&#x0364;tten, indem &#x017F;ie mit halber &#x017F;on&#x017F;tigen An&#x017F;pannung und Zeit,<lb/>
ihre Producte frey verfahren ko&#x0364;nnten.</p><lb/>
        <p>Nun zahlte ich mein Weggeld mit Freuden und &#x017F;egnete mit<lb/>
meinen neulichen Frachtleuten die guten Landesherren, in de-<lb/>
ren Lande ich meine Scherbe zum gemeinen Be&#x017F;ten mit ein-<lb/>
zulegen die Gelegenheit fand. Und wenn es denn auch be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er wa&#x0364;re gar kein Weggeld zu zahlen, dachte ich, i&#x017F;t es denn<lb/>
nicht auch eben &#x017F;o billig bey dem Genuß eines allgemeinen<lb/>
Vortheils auch gemein&#x017F;chaftliche Beyhu&#x0364;lfe zu lei&#x017F;ten? Gute<lb/>
Wege erhalten &#x017F;ich nicht &#x017F;elb&#x017F;t; &#x017F;ie erfordern al&#x017F;o <hi rendition="#fr">wo nicht<lb/>
kun&#x017F;tmäßige Hände und gelehrte Auf&#x017F;eher</hi>, doch eine &#x017F;tete<lb/>
und vernu&#x0364;nftige Auf&#x017F;icht; die&#x017F;e halte ich aber in den Ha&#x0364;nden<lb/>
ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger Leute immer klu&#x0364;ger und vortheilhafter als in den<lb/>
Ha&#x0364;nden der Lehmklecker, Flicker und Schmierer. Und nur<lb/>
dann er&#x017F;t, wenn die vernu&#x0364;nftige Unterhaltungsko&#x017F;ten das Weg-<lb/>
geld u&#x0364;ber&#x017F;tiegen, du&#x0364;rfte vom Landsherrn ein mehrers verlan-<lb/>
get werden ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>Ha&#x0364;tte un&#x017F;er Schrift&#x017F;teller meine Frachtfahrer reden geho&#x0364;-<lb/>
ret; &#x017F;o wu&#x0364;rde ihm vielleicht die Sorge, daß die erbaueten<lb/>
Wege des Weggeldes wegen, aller Flu&#x0364;che und Ver&#x017F;prechun-<lb/>
gen der Fuhrleute ohnerachtet verfahren werden, weniger Kum-<lb/>
mer verur&#x017F;achen. Doch es ge&#x017F;chehe! Soll denn alles Gute<lb/>
desfals unterbleiben, weil es gemißbrauchet werden kan?</p><lb/>
        <p>Die Freunde des Anbaues und der Bevo&#x0364;lkerung, welche<lb/>
&#x017F;ich freuen, wenn in Heiden durch die &#x017F;ogenannte Ab&#x017F;etzung<lb/>
der Wege, Land zur Cultur gewonnen wird, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en warlich<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;eichte Begriffe von Heiden, Cultur und Bevo&#x0364;lkerung<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ha-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[429/0447] die Wege zu beſſern als auszuflicken. Geld, was ſie hoͤben, blos zu Unterhaltung der Wege ange- wandt wuͤrde; daß alle vernuͤnftige Reiſende ſolches mit vie- lem Vergnuͤgen erlegten; daß die Unterthanen, welche die Laſt des Baues getragen, ſich aber gar nicht zu beſchweren haͤtten, indem ſie mit halber ſonſtigen Anſpannung und Zeit, ihre Producte frey verfahren koͤnnten. Nun zahlte ich mein Weggeld mit Freuden und ſegnete mit meinen neulichen Frachtleuten die guten Landesherren, in de- ren Lande ich meine Scherbe zum gemeinen Beſten mit ein- zulegen die Gelegenheit fand. Und wenn es denn auch beſ- ſer waͤre gar kein Weggeld zu zahlen, dachte ich, iſt es denn nicht auch eben ſo billig bey dem Genuß eines allgemeinen Vortheils auch gemeinſchaftliche Beyhuͤlfe zu leiſten? Gute Wege erhalten ſich nicht ſelbſt; ſie erfordern alſo wo nicht kunſtmäßige Hände und gelehrte Aufſeher, doch eine ſtete und vernuͤnftige Aufſicht; dieſe halte ich aber in den Haͤnden verſtaͤndiger Leute immer kluͤger und vortheilhafter als in den Haͤnden der Lehmklecker, Flicker und Schmierer. Und nur dann erſt, wenn die vernuͤnftige Unterhaltungskoſten das Weg- geld uͤberſtiegen, duͤrfte vom Landsherrn ein mehrers verlan- get werden koͤnnen. Haͤtte unſer Schriftſteller meine Frachtfahrer reden gehoͤ- ret; ſo wuͤrde ihm vielleicht die Sorge, daß die erbaueten Wege des Weggeldes wegen, aller Fluͤche und Verſprechun- gen der Fuhrleute ohnerachtet verfahren werden, weniger Kum- mer verurſachen. Doch es geſchehe! Soll denn alles Gute desfals unterbleiben, weil es gemißbrauchet werden kan? Die Freunde des Anbaues und der Bevoͤlkerung, welche ſich freuen, wenn in Heiden durch die ſogenannte Abſetzung der Wege, Land zur Cultur gewonnen wird, muͤſſen warlich ſehr ſeichte Begriffe von Heiden, Cultur und Bevoͤlkerung ha-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/447
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/447>, abgerufen am 25.04.2024.